DBA Niederlande: 30-Prozent-Regelung und Rückfall des Besteuerungsrechts
Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf ist Arbeitslohn, der in den Niederlanden nach der 30-Prozent-Regelung von der Besteuerung ausgenommen wurde, in die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen (Urteil vom 25.10.2022, 13 K 2867/20 E). Denn die Regelung sei eine Steuerbefreiung und nicht etwa ein pauschaler Werbungskostenabzug. Das Urteil ist unseres Erachtens auch interessant im Hinblick auf das belgische Expat-Tax-Regime, das eine ähnliche Regelung enthält.
Arbeitgeber wendet 30-Prozent-Regelung an
Im Streitfall hatte der Kläger ausschließlich in Deutschland einen Wohnsitz und war als Ingenieur für seinen niederländischen Arbeitgeber tätig. Das niederländische Finanzamt gewährte dem Arbeitgeber die Anwendung der 30-Prozent-Regelung. Dieser zahlte demnach 30 Prozent des Arbeitslohns ohne Nachweis tatsächlich entstandener Kosten steuerfrei aus.
Deutsches Finanzamt versteuert Arbeitslohn nach
Im Streitjahr hatte der Kläger seine Tätigkeit an 157 Tagen in den Niederlanden und an 80 Tagen in anderen Ländern ausgeübt. In seiner Einkommensteuererklärung 2019 ordnete er die in den Niederlanden von der Besteuerung freigestellten 30 Prozent dem Arbeitslohn vor Aufteilung auf Deutschland und die Niederlande zu. Das Finanzamt ist dem nicht gefolgt und rechnete den in den Niederlanden freigestellten Arbeitslohn in voller Höhe dem auf Deutschland entfallenden Arbeitslohn zu. Dieser sei mangels niederländischer Besteuerung in Deutschland zu besteuern.
Rückfall des Besteuerungsrechts für Teile von Einkünften
Das Finanzgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Zwar stehe insoweit, als der Kläger seine Tätigkeit in den Niederlanden ausgeübt hat, grundsätzlich den Niederlanden das Besteuerungsrecht zu (Art. 14 Abs. 1 DBA NL), doch setze die Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat Deutschland unter anderem voraus, dass die Einkünfte tatsächlich in den Niederlanden besteuert werden (Art. 22 Abs. 1 Buchst.a DBA NL). Diese Vorschrift sei auch auf Teile von Einkünften anzuwenden (§ 50d Abs. 9 Satz 4 EStG).
Keine Besteuerung in den Niederlanden
Insoweit, als die 30-Prozent-Regelung angewendet wurde, habe keine Besteuerung durch die Niederlande stattgefunden, da es sich hier nicht um einen Werbungskostenabzug, sondern um eine Steuerfreistellung handle. Hierfür führt das Gericht insbesondere die folgenden Argumente auf:
- Die Regelung selbst spricht von einer „gezielt freigestellten Vergütung der extraterritorialen Kosten“.
- Auch wirtschaftlich betrachtet liegt eine Freistellung vor, denn die Anwendung der Regelung führt regelmäßig zu einer deutlichen Überkompensation.
- Anders als ein international üblicher Werbungskostenabzug erfüllt eine Steuerfreistellung den Zweck der Regelung, einen Anreiz für die Ausübung bestimmter Berufe in den Niederlanden zu bieten.
Ausblick
Das Gericht hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, damit der Bundesfinanzhof klären kann, ob die Anwendung der 30-Prozent-Regelung den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland auslöst.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf ist unseres Erachtens nicht zutreffend. Bei der 30-Prozent-Regelung handelt es sich um eine pauschale Berücksichtigung der Werbungskosten. Wirtschaftlich betrachtet hat die Freistellung die gleiche Wirkung wie der Abzug einer Werbungskostenpauschale. Deutsche Arbeitgeber sollten daher die Einlegung eines Rechtsbehelfs prüfen, wenn das deutsche Finanzamt den in den Niederlanden freigestellten Betrag nachversteuert.
Das deutsche Steuerrecht berücksichtigt wesentliche durch eine Entsendung verursachte Aufwendungen nicht. Dass nach dieser Maßschnur häufig eine Überkompensation eintritt, bedeutet allerdings noch nicht, dass die tatsächlichen Kosten geringer sind als die von der Besteuerung freigestellten Beträge. Dem niederländischen Gesetzgeber steht es frei, bei einer pauschalen Berücksichtigung, die letztlich auch Verwaltungskosten spart, großzügiger zu sein als bei einem Einzelnachweis der Kosten.
Falls sich das Finanzgericht Düsseldorf mit seiner Sichtweise durchsetzt, würde die niederländische 30-Prozent-Regelung (weitgehend) ins Leere laufen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für den Abzug der Aufwendungen nach deutschem Steuerrecht als Reisekosten bzw. im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen. Das Urteil ist auch für Entsendungen in die Niederlande relevant.
Deutsche Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie ihre potenziell betroffenen Beschäftigten auf das steuerliche Risiko hinweisen und darauf hinwirken, dass diese die notwendigen Unterlagen über die tatsächlichen Kosten aufbewahren. Diese sind – wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen – in der deutschen Einkommensteuererklärung abzugsfähig.
Außerdem sollte geprüft werden, ob es insgesamt günstiger ist, auch in den Niederlanden die tatsächlichen Werbungskosten geltend zu machen. Denn in diesem Fall werden die betreffenden Vergütungsbestandteile in Deutschland nicht nachversteuert. Dabei ist zu beachten, dass sich der Arbeitgeber bis zum 31.04. entscheiden muss, ob er im betreffenden Kalenderjahr für den betreffenden Arbeitnehmer von der 30-Prozent-Regelung Gebrauch macht. Wenn eine Tax Equalization vereinbart wurde, empfiehlt es sich zudem, die Auswirkungen in diesem Bereich in den Vergleich möglicher Alternativen einzubeziehen.
Kontaktperson in den Niederlanden: Tom Dubbelman