Wachstumschancengesetz: Bundesrat gegen Abschaffung der Fünftelregelung beim Lohnsteuerabzug

Der Bundesrat hat am 20.10.2023 zum geplanten Wachstumschancengesetz Stellung bezogen. Das Gesetz enthält umfangreiche Änderungen, die unter anderem das Einkommensteuergesetz betreffen. Der Bundesrat kritisiert unter anderem die Abschaffung der sogenannten Fünftelregelung im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens. In ihrer Gegenäußerung vom 25.10.2023 hält die Bundesregierung allerdings daran fest. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Im Folgenden stellen wir ausgewählte Änderungsvorschläge des Bundesrats und die Gegenäußerung der Bundesregierung und die Empfehlungen des Finanzausschusses vom 15.11.2023 dazu dar. Der Bundestag hat am 17.11.2023 das Gesetz in der vom Finanzausschuss empfohlenen Fassung beschlossen.

Fünftelregelung

Regierungsentwurf

Laut Regierungsentwurf ist die Fünftelregelung ab 2024 nicht mehr im Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden. Betroffene Beschäftigte sollen künftig jedoch die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragen können. Wird die Veranlagung beantragt, gilt die Einkommensteuerschuld nicht mehr mit dem Lohnsteuerabzug als abgegolten und es ist wie bisher im Fall der Antragsveranlagung der Progressionsvorbehalt anzuwenden.

Bundesrat

Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die Streichung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren bei den betroffenen Beschäftigten zu Liquiditätsnachteilen führen würde und dass manche nicht fachkundige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer voraussichtlich keinen Antrag auf Veranlagung stellen würden. Unseres Erachtens sind diese beiden Punkte durchaus valide. Der Bundesrat bezweifelt auch, dass die Streichung dem Bürokratieabbau dienen könnte. Die erforderliche Zusammenballung der Einkünfte sei vom Arbeitgeber leicht zu identifizieren.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab. Stellungnahmen aus der Praxis belegen laut Bundesregierung, dass Arbeitgeber die Fünftelregelung wegen diverser Zweifelsfragen regelmäßig nicht im Lohnsteuerverfahren anwenden. Darüber hinaus führt die Bundesregierung an, dass unter anderem die Arbeitgeber durch die Vereinfachung spürbar entlastet werden. Auf die möglichen Nachteile für die betroffenen Beschäftigten geht sie in ihrer Gegenäußerung nicht ein.

Finanzausschuss

Der Finanzausschuss hat an dem Regierungsentwurf keine Änderungen vorgenommen, sodass die 1/5-Regelung ab 2024 im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr zur Anwendung kommt.

Umfang der beschränkten Einkommensteuerpflicht von Arbeitnehmern

Regierungsentwurf

Übt ein Grenzpendler seine Tätigkeit in seinem ausländischen Homeoffice aus, unterliegt die anteilige Vergütung grundsätzlich nicht der deutschen Besteuerung. Deutschland hat allerdings mit Luxemburg eine Vereinbarung getroffen, wonach bei einer Tätigkeit im luxemburgischen Homeoffice von höchstens 19 Tagen (künftig 34 Tage) das Besteuerungsrecht auch insoweit Deutschland zusteht.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es wegen der zunehmenden Mobilisierung der Arbeit weitere Bagatellregelungen dieser Art auch mit anderen Staaten geben wird. Er möchte daher sicherstellen, dass diesen abkommensrechtlichen Besteuerungsmöglichkeiten nationales Recht nicht entgegensteht. Dies möchte er durch die Ergänzung von § 49 Nr. 4 Buchst. a EStG um einen neuen Satz 2 erreichen.

Bundesrat

Der Bundesrat empfiehlt, hierzu eine Ausnahmeregelung für Bordpersonal aufzunehmen, das unter Art. 15 Abs. 3 OECD-MA fällt, um zu verhindern, dass diese Personen in Deutschland voll steuerpflichtig werden

Andernfalls könnten inländische Reedereien ausländische Seeleute zukünftig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen zusätzlichen Lohnkosten anwerben, wodurch der Standort Deutschland für den Betrieb von Handelsschiffen nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Eine umfassende Lohnsteuerpflicht ausländischer Seeleute ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt sei auch sinnlos, da sie keine Leistungen des deutschen Staates in Anspruch nähmen.

Bundesregierung

Die Bundesregierung will die Empfehlung prüfen.

Finanzausschuss

Der Finanzausschuss hat den Änderungsvorschlag des Bundesrats in seiner Beschlussempfehlung vom 15.11.2023 berücksichtigt und folgende Ergänzung aufgenommen:

„Satz 2 gilt nicht für Deutschland entsprechend Satz 2 zugewiesene Besteuerungsrechte hinsichtlich der Einkünfte aus einer an Bord eines Schiffes im internationalen Verkehr ausgeübten nichtselbständigen Arbeit.“

Umweltbonus für E-Autos

Regierungsentwurf

Die geringere Bemessungsgrundlage von einem Viertel des Bruttolistenpreises gilt laut Entwurf künftig bei einem Bruttolistenpreis von bis zu 80.000 Euro (bisher 60.000 Euro). Die Änderung greift für Kfz, die nach dem 31.12.2023 überlassen werden.

Bundesrat

Der Bundesrat schlägt vor, den Umweltbonus auch Unternehmen zu gewähren, anstatt den maximalen Bruttolistenpreis für die Anwendung der auf ein Viertel reduzierten Bemessungsgrundlage zu erhöhen. Außerdem empfiehlt er, bei Hybridfahrzeugen die alternative Voraussetzung der Reichweite (Kilometergrenze) für die begünstigte Besteuerung der Privatnutzung mit der halben Bemessungsgrundlage aufzuheben. Diese kann dann nur noch in Anspruch genommen werden, wenn das Fahrzeug höchstens 50 Gramm Kohlendioxid je gefahrenen Kilometer ausstößt. Die geringere Bemessungsgrundlage gälte dann nicht mehr für Fahrzeuge, deren Reichweite bei ausschließlicher Nutzung des elektrischen Antriebs mindestens 60 bzw. 80 Kilometer beträgt, die jedoch mehr als 50 Gramm Kohlendioxid je gefahrenen Kilometer ausstoßen. 

Gegenäußerung der Bundesregierung

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab. Sie will mit der Gesetzesänderung den gestiegenen Anschaffungskosten Rechnung tragen. Außerdem widersprechen nach ihrer Auffassung Änderungen bei den Hybridfahrzeugen den Prinzipien der Verlässlichkeit und des Vertrauensschutzes.

Finanzausschuss

Dennoch empfiehlt der Finanzausschuss, den maximalen Bruttolistenpreis nicht auf 80.000 Euro, sondern nur auf 70.000 Euro zu erhöhen. In seiner neuen Fassung des Gesetzes entfällt zudem – wie vom Bundesrat vorgeschlagen – die Kilometergrenze.

Weitere für Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevante Punkte

Mit den übrigen in unserem Artikel vom 04.09.2023 genannten Änderungsvorhaben (Abschaffung der Grenze von durchschnittlich 100 Euro pro Kopf und Kalenderjahr für die pauschale Versteuerung der Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung, etc.) ist der Bundesrat so einverstanden.

Allerdings rät der Finanzausschuss in seiner Beschlussempfehlung vom 15.11.2023 dazu, die Verpflegungspauschbeträge wie folgt zu anzuheben:

  • von 28 auf 32 Euro (Abwesenheit von 24 Stunden) bzw.
  • von 14 auf 16 Euro (Abwesenheit von mehr als 8 Stunden ohne Übernachtung bzw. An- und Abreisetag bei Abwesenheit mit auswärtiger Übernachtung).

Ursprünglich war eine Erhöhung auf 30 bzw. 15 Euro vorgesehen.

Unseren Artikel zum Regierungsentwurf vom 04.09.2023 finden Sie hier.

Ausblick

Die angepasste Fassung des Gesetzes wird voraussichtlich am 24.11.2023 dem Bundesrat abschließend vorgelegt. Wenn die Länder der geänderten Fassung nicht zustimmen, müssen die verbleibenden Differenzen im Vermittlungsverfahren geklärt werden. Ein eventuelles Vermittlungsverfahren könnte dann noch bis zum 15.12.2023, dem Tag der letzten Sitzungen von Bundestag und Bundesrat in diesem Jahr, abgeschlossen werden.

Handlungsempfehlung

Für die Lohn-/Gehaltsabrechnung wäre es unseres Erachtens eine große Erleichterung, wenn Arbeitgeber nicht mehr abklären müssten, ob bei bestimmten Vergütungsbestandteilen die Fünftelregelung greift. Arbeitgeber sollten die Entwicklung weiterhin verfolgen und vorsorglich untersuchen, inwieweit interne Prozesse anzupassen sind, wenn das Gesetz in der vorliegenden Fassung verabschiedet wird.

Außerdem ist es ratsam zu klären, ob die Beschäftigten darauf hingewiesen werden sollen, wenn eine begünstigte Besteuerung nach der Fünftelregelung (im Wege einer Antragsveranlagung) in Betracht kommen könnte. 

Die weitere Entwicklung sollte aufmerksam verfolgt werden, insbesondere auch um die von den Gesetzesänderungen betroffenen internen Regelungen (Reisekostenordnung, Dienstwagenregelung etc.) zeitnah anpassen zu können.