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Equal-Pay-Richtlinie und Stellenbewertung

Warum Unternehmen sich schon jetzt mit der Stellenbewertung befassen sollten

Die Transparenz in Bezug auf Entlohnung ist zu einem wichtigen Thema für die Personalabteilungen geworden. Das Europäische Parlament hat am 30.03.2023 die neue EU-Lohntransparenzrichtlinie verabschiedet. Sie wird die Art und Weise, wie Unternehmen über ihre Vergütungsstrukturen sprechen, und die Informationen, über die sie öffentlich berichten, erheblich verändern. Die Mitgliedstaaten haben drei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Auch wenn noch nicht bekannt ist, wie der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie umsetzen wird, sind Unternehmen dennoch gut beraten, wenn sie sich schon jetzt mit dem Thema detailliert auseinandersetzen. Bereits vorhandene Stellenbewertungen sollten aktualisiert und vorsorglich an die Vorgaben der Richtlinie angepasst werden. Arbeitgeber, die noch keine Stellenbewertung vorgenommen haben, sollten schnellstens damit beginnen.

Was ist die EU-Lohntransparenzrichtlinie?

Die Richtlinie bringt weitreichende Änderungen für Unternehmen mit sich, die sich massiv auf ihre Personalpraxis auswirken werden. Hier einige der wichtigsten Anforderungen:

  • Obligatorische objektive Messung: Unternehmen müssen über eine objektive Methode verfügen, um verschiedene Funktionen miteinander vergleichen zu können. Es bedarf einer Methode für eine Stellenbewertung im Einklang mit einer Reihe objektiver Kriterien und der Art der dabei wahrgenommenen Aufgaben. 
  • Öffentliche Lohnberichterstattung: Unternehmen werden verpflichtet, Informationen über das Lohngefälle zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten zu veröffentlichen, und zwar nicht nur über das Grundgehalt, sondern auch über zusätzliche und variable Vergütungsbestandteile wie Boni. 
  • Recht auf Information: Arbeitnehmer haben das Recht, von ihrem Arbeitgeber Informationen über ihr Lohnniveau, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, zu verlangen. Unternehmen müssen außerdem in der Lage sein, den Beschäftigten eine Beschreibung der geschlechtsneutralen Kriterien zur Verfügung zu stellen, die zur Festlegung ihres Gehalts, ihrer Gehaltsstufen und ihrer Gehaltsentwicklung verwendet werden. 
  • Lohntransparenz für Arbeitssuchende: Unternehmen müssen entweder in Stellenausschreibungen oder vor Vorstellungsgesprächen Informationen über das Anfangsgehalt oder die Gehaltsspanne bereitstellen. Arbeitnehmende dürfen nicht mehr nach ihrem bisherigen Gehalt gefragt werden. Ebenso verboten sind Klauseln zur Geheimhaltung des Gehalts. 
  • Ausgleich von Lohndiskriminierung: Opfer von geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung können eine Entschädigung erhalten, einschließlich einer Rückzahlung entgangener Entlohnung.

Unternehmen müssen also Voraussetzungen schaffen, um ein mögliches Lohngefälle bei Mitarbeitenden, die gleiche oder gleichwertige Arbeit ausführen, sinnvoll messen zu können. Im ersten Schritt sind alle Stellen und deren relative Wertigkeit innerhalb des Unternehmens zu erfassen. So kann identifiziert werden, welche Stellen miteinander vergleichbar sind.

Was bedeutet all das für Unternehmen?

Stellenbewertung

Die anstehenden Änderungen treffen viele Unternehmen weitgehend unvorbereitet. Alle Stellen müssen basierend auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien bewertet werden. Unternehmen, die bisher keine objektive Methode für eine Stellenbewertung anwenden, müssen ihre Vorgehensweise deutlich ändern, um der Richtlinie zu entsprechen. Zu den objektiven Kriterien zählen etwa Bildungs-, Ausbildungs- und Berufsanforderungen, Qualifikationen, Belastung und Verantwortung und ausgeführte Arbeit. Nach der EU-Richtlinie sind mindestens die vier Kriterien Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen heranzuziehen. 

Welche Stellen sind vergleichbar?

Die Stellenbewertung bildet die Grundlage für die Umsetzung der EU-Richtlinie. Sie ermöglicht die Identifikation vergleichbarer Stellen innerhalb des Unternehmens. Basierend auf dieser Stellenbewertung kann eine erste Analyse des geschlechtsspezifischen Lohngefälles erfolgen. Es bietet sich an, das Lohngefälle bereits jetzt zu analysieren, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bevor in drei Jahren die Offenlegung verpflichtend wird. 

Definition von Gehaltsbändern

Weiterhin können Arbeitgeber die Stellenbewertung als Basis für die Ableitung von Gehaltsbändern heranziehen. Ein Gehaltsband umfasst Stellen von gleichem oder vergleichbarem Wert und bildet die Ober- und Untergrenze der möglichen Entlohnung ab. Sind eine Stellenbewertung und Gehaltsbänder definiert, fällt es leichter, den Beschäftigten Auskunft über Lohnniveau und die zugrunde liegenden Kriterien zu erteilen. Für neu zu besetzende Stellen ist die Gehaltsspanne sofort bekannt und kann Bewerbern entweder in der Stellenausschreibung oder im Gespräch mitgeteilt werden.

Handlungsempfehlung

Drei Jahre mögen zwar nach einer langen Zeitspanne für die Umsetzung klingen, aber wenn man Art und Ausmaß der Veränderungen bedenkt, ist es angezeigt, jetzt zu handeln. Bereits 2027 muss über das Geschäftsjahr 2026 berichtet werden. Das bedeutet, dass nur noch zwei Gehaltsrunden für etwaige Anpassungen bleiben, bevor über das geschlechtsspezifische Lohngefälle berichtet werden muss.

Wesentliche Voraussetzung für eine aussagekräftige, richtlinienkonforme Stellenbewertung ist die Wahl geeigneter Kriterien, bei der nicht zuletzt auch die Unternehmensphilosophie und die Unternehmensziele berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus empfiehlt es sich, darauf zu achten, dass der gewählte Ansatz flexibel genug ist, um künftigen Entwicklungen gerecht werden zu können, und kosteneffizient umgesetzt werden kann.

Autoren: Marie-Lena Kreutzer, Dr. Henning Curti