6 Minuten Lesezeit 31 März 2020
Zwei Frauen diskutieren stehend vor Laptop

Wie das Target Operating Model die Integration antreibt

Autoren
Maren Holtz

Partnerin International Tax and Transaction Services - Transfer Pricing, EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft | Deutschland, Schweiz, Österreich

Partnerin im Transaktionsbereich. Schafft es dank der flexiblen Arbeitszeitmodelle von EY Karriere und Familie zu vereinbaren. Begeisterte Mutter eine Tochter.

Dirk Braun

Leiter Working Capital Advisory Services | Deutschland

Liebt es, Geschäftsmodelle auf den Wandel abzustimmen. Vater von zwei Söhnen – und damit auch ohne Hobbies bestens ausgelastet!

6 Minuten Lesezeit 31 März 2020

Erst ein gemeinsames Operating Model setzt Visionen in operative Pläne um, führt zum Transaktionserfolg und verwirklicht Synergien.

Am Anfang einer Reise oder eines Projekts steht meist eine Idee, die zum ersten Schritt führt. Ob die Idee letztendlich realisiert wird, hängt von einer guten, detaillierten Planung ab. Je besser man sich absichert und mögliche Probleme einkalkuliert, desto sicherer klappt die Umsetzung. Ähnlich, wenn auch deutlich abstrakter und komplexer, laufen viele Unternehmens-Akquisitionen ab.

Auch hier steht am Anfang eine Vision. Gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit, Marktdominanz, globaler Ausbau oder Kostenreduktion sind nur ein paar Faktoren, die als strategische Ideen den ersten Schritt zum Deal auslösen. Egal, in welche Richtung es für ein Unternehmen dabei geht: Eine Transaktion soll immer zusätzlichen Wert schaffen, zum Beispiel in Form neuer Fähigkeiten oder Produkte, als Zugang zu neuen Kunden oder Märkten. Immerhin soll aus der Kombination etwas entstehen, das aus Unternehmens- und Investorensicht zusammen besser ist als die bisherigen Einzelteile. In der Deal Rational wird dargelegt, warum die Akquisition Werte schafft. 

Gut drei Viertel aller Unternehmen verwirklichen ihre erhofften Synergien bei der Akquisition nicht. Das heißt auch: Die strategischen Visionen werden letztendlich nicht in operative Maßnahmen überführt. 

Die Anfangs-Visionen scheitern oft

An dieser Stelle lenkt meist ein neues Ziel von den anfänglichen Ideen ab: das Signing, das nun greifbarer scheint und nach der Target-Auswahl so schnell wie möglich erreicht werden soll. Dabei wird oft auf eine detaillierte und ausgearbeitete Transaktionsstrategie verzichtet. Anstatt ein Day 1 Operating Modell auszuarbeiten, planen viele Unternehmen die Integration des Targets erst nach der Vertragsunterzeichnung, bisweilen auch erst nach dem Closing ein – und scheitern daher oft.

Gut drei Viertel aller Unternehmen verwirklichen ihre erhofften Synergien bei der Akquisition nicht. Das heißt auch: Die strategischen Visionen werden letztendlich nicht in operative Maßnahmen überführt. 

Wo soll die gemeinsame Reise hingehen?

Was fehlt, ist ein genauer Plan, der vorgibt, wohin die gemeinsame Reise gehen soll: ein Target Operating Model. Es stellt dar, wie das kombinierte Operating Model der fusionierten Unternehmen gestaltet und implementiert werden kann – und zwar lange vor dem Deal.

Das gemeinsame Target Operating Model steht im Kern der Integrationsplanung und treibt die Integrationsstrategie in die richtige Richtung, sozusagen als Wegweiser, um die Anfangs-Vision tatsächlich funktional umzusetzen. Es wird zum Blueprint für die Geschäftsvision. 

Das Target Operating Model wird bei den jeweiligen Prozessen zum Tool, das Transparenz erlaubt und beiden Parteien die Kommunikation erleichtert.
Dirk Braun
Leiter Working Capital Advisory Services | Deutschland

Vor allem aber vereint es Käufer und Target. Mögliche Wogen oder Missverständnisse werden früh geglättet, um das Geschäft nach Day 1 ohne Unterbrechung weiterführen zu können. Das nimmt den Druck und gibt die Chance, zusammen einen Weg zu finden, der für beide Seiten akzeptabel ist. Denn wer sein Target erfolgreich integrieren will, muss die bisher eigenständigen Operating Model so kombinieren, dass Sinn und Zweck der Transaktion unterstützt werden.

Dabei kann das gemeinsame Zielmodell unterschiedliche Formen annehmen – von Teil- über Vollintegration bis zur Ausgliederung mit weiterhin eigenen Bereichen. Und das Target Operating Model wird bei den jeweiligen Prozessen zum Tool, das Transparenz ermöglicht und damit beiden Parteien einen gewissen freien Handlungsspielraum lässt, der nach der Transaktion sonst nur noch schwer möglich ist.

Puffer für den Change Aspekt einer Transaktion

Das Target Operating Model wird auch zur Plattform für interne und externe Kommunikation. So beschäftigt es sich verstärkt und so früh wie möglich mit steuerlichen und rechtlichen Implikationen, um die bereits vor der eigentlichen Due Diligence mögliche Effekte antizipieren zu können. Selbst wenn an diesem Punkt nur ein Bruchteil der Zahlen und Finanzdaten vorliegt, liefern erste Einsichten oft wichtige Impulse. Bei komplizierten Steuer-Sachverhalten, neuen Regulierungen oder länderübergreifenden Konstellationen kann das in der Zeit nach dem Deal erhebliche finanzielle Vorteile bringen. 

Und auch der extreme Change Aspekt einer Transaktion erhält so einen Puffer. Eine Unternehmensübernahme erzeugt generell große Unsicherheit bei den Angestellten: Mitarbeiter wissen nicht, wie es nach der Akquisition weitergeht und ob die eigenen Fähigkeiten langfristig überhaupt noch gebraucht werden. Je genauer das gemeinsame Operating Model ausgearbeitet und abgestimmt ist, desto schneller finden sich wichtige Key-Player – aber auch Stellen, die keine Zukunft haben, werden offensichtlich. Das schafft Klarheit und ermöglicht fließenden Austausch, ohne disruptiv zu sein.

Die sechs Bereiche des Target Operating Model

  • Prozesse: Im Inneren des Operating Models stehen die Value Chains des Unternehmens sowie der Integrationsgrad. Handelt es sich um einen Share oder Asset Deal? Soll das Target autark bleiben? Was wird produziert, was verkauft? Soll beispielsweise ein Start-up mit innovativen Produkten gekauft werden, um die eigene Palette zu revolutionieren? Oder wird ein Konkurrent anvisiert, der in Ländern aktiv ist, in die man selbst eindringen will? Vielleicht kauft man aber auch einen Wettbewerber, um dessen Kapazität vom Markt zu nehmen.

  • Governance und Organisation: Wie können die beiden Operating Model zusammengebracht werden? Welche Verantwortlichen braucht man, um die Prozesse auszuführen oder Fähigkeiten bereitzustellen? Mit welchen Lieferanten arbeitet das Unternehmen dann? Und wie gut ist es in einzelnen Bereichen aufgestellt?

  • Systeme, Technologien und Infrastruktur: In diesen Bereich fällt auch das immer wichtiger werdende IT-Umfeld. Es geht um Informationssysteme oder standortübergreifende Verknüpfungen, die zur Unterstützung der Prozesse erforderlich sind.

  • Standorte, materielle und immaterielle Vermögenswerte: In welchen Ländern, Regionen oder Städten will das Unternehmen aktiv sein? Was braucht es an Ressourcen wie Gebäuden, Maschinen oder Logistikzentren? Wie sieht der zukünftige Vertrieb aus? Ein frühzeitiges Bild erleichtert Mitarbeitern wie Kunden die Umstellung.

  • Transaktionsmodell und Verträge: Hier spielt der steuerliche Aspekt eine große Rolle. Wo sind die neuen Verpflichtungen? Gibt es Verflechtungen? Ebenso muss vertraglich geregelt werden, wer von wem kauft oder wer wen beliefert. Wichtig ist auch die Frage: Wer nutzt welche immateriellen Vermögenswerte und wem gehören diese?

  • Corporate-Tax- und Legal-Entity-Struktur: Wie lassen sich Strukturen vereinfachen und Synergien nutzen? Wie erfolgt die Integration aus rechtlicher und steuerlicher Sicht?

Die letzten drei Punkte sind grundlegend für eine frühe Erkennung eventueller steuerlicher Überraschungen und zur Risikokontrolle. Vor allem das Thema Globalisierung erschwert die Prozesse: Transaktionen werden immer komplexer und Mitarbeiter sitzen oft in verschiedenen Ländern und arbeiten gemeinsam an grenzüberschreitenden Projekten. 

Eine (zu) späte Reaktion kann im schlimmsten Fall zum Scheitern der Transaktion führen. Andererseits können Steuern einen immensen Mehrwert und große Chancen bieten – wenn sie richtig und zeitnah analysiert werden.
Maren Holtz
Partnerin International Tax and Transaction Services - Transfer Pricing, EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft | Deutschland, Schweiz, Österreich

Steuerlich sind heute daher oft Auswirkungen in einer Vielzahl von Ländern zu verstehen – hinzu kommen geopolitische Einflüsse wie Brexit, Sanktionen oder Veränderungen in der Digitalbesteuerung. Eine (zu) späte Reaktion kann im schlimmsten Fall zum Scheitern der Transaktion führen. Andererseits können Steuern einen immensen Mehrwert und große Chancen bieten – wenn sie richtig und zeitnah analysiert werden.

Zum Problem wird dieser Bereich, wenn Auflagen oder Änderungen durch das neue Operating Model nicht rechtzeitig erkannt werden und man nach dem Deal zwar gemeinsam, aber ohne Struktur handelt. Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es auf beiden Seiten Verträge, die das nicht einfach so zulassen und z. B. entsprechende Ausgleichszahlungen notwendig machen. Um diese Situation aktiv zu gestalten, müssen diese jedoch im ersten Schritt erkannt werden.

Maßgabe einer jeden Transaktion: Je früher, desto besser

Es gilt: früh anfangen! Je zeitiger man sich austauscht, desto fundierter wird die Planung. Das Target Operating Model funktioniert quasi wie ein Schneeball, der am Anfang lediglich aus der strategischen Vision des Käufers besteht und durch stetig hinzukommende Informationen immer größer und aussagekräftiger wird.

Da sich der Informationsfluss im Verlauf des Transaktionsprozesses erweitert, werden so ständig weitere Informationen über das Target aufgenommen. Das fängt bereits vor der Due Diligence an und geht mit dem Datenraum-Zugang weiter bis hin zu einer exklusiven Verhandlungsphase. So lernt man nicht nur sein Target, mögliche Probleme oder Chancen kennen, sondern sichert sich ab und behält die eigene Vision – aber vor allem den Erfolg – immer vor Augen. 

Fazit

Das Target Operating Model ist Wegweiser und Blueprint für die Geschäftsvision. Es eint Käufer und Target schon lange vor der Transaktion, hilft bei der fließenden Kommunikation und managt mögliche Steuer-Risiken – so werden strategische Ideen ab Day 1 in operative Pläne umgesetzt.

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Maren Holtz

Partnerin International Tax and Transaction Services - Transfer Pricing, EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft | Deutschland, Schweiz, Österreich

Partnerin im Transaktionsbereich. Schafft es dank der flexiblen Arbeitszeitmodelle von EY Karriere und Familie zu vereinbaren. Begeisterte Mutter eine Tochter.

Dirk Braun

Leiter Working Capital Advisory Services | Deutschland

Liebt es, Geschäftsmodelle auf den Wandel abzustimmen. Vater von zwei Söhnen – und damit auch ohne Hobbies bestens ausgelastet!