Künftig droht Mitwirkungsverzögerungsgeld
Auf Steuerpflichtige können empfindliche Zahlungen zukommen, wenn sie nach Auffassung der Betriebsprüfung nicht hinreichend mitwirken.
Steuerpflichtigen drohen durch eine gesetzliche Neuregelung erhebliche Verschärfungen im Rahmen von Betriebsprüfungen. Der Finanzverwaltung wird mit dem sogenannten „qualifizierten Mitwirkungsverlangen“ ein neues Instrument an die Hand gegeben, um Mitwirkungshandlungen des Steuerpflichtigen zu forcieren. Kommt der Steuerpflichtige dem nicht (zeitgerecht) nach, kann dies teuer werden.
Steuerpflichtige können zukünftig nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung schriftlich oder elektronisch durch ein (vollstreckbares) qualifiziertes Mitwirkungsverlangen nach § 200a Abs. 1 Satz 1 AO zur Erfüllung ihrer Betriebsprüfungsmitwirkungspflichten binnen eines Monats aufgefordert werden. In begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden, § 200a Abs. 1 Satz 4 AO. Hat die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen zuvor bereits auf die Möglichkeit eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens hingewiesen und ist der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten dennoch nicht oder nicht hinreichend nachgekommen, ist eine weitergehende Begründung des Mitwirkungsverlangens nicht erforderlich, § 200a Abs. 1 Satz 2 AO. Andernfalls muss die Finanzbehörde im Umkehrschluss ihr Verlangen begründen.
Kommt der Steuerpflichtige dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen innerhalb der Frist nicht oder nicht hinreichend nach, so wird gem. § 200a Abs. 2 AO ein sog. „Mitwirkungsverzögerungsgeld“ in Höhe von bis zu EUR 11.250,00 festgesetzt. Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt EUR 75,00 für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung, höchstens jedoch für 150 Kalendertage. Es kann auch in Teilbeträgen für volle Wochen oder Monate festgesetzt werden. Liegt eine Mitwirkungsverzögerung vor, dann steht die Festsetzung eines Mitwirkungsverzögerungsgeldes nicht im Ermessen der Behörde („ist … festzusetzen“). Ob dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen „nicht hinreichend“ nachgekommen wurde, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Einzelfall streitanfällig sein dürfte.
Macht der Steuerpflichtige glaubhaft, dass seine Mitwirkungsverzögerung entschuldbar ist, so wird von einem Mitwirkungsverzögerungsgeld abgesehen. Dem Steuerpflichtigen wird das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen zugerechnet. Die Gesetzesbegründung enthält jedoch keine eindeutigen Aussagen dazu, was unter „entschuldbar“ zu verstehen ist. Auch dieser unbestimmte Rechtsbegriff dürfte in der Praxis streitanfällig sein.
Im Ermessen der Finanzbehörde steht hingegen die Festsetzung eines darüber hinaus gehenden Zuschlags zum Mitwirkungsverzögerungsgeld. Dieser kann bis zu EUR 3,75 Mio. betragen (bis zu EUR 25.000,00 pro Tag für eine Höchstdauer von 150 Kalendertagen). Ein Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld kann festgesetzt werden, wenn in den vergangenen fünf Jahren bereits ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde und Wiederholungsgefahr besteht oder wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen befürchten lässt, dass er dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen ohne einen Zuschlag nicht nachkommen wird. Letzteres ist nach der gesetzlichen Regelung insbesondere bei Unternehmen mit Umsatzerlösen von mind. EUR 12 Mio. in einem der geprüften Jahre oder bei Zugehörigkeit zu einem Konzern mit im Konzernabschluss ausgewiesenen konsolidierten Umsätzen von mind. EUR 120 Mio. anzunehmen.
Ein Mitwirkungsverzögerungsgeld wirkt sich außerdem auf die Festsetzungsverjährung aus. Grundsätzlich geht mit der Betriebsprüfung einher, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt wird. Diese Ablaufhemmung endet nach den nun ebenfalls geänderten Verjährungsvorschriften grundsätzlich spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde (§ 171 Abs 4 S. 3 AO). Wird ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt, verlängert sich diese Frist um die Dauer der Mitwirkungsverzögerung, mindestens aber um ein Jahr. In Wiederholungsfällen wird die Fünfjahresfrist gänzlich außer Kraft gesetzt, nämlich wenn bereits in den letzten fünf Jahren vor dem ersten Tag der Mitwirkungsverzögerung ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde. Ist die Erfüllung der geforderten Mitwirkung unmöglich, muss der Steuerpflichtige auf die Unmöglichkeit unverzüglich hinweisen. Andernfalls greift die Verlängerung der Ablaufhemmung auch in diesen Fällen.
Auch wenn der Steuerpflichtige sich gegen die Maßnahmen wehrt, kann dies die Ablaufhemmung beeinflussen. Wird ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen, die Festsetzung eines Mitwirkungsverzögerungsgeldes oder eines Zuschlags zum Mitwirkungsverzögerungsgeld mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf ab.
Die Finanzbehörde kann im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen Rahmenbedingungen für seine Mitwirkung festlegen. Werden die Rahmenbedingungen vom Steuerpflichtigen erfüllt, unterbleibt ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen.
Die Neuregelungen zum qualifizierten Mitwirkungsverlangen und zu der genannten zeitlichen Begrenzung der Ablaufhemmung sind erstmals auf Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie gelten hinsichtlich des qualifizierten Mitwirkungsverlangens aber auch für vor dem 01.01.2025 entstehende Steuern und Steuervergütungen, wenn für diese nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben wird.
Künftig wird es bei Betriebsprüfungen noch mehr darauf ankommen, die Kommunikation mit der Finanzverwaltung gut zu strukturieren und zu managen. Andernfalls drohen erhebliche wirtschaftliche Nachteile.
Autor:innen: Michael Pfundt, Christiane Freund