EY black logo

Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Beschäftigte, die Verstöße gegen Unionsrecht oder nationales Recht in ihrem Betrieb melden, erfahren einen erhöhten Schutz durch die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie (WBLR, RL [EU] 2019/1937). Arbeitgeber müssen dagegen mit neuen Pflichten rechnen und sollten sich schon jetzt mit den zahlreichen Detailfragen der praktischen Umsetzung befassen. Verstöße werden laut Gesetzentwurf mit empfindlichen Bußgeldern belegt.

Gesetzentwurf beschlossen

Nachdem Deutschland die Frist zur Umsetzung der WBRL ins nationale Recht am 17.12.2021 zunächst verstreichen ließ, wurde am 27.07.2022 ein Regierungsentwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen. Der Entwurf spricht sich deutlich für einen erhöhten Whistleblower-Schutz aus, indem er die Pflichten von Arbeitgebern hinsichtlich der Ausgestaltung von internen Meldestellen und Datenschutz verschärft und mögliche Sanktionen festlegt.

Gesetz greift ab 50 Beschäftigten

Arbeitgeber werden danach ab einer Anzahl von mindestens 50 Beschäftigten (§§ 12,13 HinSchG) verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten und Informationen über den unternehmensinternen Meldeprozess und über alternative Meldewege bereitzustellen. Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten haben bis zum 17.12.2023 Zeit, eine interne Meldestelle zu etablieren. Die Informationen müssen leicht verständlich und zugänglich sein.

Interne und externe Meldestelle verpflichtend

Dabei wird den Hinweisgebern in § 7 HinSchG ein Wahlrecht eingeräumt, den Hinweis entweder der internen Meldestelle des Unternehmens oder direkt einer externen behördlichen Meldestelle mitzuteilen. Ein vorgeschaltetes innerbetriebliches Abhilfeverfahren ist nicht mehr erforderlich. Die Verarbeitung und die Weiterleitung personenbezogener Daten müssen zudem datenschutzrechtskonform sein.

Das Bundesamt für Justiz wird eine externe Meldestelle einrichten. Darüber hinaus gibt es bereits externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten wie das Bundeskartellamt. Die Bundesländer haben zusätzlich die Möglichkeit, eigene Meldestellen zu schaffen. Unter bestimmten (engen) Voraussetzungen können sich die Whistleblower sogar an die Öffentlichkeit wenden, beispielsweise über Social Media.

Anonyme Meldungen

Die zur Einrichtung einer Meldestelle Verpflichteten können frei entscheiden, ob sie auch die anonyme Meldung von Verstößen ermöglichen wollen. Sobald die Identität von anonymen Whistleblowern bekannt wird, fallen auch sie in den Schutzbereich des HinSchG.

Sanktionen

Gemäß § 40 HinSchG drohen bis zu 100.000 Euro Bußgeld bei Behinderung der Meldungen oder Anwendung von Repressalien gegen den Hinweisgeber wie Kündigung, Diskriminierung oder Abmahnung (§ 36 HinSchG). Zudem steht der hinweisgebenden Person in diesem Fall ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Wenn keine interne Meldestelle eingerichtet oder betrieben wird, droht ebenfalls ein Bußgeld in Höhe von bis zu 20.000 Euro.

Ausblick

Das Gesetz wird voraussichtlich im Herbst verabschiedet und drei Monate später in Kraft treten. Arbeitnehmer können sich aber ggf. schon jetzt direkt auf die EU-Richtlinie berufen, da die geregelten Vorgaben hinreichend genau und bestimmt sind. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie sicherstellen, dass die erforderlichen Maßnahmen bereits zum 01.01.2023 vollständig umgesetzt sind.

Praxishinweise

Interne Meldestelle

Vor allem die Einrichtung interner Meldestellen und deren ordnungsgemäßer Betrieb werden für viele Unternehmen eine Herausforderung sein. Internationale Konzerne müssen sich nicht nur mit den Anforderungen des HinSchG, sondern auch mit den Umsetzungsgesetzen in den anderen EU-Staaten befassen, in denen sie aktiv sind.

Alternative: Outsourcing

Das HinSchG gewährt jedoch die Möglichkeit, einen Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle zu betrauen. Dies kann aufgrund der sich daraus ergebenden natürlichen Distanz durchaus vorteilhaft sein. Zudem können Angebote in Form von digitalen Meldesystemen genutzt werden, die mehr Anonymität gewährleisten.

Umsetzung

Schon vor der praktischen Umsetzung sind verschiedene Fragen zu klären, etwa ob auch anonyme Hinweise entgegengenommen werden sollen und ob das Unternehmen die interne Meldestelle selbst einrichten oder einen Dritten beauftragen möchte. Entscheidet es sich dafür, selbst eine Meldestelle zu schaffen, muss unbedingt sichergestellt werden, dass die umfangreichen Vorgaben rechtskonform umgesetzt werden. So ist beispielsweise der Prozess so zu gestalten, dass die Dokumentationspflichten, aber auch die Vertraulichkeit der Identität gewährleistet sind (§§ 8 und 11 HinSchG) und dass ggf. die erforderlichen Folgemaßnahmen ergriffen werden (§ 18 HinSchG).

Entsendungen

Auch Fälle, in denen ein Arbeitnehmer ins Ausland entsandt wird, stellen eine Herausforderung dar. Hierbei ist darauf zu achten, dass dem Arbeitnehmer trotz getroffener Rechtswahl grundsätzlich nicht der Schutz entzogen werden darf, der ihm durch zwingendes Recht geboten wird (Art. 8 Rom-I-VO). Ob und welche Schutzvorschriften der Hinweisgeber geltend machen kann, ist im Einzelfall zu prüfen.

 

Fazit

Unternehmen sind jedenfalls gut beraten, sich schnellstmöglich einen Überblick über die bestehenden Prozesse zu verschaffen und vor Inkrafttreten die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Dies kann nicht nur vor Sanktionen schützen, sondern auch davor, Beschäftigte mangels interner Meldestellen auf externe behördliche Meldestellen verweisen zu müssen.

Autorinnen: Bärbel Kuhlmann und Flora Weisbrod, LL.M.