Jahressteuergesetz 2024 – Referentenentwurf veröffentlicht
Das Bundesministerium der Finanzen hat am 17.05.2024 den Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) veröffentlicht. Der Entwurf sieht eine Vielzahl von Änderungen des Einkommensteuerrechts vor, darunter die Einführung einer Konzernklausel und Neuerungen bei der pauschalen Versteuerung von Arbeitslohn und der Besteuerung von Arbeitslohn für Zeiten der Arbeitsfreistellung vor der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses. Im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens werden sich allerdings voraussichtlich noch Änderungen ergeben.
Mitarbeiterbeteiligungen nach § 19a EStG – Konzernklausel
Der nach § 19a EStG im Jahr der Übertragung der Anteile nicht besteuerte Arbeitslohn unterliegt spätestens dann der Besteuerung nach § 19 EStG und dem Lohnsteuerabzug, wenn seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung 15 Jahre vergangen sind. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Übertragung (oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre) der Vermögensbeteiligung bestimmte Kriterien erfüllt: Insbesondere dürfen
- der Jahresumsatz und die Jahresbilanzsumme das Doppelte und
- die Anzahl der beschäftigten Personen höchstens das Vierfache
der in der Definition der Kleinstunternehmen sowie der KMU genannten Schwellenwerte nicht überschreiten. Eine weitere Bedingung ist, dass die Gründung des Unternehmens nicht mehr als 20 Jahre zurückliegt.
Die nachgelagerte Besteuerung soll nun auch möglich sein, wenn den Beschäftigten eine Beteiligung an einem Konzernunternehmen i. S. v. § 18 AktG gewährt wird. Die Konzernklausel knüpft den Steuervorteil an zwei Voraussetzungen: Zum einen müssen die Konzernunternehmen als Gesamtheit die Schwellenwerte des § 19a Abs. 3 EStG einhalten, zum anderen darf die Gründung keines der Konzernunternehmen mehr als 20 Jahre zurückliegen. Die unseres Erachtens wünschenswerte Einführung der Konzernklausel in § 19a EStG war ursprünglich bereits im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes im Jahr 2023 geplant und soll nun im Rahmen des JStG 2024 rückwirkend zum 01.01.2024 nachgeholt werden.
Kein Lohnsteuerjahresausgleich bei Anwendung der Tagestabelle
Ab 2023 sind Arbeitstage, an denen Arbeitslohn bezogen wurde, der nicht dem inländischen Lohnsteuerabzug unterliegt (etwa steuerfreier Arbeitslohn nach DBA) bei der Bestimmung des Lohnzahlungszeitraums nicht mitzuzählen (R 39b.5 Abs. 2 Satz 4 LStR 2023). Das bedeutet, dass hier die Lohnsteuer anhand der Tagestabelle (bzw. bei bestimmten Konstellationen der Wochentabelle) zu berechnen ist und daher regelmäßig eine höhere Steuer entsteht als bisher.
Damit die Wirkung dieser Regelung nicht später durch den Lohnsteuerjahresausgleich wieder aufgehoben wird, sieht der Referentenentwurf vor, dass nach § 42b Abs. 1 Nr. 6 EStG-E der Lohnsteuerabzug untersagt ist, wenn „der Arbeitnehmer im Ausgleichsjahr ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat, von denen keine inländische Lohnsteuer einbehalten wurde“.
Dabei sollen Sachverhalte, die das Dienstverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber betreffen, unberücksichtigt bleiben (§ 42b Abs. 1 Satz 4 EStG-E).
Der neue Satz 4 berücksichtigt, dass der Arbeitgeber regelmäßig über Tatbestände außerhalb des konkreten Dienstverhältnisses keine Informationen hat. Sie sollen daher auch nicht zum Ausschluss des Lohnsteuerjahresausgleichs führen können.
Ausübung des Pauschalierungswahlrechts
Nach dem geplanten § 40 Abs. 4 EStG hat der Arbeitgeber sein Pauschalierungswahlrecht grundsätzlich auszuüben, indem er eine Lohnsteueranmeldung übermittelt bzw. abgibt, in der die pauschale Lohnsteuer angegeben wird. Für den Prüfungszeitraum einer Lohnsteuer-Außenprüfung soll der Arbeitgeber abweichend hiervon das Pauschalierungswahlrecht durch schriftliche oder elektronische Erklärung gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt ausüben können. Diese Erklärung ist laut Gesetzentwurf spätestens bis zur Bestandskraft der aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung erlassenen Bescheide abzugeben. Die pauschale Lohnsteuer soll dann vom Betriebsstättenfinanzamt durch Steuerbescheid festgesetzt werden.
Die Neuregelung wurde notwendig, da der BFH zur aktuellen Rechtslage die Auffassung vertritt, dass der Arbeitgeber das Pauschalierungswahlrecht nach § 40 Abs. 2 EStG nur im Rahmen der Lohnsteueranmeldung ausüben kann (vgl. Urteile vom 24.09.2015, VI R 69/14 und vom 01.09.2021, VI R 38/19 [NV]). Der Gesetzgeber möchte mit dem neuen Absatz 4 hier Abhilfe schaffen, was zu begrüßen ist. § 40 Abs. 4 EStG-E soll in allen offenen Fällen anwendbar sein (§ 52 Abs. 37c Satz 3 EStG-E).
Pauschale Besteuerung von Mobilitätsbudgets
Mit dem JStG 2024 will der Gesetzgeber zudem die bereits vorhandenen Anreize zur Förderung einer möglichst umweltverträglichen Mobilität erweitern. Daher ist geplant, dass der Arbeitgeber bestimmte Leistungen aus einem Mobilitätsbudget pauschal mit 25 Prozent versteuern kann (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG-E). Im Entwurf werden als Beispiele für solche Möglichkeiten zur Nutzung moderner Fortbewegungsmöglichkeiten genannt:
- E-Scooter,
- die gelegentliche Inanspruchnahme von Car-Sharing-, Bike-Sharing- sowie sonstige Sharing-Angebote und
- Fahrtdienstleistungen.
Die Pauschalierung ist nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber (oder auf seine Veranlassung hin ein Dritter) diese Leistungen seinen Beschäftigten zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt.
Begünstigt ist laut Entwurf das Angebot zur Nutzung außerdienstlicher Mobilitätsleistungen in Form von Sachbezügen oder Zuschüssen, soweit die Leistungen den Betrag von 2.400 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen. Die Pauschalierungsmöglichkeit soll nicht für Luftfahrzeuge, private Kraftfahrzeuge und den Arbeitnehmern dauerhaft überlassene Kraftfahrzeuge gelten. Eine Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 (Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte) soll die Pauschalierung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit dem Mobilitätsbudget ausschließen.
Dabei ist laut Gesetzesbegründung die Nutzung an sich begünstigt, nicht dagegen die Erstattung reiner Einzelkosten wie etwa Treibstoffkosten in Form von Tankkarten. Als konkrete Beispiele werden genannt:
- Sachbezüge wie
- bestimmte zweckgebundene Gutscheine einschließlich entsprechender Gutscheinkarten,
- Gutscheincodes oder
- Gutschein-Apps oder entsprechende Geldkarten einschließlich Wertguthabenkarten in Form von Prepaid-Karten) und auch
- Zuschüsse (Geldleistungen wie z. B. nachträgliche Kostenerstattungen) zur individuellen Fortbewegung im außerdienstlichen Bereich, insbesondere
- private Fahrten,
- Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie
- Familienheimfahrten
Als Bemessungsgrundlage für die Pauschalbesteuerung sind die Aufwendungen des Arbeitgebers (einschließlich Umsatzsteuer) für das zur Verfügung gestellte Mobilitätsbudget vorgesehen. Der neue § 40 Abs. Satz 1 Nr. 8 EStG soll (rückwirkend) ab dem 01.01.2024 anwendbar sein (§ 52 Abs. 1 Satz 2 EStG)
Arbeitslohn für Zeiten der Freistellung in DBA-Fällen
Den Arbeitslohn, den ein von seiner Tätigkeit freigestellter Arbeitnehmer für die Zeit vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erhält, darf nach dem OECD-Musterkommentar der Staat besteuern, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre (Tz. 2.6 zu Art. 15). Dagegen kann dieser Arbeitslohn nach bisheriger deutscher Sichtweise in der Regel nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden – sofern tatsächlich keine Tätigkeit ausgeübt wird (BMF-Schreiben vom 12.12.2023, Rn. 361 und 362).
Verwerfungen im Verhältnis zu einer Mehrheit von Staaten, die der Auffassung der OECD folgen, und damit Doppel- oder Nichtbesteuerungen sind die Folge dieser unterschiedlichen Anwendung von Artikel 15. Doppelbesteuerungen können oftmals nur nach Durchführung eines Verständigungsverfahrens vermieden werden.
Mit dem neuen § 50d Abs. 15 EStG soll das deutsche Rechtsverständnis an den Kommentar zu Art. 15 OECD-Musterabkommen angepasst werden. Danach gilt für die Zuweisung des Besteuerungsrechts in DBA-Fällen Arbeitslohn, der für Zeiten der (widerruflichen oder unwiderruflichen) Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, als Vergütung für die Ausübung einer Tätigkeit in dem Staat, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre.
Wenn im Abkommen eine ausdrückliche Regelung für diese Einkünfte aus unselbständiger Arbeit vorgesehen ist, haben diese Vorrang (§ 50d Abs. 15 Satz 2 EStG-E). Auch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG und Rechtsverordnungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AO, die eine Einmalbesteuerung sicherstellen, wenn der andere Staat einem anderen Abkommensverständnis folgt, bleiben von der Neuregelung unberührt.
Arbeitslohn für Zeiten der Arbeitsfreistellung bei beschränkter Steuerpflicht
Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sind im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur anzusetzen, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird. Arbeitslohn in einer Freistellungsphase vor Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird nicht für eine im Inland ausgeübte oder verwertete Tätigkeit gewährt, auch wenn die Tätigkeit vor der Arbeitsfreistellung ausschließlich in Deutschland ausgeübt wurde. Solche Einkünfte unterliegen somit derzeit regelmäßig nicht der Besteuerung in Deutschland, wenn sie von einer Person bezogen werden, die nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Entsprechend ergänzt der Entwurf die Sachverhalte, die eine beschränkte Steuerpflicht auslösen, um einen weiteren Punkt (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. F EStG-E). Danach soll Arbeitslohn, der für Zeiten der widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, soweit ohne die Freistellung die Arbeit während dieser Zeiten im Inland ausgeübt worden wäre.
Durch diese Einfügung will der Gesetzgeber einen Gleichlauf zwischen dem angepassten Verständnis der Doppelbesteuerungsabkommen (§ 50d Abs. 15 EStG-E) und dem innerstaatlichen Besteuerungsanspruch erreichen und die deutsche Besteuerung in diesen Fällen sicherstellen.
Ausblick
Die Beratungen im Deutschen Bundestag dürften erst im Herbst stattfinden. Das Gesetzgebungsverfahrens wird voraussichtlich erst im vierten Quartal 2024 abgeschlossen werden. Erfahrungsgemäß ist damit zu rechnen, dass sich bis dahin noch zahlreiche Änderungen ergeben werden.
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