Gewerbesteuerliche Hinzurechnung ausländischer Streubesitzdividenden

In der rückwirkend angeordneten Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen im Jahr 2001 sieht der BFH einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und legt daher die Rechtsfrage dem BVerfG vor.

Im Jahr 2001 unterlagen ausländische Streubesitzdividenden der Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG. Demzufolge wurden sie von der Bemessungsgrundlage ausgenommen. Nach dem ebenfalls ab EZ 2001 geltenden § 8 Nr. 5 GewStG werden Dividenden, die nicht in der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage enthalten waren, für Zwecke der Gewerbesteuer wieder hinzugerechnet (vorbehaltlich der Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG, die aber im konkreten Fall nicht erfüllt waren). Entsprechend unterlagen ausländische Streubesitzdividenden nach Hinzurechnung der vollen Gewerbesteuer. Dabei wurde die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG rückwirkend ab dem 01. 01. 2001 angeordnet (§ 36 Abs. 4 GewStG i.d.F. des UntStFG vom 20.12.2001). Strittig war, ob diese Rückwirkung im konkreten Fall gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt.

Laut BFH entfaltet § 8 Nr. 5 GewStG eine unzulässige (unechte) Rückwirkung für den konkreten Fall (Beschluss vom 07.02.2024, I R 36/23 (I R 5/18)). Daher legt der BFH dem BVerfG die Frage vor, ob eine unzulässige Rückwirkung vorliegt, soweit § 8 Nr. 5 GewStG auf Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften anwendbar ist, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12.12.2001 (Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Einfügung des § 8 Nr. 5 GewStG) verbindlich beschlossen wurden und vor diesem Zeitpunkt einer Körperschaft zuflossen, die unmittelbar oder mittelbar über ein inländisches Wertpapier-Sondervermögen mit weniger als 10 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt war.

Grundsätzlich ist die unechte Rückwirkung im Steuerrecht nicht unzulässig. Dennoch ist der Gesetzgeber verpflichtet, soweit er für künftige Rechtsfolgen an bereits ins Werk gesetzte Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung zu tragen. Im konkreten Fall hat der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11.12.2001 zur Einfügung des § 8 Nr. 5 GewStG das berechtigte Vertrauen in den Bestand der Steuerrechtslage für den davor liegenden Zeitraum nicht beseitigt. Auch war das Vertrauen des Steuerpflichtigen aufgrund des Zuflusses der Ausschüttungen vor dem 12.12.2001 besonders schutzwürdig. Die Anknüpfung an den Zufluss gewährleiste dabei eine einheitliche Behandlung solcher Rückwirkungsfälle unabhängig von der Methode der Einkünfteermittlung. Da der BFH keine Rechtfertigungsgründe für die unzulässige (unechte) Rückwirkung im Streitfall sah, setzte er das Verfahren aus und legte dem BVerfG die o.g. Frage vor. 

Die Frage, ob die durch die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG im EZ 2001 bestehende unterschiedliche Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage bei in- und ausländischen Streubesitzdividenden einen Verstoß gegen die unionsrechtlich geschützte Kapitalverkehrsfreiheit darstellte, hat der EuGH (dagegen) verneint (Urteil vom 22.06.2023, C-258/22, vgl. EY-Steuernachricht vom 06.07.2023).

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.

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