Praxishinweis: Nachträgliche Feststellung des steuerlichen Einlagekontos bei nicht kapitalertragsteuerpflichtigen BgA

Lokaler Ansprechpartner

Gabriele Kirchhof

13 Juni 2024

Durch Verwendung des sog. steuerlichen Einlagekontos können Kapitalertragsteuerbelastungen im Rahmen der Besteuerung von Betrieben gewerblicher Art (BgA) regelmäßig vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden. Aus verfahrensrechtlicher Sicht kommt eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos jedoch nur in Betracht, wenn der Bestand des steuerlichen Einlagekontos durch die Finanzverwaltung in Form eines Verwaltungsakts (Steuerbescheid) entsprechend festgestellt wird.

Bei BgA, die die Kriterien nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG (Gewinn- und Umsatzgrenze bzw. freiwillige Bilanzierung) nicht oder nicht in allen Jahren (sog. Wechselfälle) erfüllen, wurde der Bestand des steuerlichen Einlagekontos verfahrensrechtlich in der Vergangenheit in vielen Fällen nicht durch das Finanzamt festgesetzt.

Welche neue Entwicklung gibt es?

Der BFH hat mit Urteil vom 30.09.2020 (I R 12/17, BStBl. 2022 II S. 269) entschieden, dass das steuerliche Einlagenkonto auch bei BgA, welche die Kriterien nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG nicht erfüllen, verpflichtend zu führen ist. Aufgrund der ergangenen Rechtsprechung hat das BMF ein neues Schreiben auf den Weg gebracht, in dem es sich der Rechtsprechung des BFH anschließt (vgl. BMF vom 04.04.2022 - IV C 2 - S 2836/21/10001.001 -, BStBl. 2022 I S. 645).

Im BMF-Schreiben vom 04.04.2022 schafft die Finanzverwaltung letztmalig die Chance, die Zugänge in den Jahren vor 2022 bei der Festsetzung des steuerlichen Einlagekontos für das Jahr 2022 zu berücksichtigen. Insoweit hat das BMF eine vereinfachte Vorgehensweise entwickelt, um den Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos zum 01.01.2022 zu ermitteln. Hierbei wird das vorhandene Eigenkapital (bzw. eine vergleichbare Kapitalgröße bei Einnahme-Überschussrechnern) zum 01.01.2022 betrachtet, erhöht um die seit Gründung des BgA bzw. seit dem 01.01.2001 (Systemwechsel) erwirtschafteten Verluste (= Verlustausgleichseinlagen).

Darüber hinaus ist ebenfalls eine lückenlose Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos ab dem 01.01.2001 unter Berücksichtigung der jährlichen Ergebnisse und der Einlagen des BgA möglich. Für die BgA, die bisher bereits (aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder freiwillig) fortlaufend ein steuerliches Einlagekonto geführt haben, ergeben sich durch das o. g. BMF-Schreiben keine Konsequenzen.

Unsere Empfehlung

Besonders bei BgA, denen Anlagevermögen (insbesondere Grundstücke) steuerlich zugeordnet ist, sollte der tatsächliche Bestand des steuerlichen Einlagekontos verfahrensrechtlich durch die Finanzverwaltung festgestellt werden. Bei einem späteren Verkauf des Anlagevermögens aus dem Betriebsvermögen des BgA oder der Beendigung des BgA kann hierdurch ggf. Kapitalertragsteuer durch Verwendung des Einlagekontos vermindert werden, falls zu diesem Zeitpunkt durch Überschreiten der Umsatz- oder Gewinngrenzen eine Kapitalertragsteuerpflicht besteht.

Soweit bei diesen BgA in der Vergangenheit keine verfahrensrechtliche Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt ist, empfehlen wir, die letztmalige Chance zu nutzen, auch die vergangenen Jahre ab dem Jahr 2001 bei der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2022 zu berücksichtigen. Soweit diese Möglichkeit im Veranlagungszeitraum 2022 nicht genutzt wird, wird das Einlagekonto zum 31.12.2022 von der Finanzverwaltung mit Null festgesetzt. Da die vereinfachte Ermittlung des BMF und die lückenlose jährliche Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, empfehlen wir insbesondere bei größeren BgA beide Alternativen durchzurechnen.

Autor:innen: StB Martin Burger, StB Alice Mantey