Besteuerung des geldwerten Vorteils aus einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm
Freibetrag bei Ausschluss von Beschäftigten mit ruhendem Arbeitsverhältnis
Der Gesetzgeber hat den Freibetrag für den geldwerten Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung bestimmter Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 39 EStG) von 1.440 auf 2.000 Euro angehoben. Der höhere Freibetrag soll die Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen attraktiver machen. Allerdings ist er unter anderem an die Voraussetzung geknüpft, dass das Angebot allen Beschäftigten offensteht, die seit mindestens einem Jahr ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen. In einem aktuellen Urteil hat sich das Finanzgericht Düsseldorf mit der Frage beschäftigt, was genau unter einem „gegenwärtigen Dienstverhältnis“ zu verstehen ist (Urteil vom 14.12.2023, 8 K 14/22 H[L]).
Steuerbefreiung
Erhalten Beschäftigte einen Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von bestimmten Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers, kann dieser nach § 3 Nr. 39 EStG von der Einkommensteuer befreit sein. Dies gilt nur, soweit der Vorteil insgesamt 2.000 Euro (Rechtsstand 2024) im Kalenderjahr nicht übersteigt und im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses gewährt wird. Außerdem muss die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offenstehen, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots seit einem Jahr oder länger ununterbrochen in einem Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen („gegenwärtiges Dienstverhältnis“). Als Unternehmen des Arbeitgebers gelten auch andere Unternehmen, die demselben Konzern angehören (§ 18 AktG).
Streitfall: FA verweigert Freibetrag und erlässt einen Haftungsbescheid
In dem zugrunde liegenden Streitfall konnten teilnahmeberechtigte Beschäftigte einen Teil ihres Jahresgehalts in den Kauf von Anteilen an der Muttergesellschaft der Klägerin investieren. Auf das monatliche Investment gewährte die Klägerin einen Bonus zum Erwerb von „Bonus-Aktien“. Mitarbeitende mit ruhendem Arbeitsverhältnis, geringfügiger Beschäftigung oder Ausbildungsverhältnis waren von dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm ausgeschlossen. Außerdem sah das Programm das Ruhen der Teilnahme für Arbeitnehmer vor, die in eine der ausgeschlossenen Gruppen wechseln. Im Rahmen des Lohnsteuerabzugs zog das Unternehmen dennoch den Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG (in den Streitjahren 2015–2018 noch 360 Euro) ab.
In den Streitjahren beschäftigte die Klägerin insbesondere auch Arbeitnehmer mit ruhendem Arbeitsverhältnis und die Konzernmutter Auszubildende, die seit mindestens einem Jahr angestellt waren, als das Angebot bekannt gemacht wurde. In zwei Jahren war jeweils ein geringfügig Beschäftigter für die Klägerin tätig, allerdings jeweils kürzer als ein Jahr.
Im Nachgang zu einer Lohnsteueraußenprüfung erließ das Betriebsstättenfinanzamt einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Es sei für die im Zusammenhang mit dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm geflossenen Bonuszahlungen kein Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG zu gewähren. Dabei verwies das Betriebsstättenfinanzamt insbesondere auch auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 08.12.2009 (IV C 5 – S 2347/09/10002, BStBl. I 2009, 1513). Dort werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Beteiligungsangebot allen Arbeitnehmern offenstehen müsse. Hierzu gehörten auch geringfügig Beschäftigte, Teilzeitkräfte und Auszubildende.
Nach erfolglosem Einspruch erhob das Unternehmen Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf.
Finanzgericht widerspricht der Finanzverwaltung
Laut FG Düsseldorf erfüllen die strittigen Bonuszahlungen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 39 EStG. Für den Arbeitnehmerbegriff greift es in Ermangelung einer (vorrangig geltenden) spezialgesetzlichen Regelung auf § 1 LStDV zurück. Danach liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn die beschäftigte Person dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft schuldet. Laut BFH (Urteil vom 23.04.2009, VI R 81/06) trifft dies zu, „wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist […]“.
Beschäftigte mit ruhendem Arbeitsverhältnis
Nach Auffassung des FG Düsseldorf fehlt es bei Beschäftigten mit ruhendem Arbeitsverhältnis an dem Kriterium der Gegenwärtigkeit, sodass es nicht schädlich ist, dass sie von dem Programm ausgeschlossen wurden. Auch aus dem Gesetzeszweck lasse sich nicht ableiten, dass diese Personengruppe einzubeziehen sei. Denn das übergeordnete Ziel der Regelung sei eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter, die zum Unternehmenserfolg beigetragen haben. Ergänzend führt das Gericht aus, dass Frauen, die während des Mutterschutzes von der Teilnahme ausgenommen werden, Mutterschaftsgeld erhalten, bei dessen Berechnung die betreffenden Arbeitgeberleistungen einzubeziehen sind.
Die Regelung zum Ruhen der Teilnahme im Falle des Wechsels in die Gruppe der Beschäftigten mit einem ruhenden Arbeitsverhältnis sah das FG ebenfalls als unschädlich an. Dies gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – die betreffenden Beschäftigten erneut in das Programm einbezogen werden, sobald sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.
Geringfügig Beschäftigte und Auszubildende
Die geringfügig Beschäftigten der Klägerin standen weder seit mindestens einem Jahr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin, noch waren sie ursprünglich teilnahmeberechtigt (und aufgrund des Wechsels in die Gruppe der geringfügig Beschäftigten von der Teilnahme ausgeschlossen worden). Den in diesem Fall lediglich abstrakten Ausschluss erachtete das FG als nicht relevant für die Gewährung der Steuerbefreiung.
Da die Auszubildenden nicht bei der Klägerin selbst, sondern bei der Konzernmutter angestellt waren, wertete das FG auch den Ausschluss der Auszubildenden von dem Beteiligungsprogramm als irrelevant. Es sei lediglich auf die beim Unternehmen selbst beschäftigte Belegschaft abzustellen.
Fazit
Nach Auffassung des FG Düsseldorf ist bei der Beurteilung, ob das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm mindestens allen zu berücksichtigenden Beschäftigten offensteht, nur ein tatsächlicher Ausschluss relevant. Ein lediglich fiktiver Ausschluss führt nicht dazu, dass der Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG verloren geht. Ein Ausschluss von Beschäftigten mit ruhendem Arbeitsverhältnis ist somit unschädlich, da diese nicht in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis stehen.
Ausblick
Revision gegen das Urteil vor dem BFH
Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt (VI R 4/24). Der BFH wird nun zu entscheiden haben, ob die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG auch dann zu gewähren ist, wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmer mit ruhenden Arbeitsverhältnissen (z. B. Elternzeit etc.) aus der Überlassung von Vermögensbeteiligungen (hier in Form von Bonusaktien) ausklammert.
Neues BMF-Schreiben vom 01.06.2024
Außerdem hat die Finanzverwaltung ein aktualisiertes Schreiben zur lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen ab 2024 veröffentlicht. Schon bisher akzeptierte sie gewisse Ausnahmen von § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG (etwa ausscheidende Arbeitnehmer oder Organe von Körperschaften).
Auch auf die Einbeziehung von Beschäftigten hat die Finanzverwaltung schon bisher verzichtet, wenn diese in ein anderes Unternehmen entsandt wurden, das Dienstverhältnis mit dem entsendenden Unternehmen ruhte und mit dem aufnehmenden Unternehmen ein eigenständiger Arbeitsvertrag geschlossen wurde.
In dem neuen Schreiben wird nun zwischen Entsendungen in ein anderes inländisches Unternehmen und Entsendungen in ein ausländisches Unternehmen differenziert. Sind Arbeitnehmer in einem anderen inländischen Unternehmen tätig und ruht das Dienstverhältnis aus diesem Grund, ist ein Ausschluss vom Mitarbeiterprogramm unschädlich, wenn
- das aufnehmende Unternehmen mit ihnen einen eigenständigen Arbeitsvertrag geschlossen hat oder
- mit ihnen eine Entsendevereinbarung getroffen wurde.
Bei Entsendungen aus Deutschland ins Ausland will es die Finanzverwaltung mit Verweis auf das BMF-Schreiben vom 09.11.2001 nicht beanstanden, wenn die betreffenden Beschäftigten nicht an dem Mitarbeiterprogramm teilnehmen dürfen.
Auf aus einem ausländischen in ein inländisches Unternehmen entsandte Beschäftigte geht das neue Schreiben dagegen nicht ein, sodass unklar ist, ob diese einzubeziehen sind. Allerdings sehen wir hier ein deutliches Risiko, dass ein Ausschluss schädlich ist.
Außerdem gewährt die Finanzverwaltung den begünstigten Arbeitnehmern den Freibetrag auch dann, wenn das Unternehmen Beschäftigte, die über Insiderinformationen im Sinne der EU-Marktmissbrauchsverordnung oder anderer anwendbarer Gesetze verfügen, nicht in das Angebot einbezieht. Das Schreiben soll ab dem 01.01.2024 anzuwenden sein und ersetzt das BMF-Schreiben vom 16.11.2021.
Handlungsempfehlung
Das Urteil des BFH darf mit Spannung erwartet werden. In vergleichbaren Fällen sollte mit Hinweis auf das vor dem BFH anhängige Verfahren Rechtsbehelf eingelegt werden. Wurden geringfügig Beschäftigte und/oder Auszubildende von der Teilnahme ausgenommen, die bei dem betreffenden Unternehmen im Zeitpunkt der Bekanntgabe ununterbrochen mindestens ein Jahr beschäftigt waren, ist das hier besprochene Urteil allerdings nicht einschlägig. Ob sich der BFH dennoch zu diesen Personengruppen äußern wird, bleibt abzuwarten.
In jedem Fall empfiehlt es sich, beim Aufsetzen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen die möglichen (steuerlichen) Konsequenzen sorgfältig prüfen zu lassen. Auch bestehende Programme sollten vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung und dem geänderten BMF-Schreiben im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen untersucht werden.
Ihre Kontaktpersonen zu diesem Artikel: Gordon Rösch, Martin Neutzner, Frank Betz
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