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Nebenberufliches Studium als Zweitausbildung


Die Frage, ob noch eine Erst- oder schon eine Zweitausbildung vorliegt, beschäftigt immer wieder den Bundesfinanzhof (BFH). Denn bei Kindern zwischen 18 und 25 Jahren, die mehr als 20 Stunden in der Woche berufstätig sind, entscheidet die Antwort auf diese Frage darüber, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht. In einer neu veröffentlichten Entscheidung ist der BFH zu dem Schluss gelangt, dass eine Zweitausbildung vorlag (Urteil vom 07.04.2022, III R 22/21, Pressemitteilung vom 28.07.2022). Im Streitfall hatte die Tochter der Klägerin nach dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin ein längerfristiges Dienstverhältnis in der Finanzverwaltung aufgenommen und studierte in ihrer arbeitsfreien Zeit Jura. Dabei umfasste die Arbeitszeit 28 Wochenstunden.

 

Teilzeittätigkeit und Jurastudium

Die Tochter der Klägerin schloss im August 2020 ihr Studium zur Diplom-Finanzwirtin erfolgreich ab. Danach war sie zunächst mit 40 Wochenstunden, ab Dezember 2020 mit 28 Wochenstunden im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung beschäftigt. Im Oktober 2020 begann sie ein Jurastudium. Während der Tätigkeit in Teilzeit war als Arbeitszeit von Montag bis Freitag jeweils 6.00 Uhr bis 11.45 Uhr vereinbart.

Familienkasse streicht Kindergeld

Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld ab September 2020 ab. Die Tochter habe ihre Erstausbildung mit dem Studium zur Diplom-Finanzwirtin abgeschlossen. Das Jurastudium sei eine Zweitausbildung. Für die Tochter bestehe daher aufgrund ihrer umfangreichen Erwerbstätigkeit kein Anspruch mehr auf Kindergeld. Das Finanzgericht Düsseldorf wies die dagegen erhobene Klage ab.

Revision erfolglos

Der BFH hat sich im Ergebnis dem Finanzgericht angeschlossen. Die beiden Ausbildungsabschnitte standen zwar in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, doch im zweiten Abschnitt war die Ausbildung nicht mehr als die Haupttätigkeit der Tochter anzusehen.

Arbeit im erlernten Beruf

Sie hatte sich in einem längerfristigen Beschäftigungsverhältnis gebunden. Zumindest ein Motiv dafür war die Vermeidung einer Abstandszahlung von 30.000 Euro (die sich mit jedem Jahr um ein Fünftel reduzierte). Auch dass die Tochter ihren Abschluss als Diplom-Finanzwirtin genutzt hat, um im erlernten Beruf zu arbeiten, spricht laut BFH dafür, dass die Berufsausübung im Vordergrund stand.

Zeitliche Komponente

Das Kriterium, inwieweit die Berufstätigkeit hinsichtlich der Wahl des jeweiligen Zeitfensters dem Studium untergeordnet war, stuft der BFH bestenfalls als neutral ein. Er beanstandet unter anderem, dass sich in der Zeit von Oktober bis November 2020 die Arbeitszeit bis deutlich in den Nachmittag hinein erstreckte. Da es sich um ein reines Onlinestudium handelte, ergaben sich daraus keine zeitlichen Probleme und die Tochter konnte für das Studium auch die Wochenenden einbeziehen.

Berufsbegleitende Weiterbildung

Der Zeitaufwand für die Erwerbstätigkeit war laut Gericht mindestens so hoch wie für die Ausbildung und die Ausbildungszeiten richteten sich nach den arbeitsfreien Zeiten. Die Gesamtbetrachtung sprach daher dafür, dass es sich um eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung und damit um eine Zweitausbildung handelte. In diesem Fall gilt die Grenze von 20 Wochenstunden für die Erwerbstätigkeit und der Anspruch auf Kindergeld entfällt.

Fazit

Bei der Beurteilung, ob noch eine Erstausbildung oder schon eine Zweitausbildung vorliegt, ist immer eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Dabei müssen die vom BFH entwickelten (und ggf. weitere geeignete) Kriterien sorgfältig geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Für Kinder, die während des neuen Ausbildungsabschnitts mehr als 20 Wochenstunden im Rahmen eines dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses in ihrem erlernten Beruf tätig sind, wird wohl häufig eine Zweitausbildung gegeben sein. In diesem Fall ist in den wenigsten Fällen die berufliche Tätigkeit der Ausbildung zeitlich untergeordnet.