Startprämie und Fünftelregelung
Gerade bei Umstrukturierungsmaßnahmen enthalten Aufhebungsverträge häufig nicht nur eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Oft sehen sie auch zusätzliche Zahlungen für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis einseitig früher beendigt (sogenannte Sprinterprämie) oder dass er sein Beschäftigungs- und Qualifizierungsverhältnis bei einer Transfergesellschaft vorzeitig kündigt, weil er bei einem anderen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis beginnt. In seinem Urteil vom 06.12.2021 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage befasst, ob die Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und diese zusätzlichen Zahlungen einheitlich oder getrennt zu beurteilen sind (IX R 10/21). Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, kann die vergünstigte Besteuerung nach § 34 EStG (Fünftelregelung) in Betracht kommen oder nicht.
Urteil wurde nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt
Das Urteil wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt. Seit dem 19.05.2022 war es als NV-Entscheidung abrufbar. Über den Sachverhalt und das Urteil des BFH haben wir bereits in einem früheren Artikel berichtet. Mit der Entscheidung, das Urteil nachträglich amtlich zu veröffentlichen, signalisiert der BFH, dass das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsam ist. In vergleichbaren Fällen ist daher damit zu rechnen, dass das Gericht ebenfalls die Anwendung der Fünftelregelung ablehnen wird.
Handlungsempfehlung
Die Entscheidung ist nachvollziehbar, bedeutet jedoch für den Arbeitgeber in manchen Fällen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Denn ob bzw. wann eine Sprinter-/Startprämie oder ähnliche zusätzliche Zahlungen anfallen, stellt sich häufig erst im Zeitablauf heraus.
Aus Vorsichtsgründen wird man Arbeitgebern wohl empfehlen müssen, die Regelbesteuerung zu wählen, wenn die Voraussetzungen für eine Zusammenballung der Einkünfte nicht eindeutig vorliegen. In diesem Fall sind die Beträge der Regelbesteuerung zu unterwerfen und der Abfindungsbetrag nachrichtlich in Zeile 19 der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen.
Sofern sich im Nachhinein herausstellt, dass die zusätzlichen Beträge noch im gleichen Jahr bzw. gar nicht zu zahlen sind, liegen in der Regel die Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung vor. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich die Möglichkeit eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung nach der sogenannten Fünftelregelung (§34 EStG) noch im Veranlagungsverfahren zu erwirken.
Jedenfalls sind Arbeitgeber gut beraten, die im Urteil dargestellte Sichtweise des BFH zu berücksichtigen. Das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 08.02.2018 (1 K 279/17 rkr.), das die in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Sprinterprämie nicht als Teil der Abfindung betrachtet, dürfte als durch die BFH-Rechtsprechung überholt anzusehen sein.
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