Laden von Elektrofahrzeugen - Wie ist dies umsatzsteuerlich zu beurteilen?

Gemäß EuGH-Urteil vom 22.04.2023 (C-282/22) liegt beim E-Charging eine einheitliche Stromlieferung vor, auch wenn die Leistung komplexe Dienstleistungselemente enthält.

Die umsatzsteuerliche Behandlung des Ladens von Elektrofahrzeugen war Gegenstand des vorgenannten EuGH-Verfahrens und eines Vorverfahrens in Polen. Neben der Stromabgabe durch die Ladevorrichtungen umfasst der Vorgang auch weitere Leistungsbestandteile wie z.B. die Zurverfügungstellung von Ladevorrichtungen und von Parkplätzen während des Ladevorgangs, technische Unterstützung und häufig auch IT-Serviceleistungen (z.B. eine Plattform, die es dem Nutzer ermöglicht, einen Anschluss zu reservieren, den Umsatzverlauf einzusehen und u.U. auch Bezahlsysteme zu verwenden).

Fraglich war bislang, ob es sich hierbei um eine einheitliche Hauptleistung mit unterzuordnenden Nebenleistungen (sog. "komplexe einheitliche Leistung") oder um mehrere selbständige Hauptleistungen handelt. Bei Annahme einer einheitlichen Leistung stellte sich die Frage, welcher Leistungsbestandteil überwiegt, insbesondere ob eine einheitliche Stromlieferung oder eine (komplexe) sonstige Leistung gegeben ist. Die Frage ist nicht nur von theoretischer Natur, da je nach Einordnung z.B. Leistungsort, Steuersatz und ggf. Steuerschuldnerschaft (sog. Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Wiederverkäufern) unterschiedlich zu beurteilen sein können.

Mit Urteil vom 22.04.2023 (C-282/22) hat der EuGH nun für Klarheit beim E-Charging gesorgt. Hauptleistung sei die Lieferung von Strom als prägendes Element des Ladevorgangs. Dahinter steckt der (einheitliche) Zweck, dem Nutzer unter optimalen Bedingungen zu ermöglichen, die gelieferte Elektrizität (Gegenstand im Umsatzsteuersinne) für den Fahrzeugantrieb zu verbrauchen. Andere Leistungen, die für die Erbringung dieser Lieferung notwendig sind, seien als Nebenleistungen einzustufen. Darunter fasst der EuGH die Bereitstellung der Ladesäulen, die technische Unterstützung für die Nutzer sowie die Zurverfügungstellung von IT-Anwendungen zur Reservierung und Zahlungsabwicklung des Ladevorgangs. Auch eine ggf. zusätzlich für die Dauer des Ladevorgangs berechnete Parkplatznutzung ändert hieran nichts, sondern zählt gemäß EuGH als Kostenbestandteil zur Hauptleistung. Werden sämtliche Leistungen von einem Unternehmer an den Ladesäulennutzer erbracht (ggf. auch in Leistungsketten), liegt insoweit eine einheitliche Lieferung von Strom vor.

Das Urteil dürfte in der Praxis nun für Klarheit sorgen, den Vorgang als einheitliche Lieferung zu behandeln. Der Leistungsort bestimmt sich aufgrund der Sonderregelung für die Lieferung von Elektrizität nach § 3g UStG (Bestimmungslandprinzip). Erfolgt die Lieferung von Strom an einen Endabnehmer bzw. keinen Stromwiederverkäufer, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo der Ladevorgang stattfindet. Die Umsatzsteuer auf Stromlieferungen in Deutschland beträgt 19% und wird in der Regel vom Leistungserbringer (z.B. Kommune, Stadtwerk) an das Finanzamt geschuldet.

Im Fall der Lieferung von Strom an einen Unternehmer, der diesen weiterverkauft (sog. "Wiederverkäufer"), gilt hingegen als Ort der Lieferung der Ort, an dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Sind sowohl der liefernde Unternehmer als auch der Empfänger Stromwiederverkäufer, schuldet in diesem Fall der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG (Umkehr der Steuerschuldnerschaft). Dies dürfte allerdings beim E-Charging die Ausnahme darstellen.

Autorinnen: StB Heike Sökeland, StB Verena Köster