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Freelancer – Dauerbrenner Scheinselbständigkeit

Unternehmen beschäftigen aus den unterschiedlichsten Gründen Freelancer und genauso vielfältig sind die Freelancer selbst. Die Palette reicht vom gesuchten IT-Experten in Indien oder der versierten Marketing-Beraterin aus den USA über die deutsche Webdesignerin bis zum hochgeschätzten ehemaligen Mitarbeiter, der auch nach dem Renteneintritt weiterhin beruflich aktiv sein möchte. Teilweise wird auch versucht, durch den Abschluss eines Freelancer-Vertrags die Zeit bis zur Erteilung der (für eine abhängige Beschäftigung) erforderlichen Arbeitserlaubnis zu überbrücken, wovon abzuraten ist. So attraktiv die freie Mitarbeit häufig sein mag, so risikobehaftet ist sie leider auch. Doch welche Risiken drohen im Einzelnen und wie gelingt es, sie zu verringern oder womöglich ganz zu vermeiden?

Die Fähigkeit, das Wort ‚Nein‘ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.

Vorteile und Risiken im Überblick

Vorteile

Freelancer, die in einem sehr gefragten Bereich tätig sind, können sich ihre Auftraggeber und Projekte frei aussuchen. Sie sind auch insgesamt selbstbestimmt und weitgehend eigenverantwortlich tätig. Darüber hinaus profitieren sie von flexiblen oder zumindest flexibleren Arbeitszeiten. Dadurch fällt es ihnen oft leichter, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bringen. Je nach Spezialisierung und Expertise locken zudem beachtliche Honorare.

Für die Auftraggeber ist es wiederum vorteilhaft, dass sie die betreffenden Fachkräfte gezielt für bestimmte Projekte beauftragen können, anstatt eine Person dauerhaft einzustellen. Neben der höheren Flexibilität punkten Verträge mit Freelancern auch mit einem geringeren Verwaltungsaufwand.

Risiken

Freelancer müssen sich selbst um ihre Risikovorsorge (Altersvorsorge, Krankenversicherung etc.) kümmern. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage, haben sie keinen Kündigungsschutz und keinen Anspruch auf eine Abfindung. Die größere Freiheit wird mit einer geringeren Sicherheit erkauft.

Auftraggeber sollten die Rahmenbedingungen der freien Mitarbeit äußerst sorgfältig regeln und überwachen, denn ansonsten sehen sie sich mit dem Schreckgespenst der Scheinselbständigkeit konfrontiert. Die Verträge mit Fremdkräften sind nicht umsonst ein wesentlicher Schwerpunkt bei den Betriebsprüfungen der DRV.

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass gar keine selbständige Tätigkeit, sondern eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergeben sich gravierende Konsequenzen: Es greifen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften und es sind regelmäßig Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten und Lohnsteuer einzubehalten – auch rückwirkend.

Wann liegt eine Scheinselbständigkeit vor?

Ob eine echte selbständige Tätigkeit oder eine Scheinselbständigkeit vorliegt, wird anhand einer Reihe von Kriterien beurteilt. Entscheidend ist dabei weniger die vertragliche Gestaltung als vielmehr die tatsächliche Durchführung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen beispielsweise folgende Kriterien:

  • Bindung an die Weisungen des Auftraggebers
  • Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers
  • kein Unternehmerrisiko
  • Ausübung der Tätigkeit in den Räumen des Auftraggebers
  • enge Zusammenarbeit mit Stammmitarbeitern
  • Vertretung von internen Beschäftigten des Auftraggebers

In Grenzfällen kann auch die Höhe des vereinbarten Honorars eine Rolle spielen. Freelancer erhalten regelmäßig eine höhere Vergütung, weil mit ihr auch die eigene Vorsorge abgedeckt werden muss.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Berufsgruppen, für die bereits durch die Rechtsprechung geklärt wurde, dass regelmäßig von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist.

Fallgrube Heimarbeit

Die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung kann sich bereits aus einer sogenannten Heimarbeit ergeben (§ 12 Abs. 2 2. Halbsatz SGB IV). Dies gilt auch für höher qualifizierte Tätigkeiten wie die eines Programmierers (LSG Hessen, Urteil vom 18.06.2020, L 8 BA 36/19). Dass der Programmierer im Streitfall seinen eigenen PC genutzt und die erforderliche Programmierumgebung selbst erworben hat, ändert daran nichts. Es genügt, dass er in der von ihm selbst gewählten Arbeitsstätte (seiner Wohnung) einem Erwerb nachging und die Verwertung seiner Programme einem gewerblich tätigen Unternehmen überließ.

Im Homeoffice tätige Programmierer gelten als abhängig beschäftigt.

Irrweg Zwischenschaltung einer GmbH

Auch ein im Handelsregister eingetragener (Interims-)Geschäftsführer kann nicht als Freelancer behandelt werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Geschäftsführung durch eine zwischengeschaltete GmbH, an der er als Alleingesellschafter beteiligt ist, als Dienstleistung erbracht wird. Die DRV vermutet hier zumindest häufig einen Umgehungsversuch und die Sozialgerichte sehen derartige Konstellationen ebenfalls kritisch (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2019, L 9 KR 264/17).

Das LSG Baden-Württemberg hatte dies in seiner Entscheidung vom 27.06.2017 noch anders gesehen (L 11 R 3853/16). Das Urteil betraf allerdings einen Fall, in dem im Gegensatz zum vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Sachverhalt die ausdrückliche Vereinbarung fehlte, dass die Leistungen nur vom Alleingesellschafter der zwischengeschalteten Gesellschaft erbracht werden durften.

Ein erhebliches Restrisiko bleibt hier jedoch immer. Dies gilt ganz besonders, wenn etwa eine ausländische Gesellschaft nur zwischengeschaltet wird, um die Sozialversicherungspflicht zu vermeiden – ein Konstrukt, das tatsächlich teilweise empfohlen wird. Von derartigen „Lösungen“ ist dringend abzuraten.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen der Scheinselbständigkeit

Kündigungsschutz, Anspruch auf bezahlten Urlaub …

Bei Vorliegen einer Scheinselbständigkeit besteht ein vollumfängliches Arbeitsverhältnis mit allen arbeitgeberseitigen Rechten und Pflichten beim beauftragenden Unternehmen. Es gelten zugunsten des Beschäftigten sämtliche Arbeitnehmerschutzgesetze. Besonders wichtig sind hier vor allem

  • das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz,
  • das Recht auf bezahlten Erholungsurlaub von mindestens vier Wochen pro Jahr gemäß dem Bundesurlaubsgesetz und
  • der Kündigungsschutz gemäß dem Kündigungsschutzgesetz sowie möglicherweise gemäß anderen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, die zugunsten von Schwangeren und schwerbehinderten Menschen gelten.

Häufig wird die Selbständigkeit auf Veranlassung der Beschäftigten selbst überprüft, wenn diese in den Genuss von Arbeitnehmerschutzrechten kommen wollen. Daher sind Feststellungsverfahren und Streitigkeiten häufig programmiert, wenn es um bezahlten Urlaub, Krankheit oder die Beendigung der Zusammenarbeit geht.

Ein weiteres Risiko besteht bei Arbeitsunfällen. In diesem Fall kann die Berufsgenossenschaft den Auftraggeber für sämtliche Kosten in Regress nehmen.

Risiken für verantwortliche Geschäftsführer

Dem Geschäftsführer drohen bei Unzuverlässigkeit (§ 35 GewO) infolge Steuerstraftaten und Beitragsdelikten neben Strafen oder Bußgeldern Berufsverbote, ein Entzug der gewerblichen Erlaubnis (Stichwort: gewerbebezogene Unzuverlässigkeit) und ggf. der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Freelancer im Ausland

Befindet sich der Freelancer im Ausland, ist nach lokalem Recht zu beurteilen, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt. Auch eventuelle arbeitsrechtliche Konsequenzen richten sich nach dem ausländischen Recht.

Immigration – Arbeitserlaubnis

Ausländische Freelancer im Inland

Sollen Drittstaatsangehörige in Deutschland als Freelancer beschäftigt werden, ist unbedingt darauf zu achten, dass eine gültige Aufenthaltsgenehmigung für die selbständige Tätigkeit vorliegt. Aufgrund der aktuellen Sondersituation sind die zuständigen Behörden allerdings stark überlastet und es ist mit langen Bearbeitungszeiten zu rechnen.

Im Rahmen der Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung muss der Freiberufler nachweisen, dass er über genügend finanzielle Mittel und insbesondere über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt.

Stellt sich heraus, dass ein vermeintlicher Freelancer tatsächlich abhängig beschäftigt ist und handelt es sich dabei um einen Drittstaatsangehörigen, verfügt er regelmäßig nicht über die erforderliche Arbeitsgenehmigung. Dem Arbeitgeber droht in diesem Fall ein saftiges Bußgeld.

Freelancer im Ausland

Auch hier kann es grundsätzlich nach den nationalen Vorschriften erforderlich sein, einen entsprechenden Aufenthaltstitel einzuholen, falls die betreffende Person nicht die Staatsangehörigkeit ihres Aufenthaltsstaates hat. Eine Ausnahme bildet die Tätigkeit eines EU-Bürgers in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Eine eventuelle Scheinselbständigkeit kann – wie bei Inlandssachverhalten – erhebliche Risiken für den Auftraggeber mit sich bringen.

Sozialversicherungsrechtliche Folgen der Scheinselbständigkeit

Nachzahlung von Beiträgen

Im Fall einer Scheinselbständigkeit hat das beauftragende Unternehmen für bis zu vier Jahre rückwirkend die Sozialversicherungsbeiträge für die in Deutschland lebenden (und tätigen) Beschäftigten zu entrichten, und zwar sowohl den Arbeitgeberanteil als auch den Arbeitnehmeranteil (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Bei Vorsatz verlängert sich die Frist auf 30 Jahre (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Zusätzlich fallen Säumniszuschläge an.

Grundsätzlich ist nach deutschem Recht davon auszugehen, dass die bisher gezahlten Vergütungen netto gezahlt wurden und daher hochzurechnen sind. Die Beiträge zur Sozialversicherung (einschließlich Arbeitnehmeranteil) fallen also zusätzlich an. Der Arbeitnehmeranteil kann grundsätzlich lediglich für die letzten drei Monate zurückgefordert werden, allerdings nur, wenn der Freelancer noch für den Arbeitgeber tätig ist. Daneben sind zusätzlich Säumniszuschläge zu entrichten.

Bei der Beschäftigung von Rentnerinnen oder Rentnern, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben – etwa im Rahmen eines Beratervertrags –, gelten einige Besonderheiten. Beispielsweise entfällt hier grundsätzlich der Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung. Allerdings kann ein Rentner, der eine Vollrente wegen Alters bezieht und sein Regelalter überschritten hat, auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung verzichten – jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft und dann bindend für die gesamte Dauer der Beschäftigung.

Straf- und ordnungsrechtliche Konsequenzen

Darüber hinaus hat der Auftraggeber sogar straf- und ordnungsrechtliche Konsequenzen zu befürchten (insbesondere §§ 111 SGB IV, 209 SGB VII). Wenn beispielsweise die scheinselbständige Person vorher in der gleichen Funktion im Unternehmen angestellt war, droht der Vorwurf des Vorsatzes. In diesem Fall kann gegen den Arbeitgeber eine Geldstrafe verhängt werden. Auch die betreffenden verantwortlichen Personen müssen dann mit einer Geldstrafe oder sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen (§ 266a StGB).

Die Anzahl der jährlich in diesem Zusammenhang eingeleiteten Strafverfahren liegt im fünfstelligen Bereich (Polizeiliche Kriminalstatistik zu § 266a StGB). Einen Lichtblick liefert die neuere Rechtsprechung des BGH. War die Auffassung des Arbeitgebers, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegt, zumindest vertretbar, liegt danach kein Straftatbestand nach § 266a StGB mehr vor (Urteil vom 24.09.2019, 1 StR 331/17). Ein Vorsatz ist laut Gericht nur noch dann anzunehmen, wenn die betreffende Person

  • es zumindest für möglich gehalten hat, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt,
  • deshalb zur Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung verpflichtet ist und
  • die Verletzung dieser Pflichten billigend in Kauf genommen hat.
Im Ausland kann das beauftragende Unternehmen auch bei einer selbständigen Tätigkeit verpflichtet sein, Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen.
Freelancer im Ausland

Lebt und arbeitet der Freelancer im Ausland, wird es noch etwas komplizierter. Hier ist nach dem lokalen Recht zu prüfen, ob eine abhängige oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt und vom Arbeitgeber bzw. Auftraggeber Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen sind. Doch bei Auslandssachverhalten ist die Beauftragung von Freelancern zumindest aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht unbedingt die einfachere Lösung. Denn in manchen Staaten muss der Auftraggeber einen Teil der Beiträge für seine selbständig Beschäftigten übernehmen.

Die deutschen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen greifen in diesen Fällen grundsätzlich nicht. Je nachdem, welcher Staat betroffen ist, können auch hier drakonische Strafen im Raum stehen.

Steuerrechtliches Nachspiel

Verpflichtung zur Abführung von Lohnsteuer

Grundsätzlich ist die Frage, ob die betreffende Person Arbeitnehmer ist und damit eine Verpflichtung zur Einbehaltung von Lohnsteuer besteht, nach lohnsteuerlichen Kriterien zu beurteilen (§ 1 LStDV). Doch in der Praxis folgt die lohnsteuerliche Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, in der Regel den Feststellungen der DRV, auch wenn diese keine direkte Bindungswirkung für die Lohnsteuer entfalten. Ist der vermeintliche Freelancer in Deutschland mit seinen Einkünften aus der Tätigkeit unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig, hat der Arbeitgeber in Deutschland Lohnsteuer abzuführen, sofern die Steuer nicht bereits verjährt ist.

Korrektur

Wenn der Arbeitgeber erkennt, dass er die Lohnsteuer bisher nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat, muss er dies bei der nächsten Lohnzahlung korrigieren (§ 41c Abs. 1 EStG). Ist zu diesem Zeitpunkt das Kalenderjahr bereits abgelaufen oder die Vertragsbeziehung beendet, kann der Lohnsteuerabzug jedoch nur bis zur Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung geändert werden. Diese Fälle sind dem Betriebsstättenfinanzamt umgehend zu melden (§ 41c Abs. 4 EStG).

Diese Meldung befreit den Arbeitgeber grundsätzlich von der Haftung für die Lohnsteuer, die er fälschlicherweise nicht einbehalten und abgeführt hat (§ 42d Abs. 2 EStG) – allerdings nur, wenn die Meldung unverzüglich erfolgt. Hat sich der Arbeitgeber nicht über die richtige Einbehaltung der Lohnsteuer informiert oder ist sein Verhalten als willkürlich anzusehen, kann die Berufung auf den Haftungsausschluss unzulässig sein. Dabei ist auch entscheidend, welche Maßnahmen der Arbeitgeber bereits in der Vergangenheit getroffen hat, um das entsprechende Risiko zu verringern.

Wird die Meldung hingegen versäumt, haftet der Arbeitgeber gemeinsam mit dem Arbeitnehmer für die nicht einbehaltene Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer als Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 EStG). Gegebenenfalls steht ihm ein zivilrechtlicher Regressanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer zu.

Umsatzsteuer

Nicht vergessen werden sollten die umsatzsteuerlichen Nebenwirkungen. Falls vermeintliche Freelancer bei der Abrechnung ihrer Leistungen Umsatzsteuer ausgewiesen haben, hat das Unternehmen in der Regel (irrtümlich) daraus die Vorsteuer gezogen. Diese Steuern sind nun zurückzuzahlen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).

Verjährung und strafrechtliche Risiken

Wenn eine Verpflichtung zur Abführung von Lohnsteuer bestand bzw. fälschlicherweise Vorsteuer geltend gemacht wurde, kann statt der allgemeinen Verjährungsfrist für die Steuerfestsetzung von vier Jahren bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz eine Frist von fünf bzw. zehn Jahren gelten. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Strafverfolgungsverjährung.

Je nachdem, ob die verantwortlichen Personen wussten oder zumindest annehmen mussten, dass eine Scheinselbständigkeit (möglicherweise) vorlag, droht der Vorwurf einer fahrlässigen Steuerverkürzung oder sogar der Steuerhinterziehung. Gegebenenfalls kann ein Bußgeld und in schweren Fällen eine Freiheitsstrafe verhängt werden.

Freelancer im Ausland

Wenn die scheinselbständige Person im Ausland ansässig oder dort (teilweise) tätig ist, kann dort nach dem nationalen Recht eine Verpflichtung zur Registrierung und Abführung von (Lohn-)Steuer bestehen. Auch inwieweit im anderen Staat eine rückwirkende Korrektur erforderlich ist und welche Sanktionen im Raum stehen, richtet sich dann nach ausländischem Recht.

Insbesondere bei ausländischen Programmierern kann sich aber auch eine Verpflichtung zur Abführung von Steuern nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ergeben, selbst wenn es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt (BMF-Schreiben vom 02.08.2022). Der durch eine Scheinselbständigkeit entstehende potenzielle Verwaltungsaufwand erhöht sich also bei Auslandssachverhalten spürbar.

Nicht zuletzt laufen die Auftraggeber Gefahr, dass sie im Ausland eine Betriebsstätte begründen, wenn sich herausstellt, dass die Tätigkeit der beauftragten Person im anderen Staat als abhängige Beschäftigung eingestuft wird. Wie groß dieses Risiko im Einzelfall ist, hängt unter anderem ganz entscheidend von der Art der Tätigkeit ab. 

Handlungsempfehlung

Wer Freelancer beschäftigt, sollte bereits vor der Erteilung des Auftrags klären, ob ein Aufenthaltstitel erforderlich ist, und sich ggf. die entsprechenden Nachweise vorlegen lassen. Die derzeit lange Bearbeitungsdauer der deutschen Einwanderungsbehörden sollte bei der Planung entsprechend berücksichtigt werden.

Es empfiehlt sich, schon vor Vertragsschluss abzuklären, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn einwanderungsrechtliche Vorschriften zu beachten sind. Es ist auch ratsam, regelmäßig zu prüfen, ob die Verhältnisse gleich geblieben sind. Denn manchmal entwickelt sich eine echte selbständige Tätigkeit im Lauf der Zeit zur Scheinselbständigkeit.

Wer regelmäßig Freelancer beschäftigt, sollte eine interne Richtlinie zur Beschäftigung von Freelancern erstellen und pflegen. Jährliche Schulungen der für den Vertragsabschluss zuständigen Personen bieten eine zusätzliche Hilfe, um sicherzustellen, dass die Vertragsbedingungen und ihre Durchführung die Anforderungen an eine echte selbständige Tätigkeit erfüllen.

In Grenzfällen empfiehlt es sich für inländische Sachverhalte, bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten und sicherheitshalber auch beim Betriebsstättenfinanzamt eine Lohnsteueranrufungsauskunft einzuholen. Aufgrund der Reform des Statusfeststellungsverfahrens sollte inzwischen schneller als bisher Klarheit gewonnen werden können, ob eine selbständige oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Das Verfahren muss laut Gesetz innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein. Vor der Reform konnte es durchaus bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen. Laut DRV liegt die durchschnittliche Laufzeit bei 84 Tagen.

Besteht Anlass zu der Vermutung, dass ein oder mehrere Freelancer tatsächlich abhängig beschäftigt sein könnten, sollten umgehend Experten aus den Bereichen Arbeitsrecht, Sozialversicherung und Lohnsteuer hinzugezogen werden, um die korrekte Einordnung zu prüfen. Stellt sich heraus, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, ist regelmäßig dringend eine strafrechtliche Beratung anzuraten.

Autorinnen: Nancy Adam, Ursula Beste, Iris Tauth, Martina Unrau