Änderung durch BMF-Schreiben vom 11. Januar 2023
Eine Gesamtschuldnerschaft für die Zahlung von Gebühren schließt die Annahme eines durchlaufenden Postens nicht mehr grundsätzlich aus - Das BMF reagiert auf das BFH-Urteil V R 1/14 vom 3. Juli 2014 und hebt u.a. den Erlass zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Deponiegebühren vom 11. Januar 2000 auf.
Bei der Verauslagung von Beiträgen und Gebühren stellt sich häufig die Frage, ob diese Teil des umsatzsteuerlichen Leistungsentgelts sind oder einen nicht der Umsatzsteuer unterliegenden durchlaufenden Posten darstellen. Gemäß § 10 Abs. 1 S. 5 UStG liegt ein durchlaufender Posten vor, wenn der Unternehmer (Mittelsperson) Beiträge im Namen und für Rechnung eines anderen veinnahmt und verausgabt.
Dies setzt nach Auffassung der Finanzverwaltung gemäß A 10.4 UStAE voraus, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Zahlungsverpflichteten und dem (letzten) Zahlungsempfänger bestehen und die Parteien somit auch jeweils Kenntnis voneinander und von den zu zahlenden Beträgen haben. Eine Ausnahme von der Nennung von Name und Anschrift der Auftraggeber seitens des Unternehmers besteht bei Abgaben und Beiträgen sowie bei Kosten (Gebühren und Auslagen), die Rechtsanwälte, Notare und ähnliche Berufe bei Behörden oder ähnlichen Stellen für ihre Auftraggeber auslegen. Allerdings gilt dies nur, wenn die Kosten auf Basis einer (Kosten-)Gebührenordnung berechnet werden, die den Auftraggeber als (alleinigen) Kosten-(Gebühren)Schuldner bestimmt. Im Fall von Deponiegebühren verlangte die Finanzverwaltung bislang, dass - trotz Anschluss- und Benutzungszwangs des Abfallbesitzers/-erzeugers - für die Deponie aus den Dokumenten erkennbar sein musste, für wen der Müll entsorgt wird.
Das Vorliegen einer Gesamtschuldnerschaft von Mittelsperson und Auftraggeber hinsichtlich der Zahlung der Gebühren, widersprach nach Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig der Annahme eines durchlaufenden Postens. Wollte der Unternehmer (Mittelsperson) finanzielle Nachteile vermeiden, musste er - auch wenn die Leistung der Behörde ggf. als hoheitliche Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer unterlag - seinem Auftraggeber Umsatzsteuer auf die verauslagten Kosten berechnen.
Der BFH hat mit dem kürzlich im Bundessteuerblatt veröffentlichten Urteil (BStBl. 2023 II S. 89) zu einem Krematorium, welches die Gebühren für die "zweite Leichenschau" im Namen und für Rechnung seines Auftraggebers an den Kreis verauslagt hatte, entschieden, dass trotzt etwaiger Gesamtschuldnerschaft ein durchlaufender Posten vorliegen könnte. Der BFH setzte - zusätzlich zu dem offensichtlichen Auftritt als Mittelsperson - mit Verweis auf EU-Recht allerdings voraus, dass der Betrag in der Buchhaltung des Krematioriums als durchlaufender Posten behandelt wurde. Nach Auffassung des BFH obliege dem Unternehmer durch die buchhalterische Behandlung faktisch ein Wahlrecht, wie der vereinnahmte und verauslagte Betrag umsatzsteuerlich zu behandeln sei.
Dem schloss sich die Finanzverwaltung nun teilweise an. Da Deutschland die EU-Vorgabe zur buchhalterischen Erfassung eines durchlaufenden Postens zulässigerweise nicht in deutsches Recht übernommen hat, komme es nach Auffassung der Finanzverwaltung hierauf (weiterhin) nicht an. Hingegen schließt sie die Annahme eines durchlaufenden Postens bei Vorliegen einer Gesamtschuldnerschaft nicht mehr per se aus. Gemäß BMF-Schreiben vom 11. Januar 2023 obliegt es dem Unternehmer nunmehr im Fall einer Gesamtschuldnerschaft, seine Funktion als Mittelsperson - und damit das Tätigwerden im fremden Namen und auf frende Rechnung - nachzuweisen. Dies sollte zukünftig auch aufgrund entsprechender Festlegungen in der Gebührensatzung zum Gebührenschuldner (ohne zusätzliche Einzelbenennung des Auftraggebers) möglich sein. Die Änderung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Für Umsätze, die bis zum 31. Dezember 2022 ausgeführt wurden, gilt eine Nichtbeanstandungsreglung, die bisherige Verwaltungsauffassung weiter anzuwenden.
Ein nicht umsatzsteuerbarer durchlaufenden Posten setzt strenge Anforderungen an das Auftreten der Beteiligten voraus. Anders als bisher schließt eine Gesamtschuldnerschaft das Vorliegen eines durchlaufenden Postens nicht per se aus. Die Funktion als Mittelsperson muss zukünftig vom Unternehmer nachweisbar dokumentiert werden. Andernfalls obliegen z.B. verauslagte Gebühren grds. der Umsatzsteuer.
Autorinnen: StB Gabriele Kirchhof, StB Heike Sökeland