In den letzten Jahren haben wir uns fast täglich in veränderten Wirklichkeiten wiedergefunden, die das Ergebnis folgenschwerer geopolitischer Veränderungen, geografischen Wandels und der Disruptionen im Unternehmensumfeld sind. Während technologische Innovationen für neue Chancen sorgten und die globale Wirtschaft ankurbelten, warfen uns andere Faktoren zurück: Reiseverbote, ein zunehmendes Geschlechtergefälle und die weit verbreiteten Einkommensunterschiede.
Es ist wichtiger denn je, dass der öffentliche und der private Sektor die gesellschaftlichen Probleme gemeinsam angehen. Das gilt besonders für die größte allgegenwärtige humanitäre Herausforderung unserer Zeit: die globale Flüchtlingskrise.
Mehr als 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg oder Verfolgung. Die Flüchtlingskrise ist ein globales Problem, das einer globalen Lösung bedarf. Sie kann nicht von einer einzelnen Nation, einem Gremium oder einem multinationalen Konzern allein bewältigt werden.
Wir sollten jeden Flüchtling als Individuum betrachten
Was, wenn multinationale Konzerne sozial und politisch verdrängte Flüchtlinge willkommen heißen würden? Was, wenn sie mit Gremien interagieren würden, um Flüchtlinge weltweit in den Arbeitsmarkt zu integrieren?
Ich möchte ein Beispiel nennen, das mich vor Kurzem sehr bewegt hat. Ein deutsches Nachrichtenteam begrüßte den Buchhalter Mohammad Basel Alyounes. Der syrische Flüchtling war nach einer 3.700 Kilometer langen Reise in Deutschland angekommen. Als sie ihn fragten, was er sich für sein neues Leben in Deutschland erhoffte, antwortete er: „Ich will für EY arbeiten.“ Zu meiner großen Freude sah ein EY-Kollege in Deutschland das Interview, fand Basel über Social Media und EY stellte ihn ein.
Basel arbeitet jetzt mit unserem Refugee Support Team. In Verbindung mit der deutschen Charta der Vielfalt brachte das Team Unternehmen, Gremien und soziale Gruppen zusammen. Gemeinsam helfen sie Flüchtlingen aus der ganzen Welt, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen.
Das EY-Team stand außerdem mit 50 deutschen Unternehmen in Kontakt, um bewährte Methoden auszutauschen, Praktikumsprogramme für Flüchtlinge zu verbessern und diese Programme auch auf andere Länder auszudehnen. Die Charta gab vor, dass sie mit ähnlichen Programmen von multinationalen Konzernen in Europa eine Zusammenarbeit anbahnen sollten. Das Team lernte dabei, dass es keine Einheitslösung für Integration gibt und es einen großen Unterschied macht, wenn wir jeden Flüchtling als Individuum betrachten.
Ich ermutige die multinationalen Konzerne, weiterhin mit der öffentlichen Hand zusammenzuarbeiten. Das Ziel ist, diese umfassenden Integrationsbemühungen auszuweiten und maßgeschneiderte Ansätze zu finden, die den individuellen Bedürfnissen der Flüchtlinge Rechnung tragen.
Überwindung von Ängsten und Missverständnissen
Wenn die Zeiten unsicher sind und die Einkommensunterschiede größer werden, ist es ein Leichtes, Ängste vor Menschen, die anders sind, zu schüren. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie dies konkret aussehen kann. Aber Flüchtlinge sind die Substanz der Nationen. Sie haben einen großartigen Beitrag zu den Gesellschaften, Regierungen und Wirtschaften geleistet und tun dies immer noch.
Ein gutes Beispiel ist Madeleine Albright. Aus der Immigrantin und dem (zweifachen) Flüchtling wurde eine erfolgreiche Unternehmerin, Aktivistin, Philanthropin sowie die erste weibliche amerikanische Außenministerin.
„Unsere Differenzen bezüglich der Flüchtlingskrise zeigen, welche Ungleichheit in der Welt herrscht. … Flüchtlinge haben einen großen Beitrag zu unserer Nation geleistet. Syrische Flüchtlinge lernen Englisch, finden eine gute Arbeit, kaufen Häuser und gründen Unternehmen. Mit anderen Worten: Sie machen das, was andere Generationen von Flüchtlingen auch getan haben, mich eingeschlossen“, sagt Albright.
Aus Angst vor ökonomischen Zwängen, begrenzter Infrastruktur und Personalkosten stehen manche Staaten der globalen Flüchtlingskrise dennoch oft negativ gegenüber.
„Ich wünschte … die Menschen wären sich der Vorteile bewusst, die Flüchtlinge mit sich bringen, anstatt sie als Last anzusehen. Viele [Flüchtlinge] sind gebildet, kompetent und haben Unternehmergeist“, sagt Albright.
Außenministerin Albright trifft den Nagel auf den Kopf. 40 Prozent der größten US-Unternehmen wurden von Immigranten oder ihren Kindern gegründet. In Kanada, Australien und Deutschland ist die unternehmerische Erfolgsquote unter Immigranten und Flüchtlingen höher als unter den Einheimischen.
Um dieses Potenzial auszuschöpfen, müssen multinationale Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und die öffentliche Hand die wirtschaftlichen Vorteile von Flüchtlingen effektiv kommunizieren. Außerdem müssen sie Möglichkeiten finden, die Flüchtlinge nahtloser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie von Beginn an einen sinnvollen Beitrag zur Wirtschaft leisten.