Bundesfinanzhof entscheidet zu Gebühren bei Rücknahme eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft

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Gabriele Kirchhof

13 Oktober 2022

Wird ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zurückgenommen, stellt sich häufig die Frage, ob und in welcher Höhe die Finanzverwaltung Gebühren für das bisherige Verfahren festsetzen darf. Der Gesetzgeber hat hierzu geregelt, dass auf die Gebühr ganz oder teilweise verzichtet werden kann, wenn ihre Erhebung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Insbesondere kann die Gebühr ermäßigt werden, wenn der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird (§ 89 Abs. 7 Abgabenordnung). Die Finanzverwaltung interpretiert dies dahin, dass die Gebühr auf Null zu ermäßigen ist, wenn noch nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen worden war. Andernfalls soll der bis zur Rücknahme des Antrags angefallene Bearbeitungsaufwand angemessen zu berücksichtigen und die Gebühr anteilig zu ermäßigen sein (AEAO zu § 89, Tz. 4.5.2).

Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr Gelegenheit, sich mit Grundsätzen der Gebührenermäßigung zu befassen (Urteil vom 4. Mai 2022, I R 46/18). Im Urteilsfall hatte sich die Finanzverwaltung bereits umfänglich mit dem Sachverhalt und den Rechtsfragen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft auseinandergesetzt. Ausgehend von dem dabei entstandenen zeitlichen Bearbeitungsaufwand und dem bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Antrag noch ausstehenden Aufwand hatte die Finanzverwaltung eine Gebührenermäßigung von lediglich rund 10 % der Wertgebühr vorgenommen.

Die Klägerin hatte hiergegen vorgetragen, dass die Berechnung der Gebühr durch eine anteilige Reduzierung der Wertgebühr (im Verhältnis der bisher geleisteten Stunden zu den voraussichtlich bis zur Erteilung der Auskunft noch zu leistenden Stunden) nicht mit der für die Verwaltung bindenden Ermessensrichtlinie im AEAO (s.o.) vereinbar sei. Durch die Rücknahme des Antrags entfalle der Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung. Es komme nur noch auf den Gebührenzweck der Kostendeckung an. Deshalb sei lediglich eine Zeitgebühr abzurechnen (50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit, § 89 Abs. 6 Abgabenordnung). Dieser Argumentation war das Finanzgericht in erster Instanz gefolgt.

Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg. Zwar handele es sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofes bei der in Rede stehenden Verwaltungsvorschrift im AEAO um eine ermessenslenkende und für die Finanzverwaltung bindende Verwaltungsvorschrift. Sie enthalte aber keine konkreten Vorgaben zur Berechnung der Ermäßigung. Es könne der Vorschrift deshalb keine generelle Begrenzung der Finanzverwaltung auf eine Zeitgebühr entnommen werden.

Im Übrigen beziehe sich die gesetzliche Regelung hinsichtlich der Ermäßigung auf „die Gebühr“. Damit könne als Ausgangspunkt nur diejenige Gebühr gemeint sein, die sich nach dem Gesetz ergeben hätte. Die Zeitgebühr kommt nach § 89 Abs. 6 Abgabenordnung zur Anwendung, wenn ein Gegenstandswert nicht bestimmbar ist und auch nicht durch Schätzung bestimmt werden kann. Ein grundsätzlicher Wechsel von der Wert- zur Zeitgebühr (oder umgekehrt) sei nicht vorgesehen.

Auch die Gebührenzwecke, die der Gesetzgeber verfolgt, führten nach Auffassung des Gerichts nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null und damit zur bindenden Vorgabe, eine Zeitgebühr anzusetzen. Denn obwohl der Zweck der Abschöpfung eines vom Antragsteller erlangten Vorteils im Fall der Rücknahme des Antrags nicht in vollem Umfang zum Tragen komme, bedeut dies nicht, dass bei der Gebührenerhebung nur noch die Kostendeckungsfunktion berücksichtigt werden dürfe. Es komme wegen der Rücknahme des Antrags zwar weder zu der angestrebten Bindungswirkung einer positiven Auskunft noch zu einem rechtsbehelfsfähigen negativen Bescheid. Dennoch bleibe für den Steuerpflichtigen aber auch im Fall einer sich nur abzeichnenden Negativauskunft der Vorteil, eine drohende Steuerbelastung zu vermeiden, indem er den dargelegten Sachverhalt nicht verwirklicht.

Der Bundesfinanzhof hat zudem festgestellt, dass die Finanzverwaltung im konkreten Fall auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das daraus abgeleitete Äquivalenzprinzip verstoßen habe, nach dem Gebühren in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen dürfen.

Der Urteilsfall zeigt nochmals auf, dass – auch wenn der Steuerpflichtige im konkreten Fall mit seinem Vorbringen nicht erfolgreich war – hinsichtlich der Höhe der Gebühr im Fall einer Antragsrücknahme eine Vielzahl rechtlicher Facetten bestimmend sind. Eine im Einzelfall unangemessen erscheinende Gebührenhöhe sollte deshalb nicht ohne weitere Prüfung hingenommen werden.

Autor:innen: RA StB Michael Pfundt, StB Simone Werbinsky