Mehr Flexibilität beim Recruiting


Einstellung von Fachkräften aus Drittstaaten wird einfacher

Fachkräfte sind nach wie vor Mangelware in Deutschland. Doch Arbeitgeber, die offene Stellen mit Personen aus Drittländern besetzen möchten, sehen sich mit zahlreichen Vorgaben und Hürden konfrontiert. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz lockert eine Reihe von Regelungen und erleichtert so die Rekrutierung dringend benötigten Fachpersonals. Der Bundesrat hat das Gesetz am 07.08.2023 gebilligt. Die geänderten Vorschriften zur Blauen Karte EU für hoch qualifizierte Fachkräfte greifen bereits ab dem 18.11.2023. Auch die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern mit Berufserfahrung wird ab dem 01.03.2023 einfacher sein. Zum 01.06.2024 wird die Chancenkarte eingeführt. Sie ermöglicht insbesondere eine Beschäftigung von durchschnittlich bis zu 20 Wochenstunden neben der Arbeitsplatzsuche.

 

Blaue Karte EU – gelockerte Voraussetzungen

Die neuen Regelungen setzen die EU-Richtlinie 2023/1883 um und betreffen im Wesentlichen die folgenden Punkte:

  • Vergrößerung des begünstigten Personenkreises
    • Erweiterung der Liste der Engpassberufe
    • Ausdehnung auf IT-Fachleute ohne Hochschulabschluss mit mindestens drei Jahren relevanter Berufserfahrung in den vorangegangenen sieben Jahren
    • Personen mit einem kürzer als zwölf, aber mindestens sechs Monate geltenden Arbeitsvertrag
  • Senkung der Mindestgehaltsschwelle für Beschäftigte in Regelberufen von 66,6 auf 50,0 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, also auf 43.800 Euro im Jahr 2023
  • Reduzierung der Mindestgehaltsschwelle für Engpassberufe auf 39.683 Euro im Jahr 2023 (von 52,0 auf 45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung)
  • Anwendung der Mindestgehaltsschwelle für Engpassberufe auf Berufseinsteiger in den ersten drei Jahren nach ihrem Hochschulabschluss

Blaue Karte EU – mehr Vergünstigungen, aber auch Verbesserungspotenzial

Die Behörde in Deutschland muss – außer in besonderen Ausnahmefällen – innerhalb von 30 Tagen ab Einreichung des vollständigen Antrags über die Erteilung der Blauen Karte entscheiden. Wenn die Behörde nicht innerhalb dieser Frist entscheidet, darf die Tätigkeit bereits aufgenommen werden.

Mit einer Blauen Karte und den erforderlichen Deutschkenntnisse (Niveau A1) ist es künftig bereits nach 27 Monaten (derzeit noch 33 Monate) möglich, eine Niederlassungserlaubnis zu beantragen (wenn die übrigen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind). Ehegatten können dann schon nach drei (derzeit noch fünf) Jahren eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Die Niederlassungserlaubnis berechtigt zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Einziger Wermutstropfen: Die Erteilung der Genehmigung kann zumindest derzeit Monate dauern und während dieser Zeit wird keine Reiseerlaubnis erteilt. In diesem Zeitraum müssen die Ehegatten daher beispielsweise auf Heimreisen – etwa für Familienbesuche – verzichten.

Schließlich können Personen, die bereits über die Blaue Karte EU eines anderen Mitgliedstaates verfügen, künftig einfacher Geschäftsreisen nach Deutschland unternehmen oder nach Deutschland ziehen und dort arbeiten.

Arbeitserlaubnis für Personen mit ausgeprägter Berufserfahrung

Schon jetzt können Personen ohne den Status als Spezialist oder Spezialistin nur aufgrund ihrer Berufserfahrung eine Arbeitserlaubnis erhalten. Allerdings gilt dies hauptsächlich für die IT-Branche. Das neue Gesetz macht nun den Weg auch für Arbeitsuchende aus anderen Branchen frei:

  • Aufenthaltstitel mit Arbeitsgenehmigung kommen nun für jeden Beruf in Betracht und nicht nur für IT-Personal
  • Antragsteller benötigen Folgendes:
    • IT-Branche: mindestens zwei Jahre relevante Berufserfahrung in den fünf Jahren vor Antragstellung (bisher drei Jahre in den sieben vorangehenden Jahren)
    • andere Branchen: eine mindestens zweijährige Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss auf dem betreffenden Gebiet, die von dem Land, in dem sie erworben wurden, anerkannt sind
    • ein Jobangebot mit einem Gehalt von mindestens 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit noch 60 Prozent)
  • nicht mehr erforderlich: Deutschkenntnisse

Chancenkarte

Wer einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss oder einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss hat (Fachkraft), kann schon heute eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche erhalten. Der Aufenthalt darf allerdings maximal sechs Monate dauern und eine Beschäftigung ist grundsätzlich nicht erlaubt. Außerdem ist ein in Deutschland in vollem Umfang anerkannter Abschluss erforderlich.

Mit dem neuen Gesetz sollen sich auch Personen aus Drittstaaten, deren Abschluss in Deutschland (noch) nicht anerkannt ist, für ein Jahr im Inland auf Stellensuche begeben können. Zudem werden eine berufliche Tätigkeit von bis zu 20 Wochenstunden und unter bestimmten Voraussetzungen auch zweiwöchige Probearbeitsverhältnisse erlaubt sein.

Voraussetzung ist im Wesentlichen, dass die betreffende Person

  • eine im Ausstellungsstaat anerkannte Qualifikation (mindestens zwei Jahre dauernde Berufsausbildung oder Hochschulabschluss) vorweisen kann,
  • über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt (einfache Deutschkenntnisse, oder Englischkenntnisse, die mindestens Niveau B2 erreichen) und
  • eine ausreichende Anzahl Punkte nach bestimmten Kriterien erzielt.

Maßgeblich sind unter anderem Sprachkenntnisse, Berufserfahrung in den letzten sieben bzw. fünf Jahren nach Erwerb der Qualifikation und das Alter.

Fazit und Handlungsempfehlung

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bringt zahlreiche Verbesserungen. Davon können deutsche Arbeitgeber und Bewerber aus Drittstaaten profitieren. Den größten positiven Effekt wird voraussichtlich die Möglichkeit der Einreise als Fachkraft aufgrund einschlägiger Berufserfahrung haben.

Allerdings sind insgesamt kürzere Bearbeitungszeiten und der Abbau weiterer bürokratischer Hürden notwendig, damit die Verbesserungen ihre volle Wirkung entfalten können. So ist es im Einzelfall möglicherweise weiterhin ratsam, ein Visumsverfahren durchzuführen, obwohl eine Blue Card beantragt werden könnte. Denn die Bearbeitung des Antrags auf Erteilung der Blue Card kann in Deutschland länger dauern als das Visumverfahren. Es empfiehlt sich daher, die verschiedenen Optionen miteinander zu vergleichen, um die jeweils vorteilhafteste zu identifizieren.

Deutsche Arbeitgeber sollten zeitnah analysieren, welche offenen Positionen aufgrund der Neuerungen nun einfacher als bisher durch ausländische Fachkräfte aus Drittstaaten besetzt werden können. Dabei ist gilt es im Blick zu behalten, dass die einzelnen Maßnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirksam werden.

Kontaktpersonen: Florian Brandl, Martina Unrau