4 Minuten Lesezeit 16 Juli 2020
Gewinnung von Wind- und Solarenergie

Warum die Digitalisierung der Energiewende an Fahrt gewinnt

Von Andreas Siebel

Partner, Leiter Energy & Resources, Strategy and Transactions, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Ist seit mehr als 20 Jahren als Berater und Gutachter im internationalen, nationalen und kommunalen Umfeld tätig und dabei stets mit Herz bei der Sache.

4 Minuten Lesezeit 16 Juli 2020

Weitere Materialien

Seit Jahren wird über den digitalen Wandel in der Energiewirtschaft diskutiert. Die Fortschritte sind groß, doch es gibt noch offene Punkte.

Das Fazit im ersten Barometer zur Digitalisierung der Energiewende war düster: Der digitale Wandel in der Energiewirtschaft verlange allen Beteiligten ein neues Denken und Handeln ab, hieß es in dem Ende Januar 2019 veröffentlichten Bericht – doch bei der Umsetzung hake es gewaltig. Auf gerade einmal 22 von 100 möglichen Punkten zu acht Schlüsselfaktoren kamen die Autoren der Studie.

Außer Frage stand, dass es großen Handlungsbedarf gibt, denn das Energiesystem wandelt sich dynamisch. Die Entwicklung weg von zentraler hin zu dezentraler Erzeugung, eine steigende Elektrifizierung des Alltags, beispielsweise durch Elektromobilität, neue Marktteilnehmer und neue Möglichkeiten der Digitalisierung beschäftigen die Branche schon lange. Auch der zuletzt wieder breiter diskutierte Veränderungsdruck durch den Klimawandel und die Frage, wie die Energiewirtschaft zur Erreichung der Klimaziele beitragen kann, prägen die Industrie. Eine wichtige Frage bleibt: Welche Angebote bieten künftig Versorgungsunternehmen, wenn viele Kunden ihren eigenen Strom erzeugen?

Digitalisierung der Energiewende

36

Punkte von möglichen 100 erreicht die Energiewirtschaft im Jahr 2019 – 14 Punkte mehr als im Vorjahr.

Jetzt liegt das zweite Barometer vor und die Energiewirtschaft scheint deutlich besser gerüstet, auf diese Fragen Antworten zu finden, denn die Fortschritte sind groß. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Bewertung um 14 Punkte auf nun 36 Punkte.

Was erreicht wurde: Gerätezertifizierungen, Rollout und gesicherte Versorgung

Der von EY im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellte Bericht lobt vor allem die vielen Fortschritte im tatsächlichen Zugang zum Markt. Einführung und Aufbau von Smart Metering und Smart Grid in Deutschland kommen voran, weil es bei den Gerätezertifizierungen und bei der Markterklärung Durchbrüche gab. Damit kann nun der Pflichteinbau von intelligenten Messsystemen starten – ein wichtiges Etappenziel bei der Digitalisierung der Energiewende.

Auffällig ist auch, wie sich die Kommunikation zwischen den beteiligten Stakeholdern zu einem deutlich zielorientierteren Branchendialog verbessert hat. Maßgeblich dazu beigetragen haben die Koordination und Steuerung des BMWi und eine verbesserte Abstimmung unter den Behörden, darunter das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die Bundesnetzagentur, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit.

Der „Fahrplan für die weitere Digitalisierung der Energiewende“ gibt Maßnahmen mit verbindlichen Zielen und Zeitvorgaben für die nächsten Schritte vor.

Auch der Standardisierungsprozess zeichnet sich klarer ab und es gibt genauere zeitliche Zielvorgaben für die Umsetzung. Dadurch wiederum steigt die Planungssicherheit für Unternehmen, wenn sich auch kritisieren lässt, dass lange Übergangsfristen den Handlungsdruck in der Umsetzung gesetzeskonformer Lösungen zum Smart Meter Gateway mindern. Dem entgegenwirken soll der „Fahrplan für die weitere Digitalisierung der Energiewende“, ein Maßnahmenplan mit verbindlichen Zielen und Zeitvorgaben für die nächsten Schritte.

Welche Probleme bleiben: unzureichende Netze und fehlende Skalierung

Das Energiebarometer 2019 zeigt aber auch, welche Probleme die Branche weiter beschäftigen. So können beispielsweise die vorhandenen Telekommunikationsangebote die technischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Anforderungen einer digitalisierten Energiebranche nicht komplett erfüllen. Die sichere Kommunikationsanbindung der Smart Meter Gateways bleibt ein zentrales Problem.

Die Anbieter am Markt kämpfen wohl noch Jahre mit dem Problem geringer Absatzmengen. Doch nur entsprechend hohe Stückzahlen senken die Stückkosten, ermöglichen Investitionen in die Weiterentwicklung der Geräte und sorgen für günstigere Preise für die Gerätenutzer. Ein weiteres Problem ist die kaum stattfindende Skalierung, was die Entwicklung profitabler Geschäftsmodelle erschwert. Einzig die Möglichkeit der Bündelung des Messstellenbetriebs für Liegenschaften ab 2021 bietet hier Potenziale unter Liegenschaftskunden und Wohnungsgesellschaften.

Kenntnissstand bei Endkunden

20 %

der Haushalte in Deutschland fühlen sich sehr gut oder gut informiert.

Ein Blick auf die Endkunden zeigt: Bekanntheit und Akzeptanz der Angebote sind im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert. Doch nur 20 Prozent der Haushalte in Deutschland fühlen sich gut oder sehr gut informiert – und die Schere wird zunehmend größer: Eine kleine Gruppe vertieft ihr Wissen zunehmend, doch der Großteil beschäftigt sich eher weniger mit dem Thema. Eine Ausnahme bildet das „Smart Home“; drei Viertel der Befragen können mit diesem Konzept etwas anfangen. Daran lässt sich erkennen: Ist die Marktverfügbarkeit von digitalen Angeboten gegeben, lässt sich auch ihre Bekanntheit maßgeblich steigern.

Vier Punkte, die nun angegangen werden sollten

Die Zertifizierung von drei Smart Meter Gateways und die Markterklärung für den Beginn des Pflicht-Rollouts haben dennoch ein Momentum geschaffen. Das gilt es nun zu heben:

  • Auf Basis der bisherigen Diskussionen zwischen Behörden, Energieversorgern und weiteren Playern sollte die Standardisierung bei Smart Metern vorangetrieben werden.
  • Die Neuregelung zu Netzentgelten nach §14a des Energiewendegesetzes sollte vor allem mit Blick auf Elektrofahrzeuge vorangetrieben werden.
  • Der Pflicht-Rollout für intelligente Messsysteme sollte vorangetrieben werden, um so praktische Erfahrungen zu sammeln.
  • Potenziale zur Skalierung der Angebote müssen erhöht werden. Damit die Stückzahlen steigen können, ist es auch wichtig, auf Kundenseite ein stärkeres Bewusstsein zu schaffen und mehr Interesse an neuen Angeboten zu wecken. 

Fazit

Die Digitalisierung der Energiewende kommt in Deutschland gut voran und die Fortschritte im Vergleich zum Jahr 2018 sind groß. Das zeigt das „Barometer Digitalisierung der Energiewende“, das EY im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellt: Die Voraussetzungen für die Einführung und den Aufbau von Smart Metering und Smart Grid werden immer besser erfüllt, vor allem, weil es bei Gerätezertifizierungen und der Markterklärung Fortschritte gab. In naher Zukunft ist die weitere Standardisierung von Smart Metern genauso wichtig wie die Neuregelung von Netzentgelten nach §14a des Energiewendegesetzes und der Pflicht-Rollout für intelligente Messsysteme zum Sammeln praktischer Erfahrungen.

Über diesen Artikel

Von Andreas Siebel

Partner, Leiter Energy & Resources, Strategy and Transactions, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Ist seit mehr als 20 Jahren als Berater und Gutachter im internationalen, nationalen und kommunalen Umfeld tätig und dabei stets mit Herz bei der Sache.