Brennstoffwechsel – Gasmangellage ermöglicht die Umstellung von Energieträgern

Um die Abhängigkeit von Gas zu reduzieren, wird der Wechsel auf alternative Energieträger vereinfacht. Der Industrieverband BDI kritisiert die Maßnahmen als nicht weitgehend genug. Von der Leitungsebene des Bundeswirtschaftsministeriums wurde folgend ein Prozess aufgesetzt, um umfangreichere Lösungen zu erarbeiten. In der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz wurden kurzfristige Ausschusssitzungen anberaumt, die auf das Erarbeiten einer Vollzugshilfe der neuen Rechtslage abzielt, die noch im August finalisiert werden soll. Auf europäischer Ebene wird derweil über einen Rechtsakt für verpflichtende Maßnahmen bei Ressourcenknappheit beraten. Betreiber von Anlagen mit der Möglichkeit eines Brennstoffwechsels („Fuel Switch“) sollten sich zeitnah mit den neuen rechtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen.

 

Gesetzesnovelle

Der Bundestag sieht Einsparpotenzial für Gas bei Industrieanlagen, die Gas als Energieträger durch einen Brennstoffwechsel mit einem anderen Energieträger wie etwa Heizöl austauschen können. Deshalb wurde ein Bundesgesetz erlassen, welches den Brennstoffwechsel erleichtern soll: „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“.

Verwaltungsspielraum

Die Bundesregierung wurde vom Bundestag beauftragt, mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass alle bestehenden Spielräume im Genehmigungsrecht ausgenutzt werden. Insbesondere die strafrechtliche Relevanz eines nicht genehmigten Anlagenbetriebs (vgl. etwa § 327 StGB) macht die Rechtsprüfung erforderlich. Die Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz erarbeitet derzeit eine sog. Vollzugshilfe. Parallel ist der NRW „Fuel Switch Erlass“ vom 13. Juli zu beachten, der erste Ausführungen zu den neuen §§ 31a – 31d BImSchG enthält.

Die Neuerungen im Überblick

Das am 8. Juli.22 im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Gesetz enthält insbesondere diese Neuerungen:

  • Mit § 1 Abs. 1 Nr. 5 EnSiG wird die Exekutive ermächtigt, Verordnungen zu erlassen, um von Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sowie von Lärm- und Luftvorschriften abzuweichen.
  • Das BImSchG erhält die neuen §§ 31a bis 31d (Brennstoffwechsel bei einer Mangellage), die insbesondere materielle Abweichungen von Emissionsgrenzwerten und den Betrieb von Abgasreinigungsanlagen im Geltungsbereich der 13. BimSchV (Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen) sowie von bestimmten Emissionsvorschriften der 44. BImSchV (Verordnung über mittelgroße Feuerungs- Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen) erlauben.
  • Die neuen Regelungen beziehen sich nicht auf mit dem Brennstoffwechsel einhergehende oder dafür betriebstechnisch erforderliche Maßnahmen an der Anlage. Solche Maßnahmen bedürfen weiter ggf. einer Änderungsgenehmigung; andernfalls wird eine nicht genehmigte Anlage betrieben.
  • In einem Schreiben des Umweltministeriums (BMUV) wird darauf hingewiesen, dass über beantragte Abweichungen von Emissionsgrenzwerten durch die neuen Regelungen der §§ 31a – 31d BImSchG in einem Verfahren eigener Art („sui generis“) zu entscheiden ist, welches durch seine Sonderstellung keine Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert.
  • Zu beachten sind konkretisierende Regelungen auf Landesebene, etwa der NRW „Fuel Switch“ Erlass und Veröffentlichungen der Umweltministerien der Länder.

Ausblick

Der Industrieverband BDI pocht auf noch weitreichendere Erleichterungen beim Brennstoffwechsel in Verfahren bspw. hinsichtlich der Aussetzung der Anwendung von europäischem Umweltrecht sowie auf den Erlass einer Abweichungsverordnung (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 EnSiG), die Gesetzesabweichungen zur Krisenprävention ermöglichen. Die Initiative könnte Früchte tragen: Es sollen zwischen den für Wirtschaft und Umwelt zuständigen Ministerien und dem BDI Vorschläge für weitere Gesetzesänderungen erarbeitet werden.

Wenngleich aus der Gesetzesnovelle keine Rechtspflichten erwachsen, sollten Betreiber die ökonomischen Potenziale oder Notwendigkeiten eines Brennstoffwechsels frühzeitig in Betracht ziehen. Der grundsätzliche Vorrang privater Haushalte vor der Industrie im Falle einer Rationierung sowie die fortlaufende Reduzierung der gelieferten Gasmenge stellen Risiken dar, die beim Einsatz alternativer Brennstoffe vermieden bzw. zumindest reduziert werden könnten.

Autoren: RA Dr. Simon Meyer, RA Dr. Guido Kolbeck