Auch nach der Pandemie sind Telearbeit und hybrides Arbeiten beliebte Modelle. Sie bergen in grenzüberschreitenden Fällen jedoch das Risiko, dass ungewollt eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat ausgelöst werden kann. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die (Tele-)Arbeit im Wohnsitzstaat einen Anteil von 25 Prozent übersteigt. Die hierzu im Zusammenhang mit der Pandemie getroffenen Sonderregelungen sind nur noch für eine Übergangszeit anwendbar. Deutschland hat deshalb bereits mit Österreich und Tschechien Rahmenvereinbarungen getroffen, um bei Telearbeit eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat ab 01.07.2023 zu verhindern. Nun liegt auch ein Lösungsvorschlag auf EU-Ebene vor. Ob er die erhoffte einheitliche Vorgehensweise bringt, muss sich erst noch zeigen.
COVID-19-Sonderregelung läuft aus
Derzeit gilt noch, dass Beschäftigte in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten können, ohne dass dort eine Sozialversicherungspflicht entsteht. Diese Sonderregelung wurde im Zusammenhang mit der Pandemie getroffen und läuft zum 30.06.2023 aus.
Ab 01.07.2023 ist grundsätzlich wieder die EG-Richtlinie 883/2004 anzuwenden. Danach unterliegen Personen, die weniger als 25 Prozent ihrer gesamten Tätigkeit in ihrem Wohnsitzstaat ausüben, dem Sozialversicherungsrecht im Sitzstaat des Arbeitgebers. Ab 25 Prozent Telearbeit im Wohnsitzstaat ist das Sozialversicherungsrecht dieses Staates anzuwenden.
Bilaterale Rahmenvereinbarungen Deutschlands
Die Regelungen der EG-Richtlinie werden allerdings der neuen Arbeitswelt nicht gerecht. Da schwer abzusehen war, ob zum 01.07.2023 bereits eine Lösung auf EU-Ebene vorliegen würde, hat Deutschland bereits bilaterale Rahmenvereinbarungen mit Österreich und Tschechien getroffen, nach denen ein Umfang von Telearbeit von bis zu 40 Prozent keinen Wechsel der Sozialversicherungspflicht auslöst.
Unseren Alert zur Rahmenvereinbarung mit Österreich finden Sie hier.
Zum Artikel zur Rahmenvereinbarung mit Tschechien gelangen Sie mit diesem Link.
Entwurf einer multilateralen Vereinbarung auf EU-Ebene
Inzwischen hat die Arbeitsgruppe Telearbeit der Verwaltungskommission hat einen Entwurf für ein Multilateral Framework Agreement (MFA) ausgearbeitet.
Das MFA sieht ein Wahlrecht für den Verbleib im Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates vor, wenn die Tätigkeit im Wohnsitzstaat mehr als 25 und weniger als 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit umfasst. Der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer kann die Option ausüben, indem er einen Antrag auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung stellt und eine A1-Bescheinigung beantragt. Laut Entwurf gilt die jeweilige Ausnahmevereinbarung für drei Jahre. Sie kann auf Antrag verlängert werden.
Grenzüberschreitende Telearbeit im Sinne des MFA
Grenzüberschreitende Telearbeit ist eine Tätigkeit, die von jedem beliebigen Ort aus ausgeübt werden kann, in den Räumlichkeiten oder an der Betriebsstätte des Arbeitgebers erledigt werden könnte und
- in einem anderen Mitgliedstaat oder anderen Mitgliedstaaten als demjenigen, in dem sich die Räumlichkeiten des Arbeitgebers oder sein Geschäftssitz befinden, ausgeübt wird und
- sich auf Informationstechnologie stützt, um mit der Arbeitsumgebung des Arbeitgebers oder des Unternehmens sowie mit Interessengruppen/Kunden in Verbindung zu bleiben, damit der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen kann.
Die digitale Verbindung mit der Infrastruktur des Arbeitgebers muss normal und üblicherweise vorhanden sein, doch nicht notwendigerweise die ganze Zeit. Manuelle Tätigkeiten fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des MFA.
Antrag
Der Antrag auf Anwendung der Rahmenvereinbarung muss im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestellt werden. Er ist in dem Mitgliedstaat zu stellen, dessen Rechtsvorschriften die betreffende Person anzuwenden wünscht. Das bedeutet, dass der Antrag bei dem zuständigen Träger desjenigen Mitgliedstaates zu stellen ist, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Das MFA gilt grundsätzlich nicht für Anträge für bereits abgelaufene Zeiträume. Zu diesem Grundsatz gibt es zwei Ausnahmen: Der Antrag betrifft höchstens
- die letzten drei Monate vor dem Zeitpunkt der Antragstellung oder
- die letzten zwölf Monate vor dem Zeitpunkt der Antragstellung und wird spätestens am 30.06.2024 gestellt.
Außerdem müssen im betreffenden Zeitraum für den Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers Sozialversicherungsbeiträge geleistet worden sein bzw. der Arbeitnehmer muss dort anderweitig im Sozialversicherungssystem integriert sein.