Die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe unterliegt der Umsatzsteuer und ermöglicht einen Vorsteuerabzug, wenn die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
Leitsätze der BFH-Entscheidungen
BFH v.18.10.2023 - XI R 21/23 (XI R 30/19):
Die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde stellt keine Leistung gegen Entgelt im Sinne der § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dar, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
BFH vom 06.12.2023 - XI R 33/21:
Die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe ist ein steuerbarer Umsatz gegen Entgelt, wenn die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind (Bestätigung der Rechtsprechung, Abgrenzung zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Gemeinde A vom 13.07.2023 - C-344/22, EU:C:2023:580 und zum Urteil des Bundesfinanzhofs — BFH— vom 18.10.2023 - XI R 21/23, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
Falls eine Kurgemeinde bei der Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe auf öffentlich-rechtlicher Grundlage handelt, ist sie nur dann als Unternehmerin tätig, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (vgl. BFH-Beschluss vom 15.12.2021 - XI R 30/19, BFHE 275, 414, BStBl II 2022, 577, Rz 37 ff.).
Eine Gemeinde unterhält umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen, so dass in dem gegenüber der Gemeinde zu erlassenden Umsatzsteuerbescheid alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der Gemeinde zu erfassen sind; dazu gehören zum Beispiel auch Umsätze im Bereich der Vermögensverwaltung oder steuerpflichtige Beistandsleistungen.
Entscheidung des BFH vom 18.10.2023
Hierbei handelt es sich um die Nachfolgeentscheidung des BFH zur Entscheidung des EuGH vom 13.07.2023, C-344/22.
Vorliegend finanzierte die Gemeinde durch die Erhebung einer Kurtaxe die Herstellung, den Unterhalt und die Sanierung von Kureinrichtungen. Die Gemeinde erhob aufgrund einer kommunalen Satzung von Kurgästen, die sich in der Gemeinde aufhielten, für die Bereitstellung von Kureinrichtungen eine Kurtaxe. Die Beteiligten stritten darüber, ob die Gemeinde hierdurch auch dann eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Kureinrichtungen ohnehin für jedermann frei zugänglich sind.
Dem EuGH folgend entschied der BFH, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen keine Leistung gegen Entgelt darstellt, sofern die Verpflichtung zur Entrichtung der Kurtaxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass der dem Schuldner der Kurtaxe konkret verschaffte, verbrauchsfähige Vorteil nicht über den Vorteil der Allgemeinheit hinausgehe und die Kurtaxe daher im Entscheidungsfall kein steuerbares Leistungsentgelt darstelle.
Entscheidung des BFH vom 06.12.2023
Dass die Kurtaxe auch nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung ein steuerbares Entgelt darstellen kann, zeigt jedoch die parallel veröffentlichte Entscheidung vom 06.12.2023, XI R 33/21.
Die Beteiligten stritten vorliegend darüber, ob die für den Bezug von Fremdenverkehrswerbung gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kurgemeinde abziehbar sei oder, ob sie anteilig auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten der Gemeinde entfalle. Der BFH beurteilte bei seiner Entscheidung zunächst vorgelagert die Frage, ob sie Bereitstellung der Kureinrichtungen gegen Erhebung einer Kurtaxe überhaupt einen steuerbaren Leistungsaustausch im Rahmen des Unternehmens der Gemeinde begründet, da dies Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist. Auf Grundlage des vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalts bejahte der BFH in diesem Fall die Umsatzsteuerpflicht. Er verwies die Sache allerdings an das Finanzgericht zurück, da die Feststellungen zur Höhe des Vorsteuerabzugs noch nicht spruchreif waren.
Auch in diesem Fall erhob die Gemeinde auf Grundlage einer örtlichen Satzung eine Kurtaxe zur Finanzierung des von ihr unterhaltenen Kurbetriebs. Kurabgabepflichtig waren alle ortsfremden Personen, die sich im Erhebungsgebiet aufhielten, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben und die die Möglichkeit zur Nutzung der Kur- und Erholungseinrichtungen hatten. Die Kurabgabe war unabhängig davon zu zahlen, ob und in welchem Umfang die Einrichtungen genutzt wurden. Entscheidender Unterschied zum vorgenannten Urteilsfall war, dass die Gemeinde Berechtigungsnachweise (Gästekarte, Jahreskarten und (kostenlose) Einwohnerkarten) ausgab, die von den Personen während des Aufenthalts mitzuführen und bei durchgeführten Kontrollen dem Aufsichtspersonal vorzuzeigen waren. Jeder, der bei diesen Kontrollen keine gültig Gäste- oder Einwohnerkarte vorweisen konnte, wurde als Tagesgast behandelt und hatte nach der örtlichen Satzung eine erhöhte Tageskurabgabe direkt an die Kontrolleure der Kurverwaltung zu entrichten.
Der Umstand, dass die Kurtaxe satzungsgemäß pro Aufenthaltstag erhoben wurde und nicht an die tatsächliche Nutzung der Kureinrichtung geknüpft war, war für den BFH nicht entscheidungserheblich. Ebenso hatte er es als unschädlich betrachtet, dass Tagesgäste erst im Rahmen von Kontrollen zur Erhebung der Kurtaxe herangezogen wurden. Ausreichend für den umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch sei die Leistungsbereitschaft gegen Entgelt und nicht der Umfang der Inanspruchnahme der konkreten Leistung. Der Abgabenerhebung liege die typisierende Betrachtungsweise zugrunde, dass Ortsfremde regelmäßig auch deswegen in den Kurort kämen, um die dortigen Kureinrichtungen zu nutzen, und der Gast aufgrund seines Aufenthalts im Kurort von den dortigen Kureinrichtungen einen Vorteil habe. Die Zahlung der Kurtaxe stelle einen Gegenwert für diese Leistung der Gemeinde dar und berechtigte nach der Satzung zur Nutzung der Kureinrichtungen. Dem Kurgast sei durch die Bereitstellung der Kureinrichtungen daher ein konkreter und aus umsatzsteuerlicher Sicht grundsätzlich auch verbrauchsfähiger Vorteil vermittelt worden.
Dass die Gemeinde die Kureinrichtungen im Streitfall unentgeltlich an Einwohner und andere, nach der Satzung befreite Personen überlassen hat, schloss vorliegend die Umsatzsteuerbarkeit der entgeltlichen Leistungen nicht aus. Insofern reichte dem BFH, dass die Nutzung gemäß Satzung auch in diesen Fällen an den Berechtigungsnachweis (Einwohnerkarte) gekoppelt war bzw. eine Nichtvorlage bei Kontrolle zur Kurtaxenpflicht führte. Auswirkung hat die Unentgeltlichkeit dieser Nutzungen – sowie einer ggf. darüber hinaus bestehenden Eigennutzung der Einrichtungen durch die Gemeinde – jedoch auf die Höhe des Vorsteuerabzugs aus hierfür bezogenen Eingangsleistungen.
Diesbezüglich entschied der BFH, dass zumindest die bestehende unentgeltliche Überlassung von Kureinrichtungen als unentgeltliche Tätigkeit nichtwirtschaftlich sei und der Gemeinde daher mangels Leistungsbezug für ihr Unternehmen insoweit (anteilig) kein Recht auf Vorsteuerabzug zustehe.
Hinweise für die Praxis
Nachdem der EuGH mit Urteil vom 13.07.2023 (C-344/22) entschieden hatte, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde gegen Erhebung einer Kurtaxe keine entgeltliche Dienstleistung darstellt, wenn die Verpflichtung zur Entrichtung gemäß Satzung an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind, bestand bei den Kurgemeinden große Unsicherheit. Zwar entfällt in dem Fall die Umsatzsteuer auf die Kurtaxe. Für die Einrichtungen und deren Finanzierung entscheidender ist aber im Umkehrschluss der Wegfall der Vorsteuer aus damit im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen.
Vor diesem Hintergrund ist zu begrüßen, dass der BFH neben der Nachfolgeentscheidung zum o. g. EuGH-Fall zeitgleich auch das weitere Urteil mit einem etwas anders gelagerten Sachverhalt veröffentlicht hat. Dies zeigt, dass es – wie so oft bei der Umsatzsteuer – auf die Gestaltung im Einzelfall ankommt.
Maßgebend ist, dass die Kureinrichtungen gemäß den Satzungsregelungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich verfügbar sind. In diesem Zusammenhang genügt es, dass die Gemeinde bei Zahlung der Kurtaxe Gästekarten (sowie zusätzlich Einwohnerkarten) aushändigt, die durch Kontrolleure überprüft werden. Nicht wesentlich erscheint dem BFH, dass es stetige Eingangskontrollen gibt oder wie häufig die Kontrollen erfolgen. Auch dass bei Tagesgästen die Tageskurabgabe nach der örtlichen Satzung erst im Falle einer Überprüfung durch Kontrolleure zur Zahlung fällig wird und Leistungen an Tagesgäste teilweise unbeabsichtigt erbracht werden, steht nach Auffassung des BFH einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch nicht entgegen.
Ist die erste Hürde einer steuerpflichtigen Ausgangsleistung genommen, stellt sich jedoch nach wie vor die Frage zur Höhe der Vorsteuer. So ermöglichen Kosten, die in die Gebührenkalkulation der Kurtaxe einfließen, nicht zwingend den vollen Vorsteuerabzug. Nach Auffassung der Finanzverwaltung scheidet dieser aus, wenn die Einrichtungen nach landesrechtlichen Vorschriften durch öffentlich-rechtliche Widmung als dem Gemeingebrauch zugänglich anzusehen sind oder die Einrichtungen ausdrücklich oder konkludent der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Nutzung überlassen werden. Mit Blick auf die jüngste Rechtsprechung auch zu anderen Verfahren zum (mittelbaren) Vorsteuerabzug ist diese Frage allerdings differenzierter zu beurteilen und bedarf daher einer eingehenden Untersuchung.
Zusammenfassend lässt sich anhand der Entscheidungen des BFH feststellen: Der (anteilige) Vorsteuerabzug ist auch nach Auffassung des BFH weiterhin möglich. Es kommt hierbei auf die Ausgestaltung der Kurbeitragssatzung an. Kurgemeinden sollten vor diesem Hintergrund ihre Satzungen überprüfen und bei Bedarf für die Zukunft eine Anpassung erwägen. Für Altfälle, die Gegenstand von Betriebsprüfungen bzw. verfahrensrechtlich noch änderbar sind, sollte geprüft werden, wie sich die neue Rechtsprechung im Einzelfall auswirkt.
Autorinnen: StB Heike Sökeland, StB Annika Wölky