Zur Zulässigkeit der Teilnahme von Beteiligungsgesellschaften an Ausschreibungen

Das Gebot der organisatorischen und personellen Trennung von Vergabestelle und Bewerber gilt auch bei einer bloßen Minderheitsbeteiligung der konzessionierenden Gemeinde an einem Bewerber. Es reicht eine Organisationsstruktur, die einen Informationsfluss nur im Vergabeverfahren sichert.

 

Eine Gemeinde führte ein Gaskonzessionierungsverfahren durch. Die Funktion der verfahrensleitenden Stelle übertrug die Gemeinde einer Anwaltskanzlei. Nach Eingang und Auswertung der Angebote teilte die Gemeinde den unterlegenen Bietern mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf eine sich ebenfalls bewerbende Beteiligungsgesellschaft der Gemeinde (Beteiligungshöhe 25,1 %) zu vergeben. Die Oberbürgermeisterin der Gemeinde war stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende dieser Beteiligungsgesellschaft.

Ein Bieter rügte die Auswahlentscheidung und machte neben Rügen gegen die Angebotsauswertung insbesondere geltend, die Gemeinde habe das Gebot der organisatorischen und personellen Trennung der Vergabestelle von der als Bieter auftretenden Beteiligungsgesellschaft nicht beachtet. Infolge der Nichtabhilfe der Rügen beantragte der rügende Bieter vor dem LG Stuttgart den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 47 Abs. 5 EnWG. Das LG Stuttgart erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß (LG Stuttgart Urt. v. 24.11.2022 – 11 O 157/21). Hiergegen richtete sich die Berufung der Gemeinde zum OLG Stuttgart.

Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 25.05.2023 (Az.: 2 U 201/22) die erstinstanzliche Entscheidung des LG aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Insbesondere sei das Trennungsgebot nicht verletzt. Das OLG Stuttgart bezieht sich zunächst auf einschlägige BGH-Rechtsprechung, wonach die gleichzeitige Stellung als Vergabestelle und als Bieter einen Interessenkonflikt darstelle. In der Folge kann das Diskriminierungsverbot nur durch deren vollständige personelle und organisatorische Trennung gewahrt werden (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2021 – EnZR 43/20 – „Stadt Bargteheide“). Diese Rechtsprechung – für 100-%-ige Eigengesellschaften – müsse auch für Minderheitsbeteiligungen wie vorliegend mit 25,1 % gelten. Auch hier sei der „böse Schein“ mangelnder Objektivität zu vermeiden.

Gleichwohl sieht das OLG hier keinen Verstoß gegen diese Vorgaben. Ein Verstoß gegen das Trennungsgebot sei zwar nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die inhaltliche Bearbeitung des Verfahrens an externe Berater ausgelagert werde, da dies einen Informationsfluss nicht ausschließe. Die darüber hinaus ergriffenen organisatorischen Maßnahmen wurden jedoch vorliegend für ausreichend erachtet. Ein schriftliches Konzept über diese organisatorischen Maßnahmen sei gerade nicht notwendig. Auch sei eine hermetische Abriegelung der Vergabestelle im Sinne einer informationstechnischen „Chinese Wall“ nicht geboten.

Ferner reiche die Stellung der Oberbürgermeisterin als Leiterin der Verwaltung (Weisungsmöglichkeit) und Aufsichtsratsvorsitzende nicht aus für einen Verstoß. Die gesetzliche Regelung des § 46 Abs. 6 EnWG ermögliche gerade die Beteiligung von Eigenbetrieben. Wäre die Doppelstellung der Oberbürgermeisterin hinderlich, wäre eine derartige Beteiligung per se ausgeschlossen. Insofern könnten die mit der Vergabe befassten Verwaltungsmitarbeiter dennoch als „weisungsfrei“ angesehen werden.

Zu Recht geht das OLG grundsätzlich auch bei einer Minderheitsbeteiligung von dem Erfordernis einer personellen und organisatorischen Trennung aus. Ebenfalls zu Recht unterstreicht es aber auch, dass es zur Wahrung des Trennungsgebots ausreichen muss, durch Dienstanweisungen zur Vertraulichkeit, Entbindung von Weisungen sowie gängige Sicherheitsvorkehrungen (z. B. Passwortschutz der EDV, getrennte Führung der Vergabeakten), einen unzulässigen Informationsfluss zu verhindern. Das Erfordernis von „Chinese Walls“, die je nach Definition nicht auf die IT-Systeme beschränkt ist, sondern auch die physische Abschottung der betroffenen Verwaltungsmitarbeiter bedeuten kann, kann sogar als unangemessen und gerade für kleinere Kommunen kaum umsetzbar angesehen werden.

Fazit

Kommunen und öffentliche Unternehmen müssen sich darüber klar sein, dass bei Vergabeverfahren das Trennungsprinzip gilt. Im Falle eines Nachprüfungsverfahrens muss eine ausreichende Trennung nachgewiesen werden können, die einen unzulässigen Informationsfluss an den Ausschreibungsteilnehmer verhindert.

Autoren: RA Dr. Oliver Wittig, RA Fabian Dietl