In der Praxis lässt sich immer wieder beobachten, dass die Beratung bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren nicht nur von Rechtsanwälten, sondern auch von nichtanwaltlichen Dienstleistern, wie z.B. Ingenieuren oder sog. Auftragsberatungsstellen, angeboten wird. Das Landgericht Magdeburg hat nun in seinem Urteil vom 15.09.2021, Az. 7 O 1109/21 klargestellt, dass es sich bei vergaberechtlichen Beratungsleistungen um Rechtsdienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) handelt, die gemäß § 3 RDG einer Erlaubnis bedürfen und daher grundsätzlich Anwaltssache sind.
Sachverhalt
Die Klägerin - eine auf Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei - nahm die Beklagte - eine gemeinschaftliche Dienstleistungseinrichtung der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern des Landes Sachsen-Anhalt in der Rechtsform einer Stiftung - in einem einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung der Beratung in Vergabeverfahren und auf Unterlassung der Teilnahme an Vergabeverfahren in Anspruch.
Anlass für das eingeleitete Verfahren vor dem Landgericht war, dass die Klägerin als auch die Beklagte von einem öffentlichen Auftraggeber zur Abgabe eines Angebots für Beratungsleistungen von verschiedenen nationalen und europaweiten Vergabeverfahren aufgefordert worden sind und sich als konkurrierende Bieter gegenüberstanden. Die Klägerin mahnte die Beklagte nach Bekanntwerden ihrer Teilnahme an dem Vergabeverfahren ab und forderte sie auf, es zu unterlassen, sich an dem laufenden Vergabeverfahren sowie an allen vergleichbaren Vergabeverfahren zu beteiligen, die identische oder vergleichbare vergaberechtliche Rechtsdienstleistungen zum Gegenstand haben.
Die Beklagte trat den Abmahnungen entgegen und gab in dem Vergabeverfahren ein Angebot zur Beratung des öffentlichen Auftraggebers ab. Daraufhin beantragte die Klägerin die einstweilige Verfügung.
Die Entscheidung
Dieser Antrag hatte Erfolg. Das Landgericht Magdeburg folgte dem Vortrag der Klägerin und erließ gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung unerlaubter Rechtsberatung im Vergaberecht. Nach Auffassung des Landgerichts verstößt die Beklagte gegen § 3 RDG, wenn sie Beratungsleistungen im Vergaberecht erbringt, da es sich bei ihr weder um eine Rechtsanwaltsgesellschaft noch um eine sonstige Person handelt, die zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen ermächtigt ist. Denn die Beratung öffentlicher Auftraggeber in Vergabeverfahren ist eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG, wenn sie über die reine Verfahrensbegleitung (z.B. die Prüfung der Vergabeunterlagen auf Vollständigkeit) hinausgeht und die Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Vergabegrundsätze sowie entsprechende Handlungsempfehlungen umfasst (z.B. die Prüfung der Angebote auf Rechtsfehler oder Erstellen und Verhandeln von Verträgen).
Das Gericht stellt unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH klar, dass § 2 Abs. 1 RDG in seinem Anwendungsbereich nicht restriktiv zu verstehen sei, sondern ausnahmslos alle Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten umfasse, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern, unabhängig davon, wie intensiv oder schwierig diese Prüfung ist. Auch lässt der Umstand, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Tätigkeit einen Rechtsanwalt hinzuziehen kann, den Verstoß gegen § 3 RDG nicht entfallen. Denn die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass sich die Beklagte dabei der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient, da sie sich auch in diesen Fällen selbst zur Übernahme der Rechtsbesorgung vertraglich verpflichtet.
Praxishinweis
Die Frage, wann nichtanwaltliche Dienstleister die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung überschreiten, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Dieser Entscheidung des Landgerichts Magdeburg steht allerdings – sofern die Beratung „aus einer Hand“ gewünscht ist - nicht entgegen, den Rechtsanwalt mit der Sicherstellung von nicht-anwaltlichen Tätigkeiten (wie z.B. strategischer oder wirtschaftlicher Beratung) zu beauftragen, sofern dem nicht andere rechtliche, insbesondere berufsrechtliche Gründe entgegenstehen. Der Rechtsanwalt kann sodann diese weitergehenden Dienstleistungen durch Hinzuziehung zusätzlicher Dienstleister (Ingenieure, Betriebswirte etc.) sicherstellen.
Co-Autorin: Aline Heurley