Langfristige Erkrankung bei fortbestehendem Ausbildungsverhältnis
Wenn ein Kind während der Ausbildung nicht nur vorübergehend krank wird und deshalb nicht an den Ausbildungsmaßnahmen teilnehmen kann, entfällt der Anspruch auf Kindergeld wegen Berufsausbildung. In Betracht kommt dann eine Berücksichtigung wegen Behinderung. Eine Krankheit ist nicht vorübergehend, wenn die Beeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauern wird. So der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15.12.2021 (III R 43/20).
Arbeitsunfall des Kindes
Im Streitfall hatte der Sohn der Klägerin im September 2018 während der Arbeit einen schweren Unfall erlitten. Im Januar 2019 bescheinigte die Chefärztin des Klinikums, dass das Ende der Erkrankung nicht absehbar sei. Das Ausbildungsverhältnis bestand über den Mai 2019 (Ende des Streitzeitraums) fort.
Finanzgericht gewährt Kindergeld
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für Oktober bis Dezember 2018 auf und lehnte die Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2019 ab. Das Finanzgericht entschied zugunsten der Klägerin, weil ihr Sohn nachweislich gewillt war, die Ausbildung fortzusetzen, und nur zeitweise daran gehindert war.
BFH hebt Urteil auf
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und den Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen. Er erläutert in seiner Urteilsbegründung unter anderem die Bedeutung des Kriteriums einer nur vorübergehenden Erkrankung. Sie diene der Abgrenzung der Berücksichtigung eines Kindes aufgrund einer Berufsausbildung (bzw. der Suche nach einem Ausbildungsplatz) und derjenigen aufgrund einer Behinderung. Die Gewährung von Kindergeld für ein behindertes Kind sei an eine Bedarfsprüfung geknüpft, da gerade hier nicht ausgeschlossen sei, dass Sozialleistungen bezogen werden, die einen Unterhaltsbedarf (und damit auch den Anspruch auf Kindergeld) entfallen ließen.