3 Minuten Lesezeit 18 August 2020
Mann bedient Smart Home Gerät

Wie Stadtwerke in Zukunft von Smart Metering profitieren können

Von Metin Fidan

Partner, Europe West Green Transformation Leader and Europe West Mining & Metals Leader, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Sieht in der Dekarbonisierung, Digitalisierung, in der Dezentralisierung sowie in der Konvergenz vor allem Chancen für die Energiewirtschaft. Wandel ist für ihn eine Gestaltungsaufgabe.

3 Minuten Lesezeit 18 August 2020

Mit Hilfe intelligenter Messsysteme entstehen datenbasierte Geschäftsmodelle und Produktinnovationen.

Im Rahmen des Smart Meter-Ausbaus bietet sich den Stadtwerken die Möglichkeit, datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Diese können häufig über Plattformen skaliert werden. Die Grundidee besteht darin, dass Unternehmen auf Basis der Smart Meter-Daten von Haushalten, die über eine technische Plattform des Stadtwerks bereitgestellt werden, ihre aktuelle Dienstleistung besser erbringen oder neue Services entwickeln können.

Im sogenannten B2B2C-Geschäftsmodell liefert Business 1 – die Stadtwerke – Daten an Business 2 – zum Beispiel einen Wachdienst –, das wiederum in direktem Kontakt mit dem Endkunden steht.

Je mehr Unternehmen die Smart Meter-Daten für ihr Business nutzen und je mehr diese Services untereinander vernetzt werden können, desto stärker wächst das Plattformgeschäft. Typischerweise partizipiert der Plattform-Betreiber, hier das Stadtwerk, an den Transaktionserlösen.

Die EY & BDEW Stadtwerkestudie 2020 zeigt, dass Energieversorger das Smart Metering für die wichtigste Technologie der digitalen Transformation halten, wie auch die Abbildung verdeutlicht.

In einer alternden Gesellschaft illustriert die Entwicklung von Services für Senioren die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Stadtwerken mit der Wohnungswirtschaft. Die Wohnungswirtschaft hat ein zentrales Interesse daran, Senioren zu ermöglichen, so lange wie möglich in ihrer Wohnung zu bleiben und nicht in ein Pflegeheim zu ziehen.

Die Entwicklung einer technischen Plattform für Smart Meter-basierte Services verläuft idealerweise in drei Phasen, sogenannten Horizonten.

Horizont 1: Prototypen testen

Zur Reduzierung der Komplexität und damit des Investitionsrisikos wird ein Stadtwerk zuerst einmal exemplarisch eine (lineare) Geschäftsidee mit dem jeweiligen Nutzer und Anbieter testen und validieren, bevor es in den Aufbau einer technischen Plattform investiert. Im Zusammenhang mit  Services, die auf Smart Meter-Daten basieren, wird sich das Stadtwerk dabei zunächst häufig auf solche Geschäftspartner konzentrieren, die ihre aktuellen Dienstleistungen durch die Smart Meter-Daten verbessern können.

Bleibt das Licht ungewöhnlich lange an? Läuft das Wasser ununterbrochen? Über eine solche „Anomalieerkennung“ kann das System automatisch Hilfeleistungen auslösen.

Im Senioren-Bereich können Smart Meter-basierte Verbrauchsprofile etwa genutzt werden, um ungewöhnliche Muster festzustellen: Bleibt das Licht ungewöhnlich lange an? Läuft das Wasser ununterbrochen? Über eine solche „Anomalieerkennung“ kann das System automatisch Hilfeleistungen auslösen. Ob Senioren und ihre Angehörigen überhaupt Interesse an einem solchen System hätten, testen Stadtwerke und Dienstleister im nächsten Schritt über Prototypen. Nur wenn hier eine ausreichende Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft nachgewiesen wird, verfolgen die Partner das Projekt weiter.

Horizont 2: Marktakzeptanz prüfen

In dieser Phase werden weitere Geschäftsideen wie in Horizont 1 auf Marktakzeptanz geprüft. Beispielhaft könnte getestet werden, ob es Angebot und Nachfrage für neuartige Zusteller- oder Wachdienst-Services auf Basis der Smart Meter-Dienste gibt, also für eine Art Anwesenheitsinformation. Weiterhin überprüfen die Anbieter in dieser Phase, ob sich Netzwerkeffekte entwickeln. So könnten etwa die Paket-, Wach- und weitere anwesenheitsabhängige Dienste als frei kombinierbares Leistungsbündel für Senioren und andere Haushalte angeboten werden.

Erst, wenn mehrere Geschäftsideen („use cases“) positiv validiert und erste Netzwerkeffekte nachgewiesen sind, ist es sinnvoll, in den Aufbau eines Plattformgeschäftsmodells zu investieren. Falls nicht, kann man immer noch die positiv getesteten Geschäftsideen linear weiterführen.

Horizont 3: Wachstum durch Skalierbarkeit

Als Betreiber einer funktionierenden Plattform hat das Stadtwerk die strategische Option, über die Öffnung der Plattform für dritte Parteien diese weiter zu skalieren. Zum einen kann das Stadtwerk die Plattformfunktionalität weiteren Stadtwerken als „White Label“-Softwarelösung zur Verfügung stellen. Diese können dann ihre Smart Meter-Daten entsprechend vermarkten und geben dafür einen Teil ihrer Transaktionserlöse an das lizenzgebende Stadtwerk ab. Zum anderen hat das Stadtwerk die Option, weitere Anbieter relevanter Daten auf der Plattform zuzulassen, sodass sich das Angebot zusätzlicher attraktiver Services für Senioren und andere Haushalte erhöht.

Wenn eine kritische Masse erreicht ist, kann das Stadtwerk weitere Netzwerkeffekte befördern, indem es Programmierern technische Tools und Schnittstellen zur Verfügung stellt, die die Entwicklung neuer datenbasierter Services und die Vernetzung der Services untereinander vereinfachen.

Fazit

Der Smart Meter-Ausbau schreitet weiter voran. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit datenbasierter Geschäftsmodelle: Auf der Grundlage der Smart Meter-Daten von Haushalten, die über eine technische Plattform des Stadtwerks bereitgestellt werden, können Unternehmen ihre Dienstleistung besser erbringen oder gar neue anbieten. Wie die EY & BDEW Stadtwerkestudie 2020 zeigt, halten Energieversorger das Smart Metering für die wichtigste Technologie der digitalen Transformation.

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Von Metin Fidan

Partner, Europe West Green Transformation Leader and Europe West Mining & Metals Leader, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Sieht in der Dekarbonisierung, Digitalisierung, in der Dezentralisierung sowie in der Konvergenz vor allem Chancen für die Energiewirtschaft. Wandel ist für ihn eine Gestaltungsaufgabe.