5 Minuten Lesezeit 16 Juli 2021
Frau probiert etwas vor einem Spiegel an

Warum für Händler das Kundenvertrauen unersetzbar ist

Autoren
Andreas Teller

Partner, Consumer Products & Retail, EY Strategy & Transactions GmbH I Deutschland

Vollblut-Stratege. Vorausschauender Denker und Macher. Gemeinsam für die Sache. Immer das Ziel vor Augen – nicht nur als Sportler und Triathlet.

Kerstin Lehmann

Partnerin, Retail, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Strategin. Innovative Denkerin. Spricht Klartext. Engagierte Dozentin und Mentorin. ÖPNV-Superheldin.

5 Minuten Lesezeit 16 Juli 2021

Ein Vertrauensverlust ist für den Handel immer auch ein Kundenverlust. Nach der Pandemie gilt es nun, auch stationär wieder zu überzeugen.

Überblick
  • Die deutschen Konsumenten haben ihr Einkaufsverhalten während der Pandemie geändert, wie eine aktuelle EY-Befragung zeigt.
  • Gegenüber dem wachsenden Onlinehandel muss der stationäre Ladenbesitzer mit der Vertrauenskarte bei seinen Kunden punkten.
  • Händler sollten die Erwartungen der zurückkehrenden Kunden erfüllen. Dabei ist motiviertes Personal der entscheidende Faktor.

Covid-19 hat unser Einkaufsverhalten in vielen Bereichen grundlegend verändert. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen der regelmäßigen EY-Befragung Future Consumer Index wider: 77 Prozent der Konsumenten gaben an, dass sich die Art, wie sie einkaufen, geändert hat. 60 Prozent der Befragten kaufen andere Produkte als vor der Pandemie. Mehr als ein Drittel beabsichtigt, auch zukünftig mehr online einzukaufen und Filialen nur noch zu besuchen, wenn diese ein besonderes Erlebnis bieten. Gerade die starke Kanalverschiebung zeigt sich im zum Teil exponentiellen Online-Wachstum in Branchen, die bis dato quasi vollständig oder überwiegend stationär geprägt waren (siehe dazu auch unsere Publikation zum Thema Online Lebensmittelhandel).

Bei all dieser Veränderung gibt es jedoch eine starke Konstante: Das Vertrauen in einen Händler hat auch im Jahr 2021 weiterhin den größten Einfluss auf die Gesamtbeurteilung und damit auf die Zufriedenheit der Konsumenten,– wie das EY-Parthenon-Performance-Ranking 2021 zeigt. Ein möglicher Vertrauensverlust ist somit ein erhebliches Risiko für jedes Handelsunternehmen und führt neben dem Imageschaden unweigerlich zu Kundenverlust.

Die Vertrauensbestätigung ist aktuell insbesondere für stationäre Händler wichtig, die aufgrund der Lockdown-Phasen und zahlreichen Corona-Auflagen zwangsläufig schon Kundinnen und Kunden an die Onlinekonkurrenz verloren haben. Zwar atmen die Ladenbesitzer langsam wieder auf, weil die Corona-Einschränkungen immer weiter zurückgefahren werden. Zudem entfällt vielerorts die Testpflicht und die Konsumenten zieht es auch bei Hitze in die Innenstädte mit ihren Geschäften und Cafés. Allerdings bedeutet es auch, dass Händler gerade jetzt mit ihrem Leistungsversprechen und allen Elementen, die Vertrauen schaffen und bestätigen, überzeugen müssen – und das bei immer noch hoher Unsicherheit und volatilen Kundenfrequenzen.

Mit persönlichem Service auf der Fläche überzeugen

Doch gerade jetzt, wenn die Konsumenten zurück sind, zählt es für die stationären Händler: Es gilt, positiv zu überraschen und den Shoppingwilligen zu zeigen, worauf sie während der Beschränkungen verzichten mussten und warum es ein gutes Gefühl ist, wieder vor Ort in den Läden einzukaufen. Meist zieht es Kunden zunächst wieder in die Geschäfte, zu denen das Vertrauen auch vor der Pandemie schon am größten war – und hoffentlich noch ist. Gerade hier ist Aufmerksamkeit geboten, da über die Zeit gegebenenfalls vor allem die positiven Eindrücke in Erinnerung geblieben sind. Die Gefahr der Enttäuschung ist damit besonders groß, wenn eine hohe Erwartungshaltung aus leicht glorifizierter Vergangenheit und möglicherweise auch übertriebenen Ansprüchen an den ersten Shoppingtrip „nach Corona“ auf noch überforderte Händler trifft.

Denn 30 Prozent aller Konsumenten haben schon einmal das Vertrauen in einen Händler verloren. Betrachtet man die Gründe für den Vertrauensverlust, liegt es häufig nicht am Sortiment oder den Preisen. In knapp 50 Prozent aller Fälle hat der Vertrauensverlust einen unmittelbaren Bezug zum Personal und dem damit verbundenen Service auf der Fläche. Dies ist umso gravierender, als guter persönlicher Service eine der wenigen verbleibenden Stärken des stationären Handels im Wettbewerb mit dem Onlinekanal ist.

Ohne motiviertes Personal wird es schwer, das Kundenvertrauen zurückzugewinnen

Der große Einfluss des Personals auf der Fläche macht deutlich: Wenn eine kompetente Beratung Kundinnen erneut an ihre bevorzugten Händler binden kann, dann kann auch unfreundlicher, schlechter oder fehlender Service dieses Vertrauen ebenso schnell zunichtemachen.

Konsumenten nehmen diese Unterschiede sehr deutlich wahr: In der EY-Studie liegen die Bewertungen für die Filialteams branchenübergreifend und ohne Berücksichtigung von Discountformaten mit ganzen 25 Indexpunkten deutlich auseinander. Betrachtet man die Top-Platzierungen je Branche wundert es nicht, dass die Händler in den Kategorien Schmuck (Top-Händler mit 72 Punkten) sowie Sport und Outdoor (Top-Händler mit 68 Punkten) mit umfangreichen Beratungskonzepten gute Werte erzielen. Währenddessen fallen die Werte im Non-Food (Top-Händler mit 56 Punkten) oder Lebensmitteleinzelhandel (Top-Händler mit 58 Punkten) etwas schlechter aus. Überraschend ist jedoch, dass gerade in den Bereichen Bekleidung (Top-Händler mit 63 Punkten) oder Elektronik (Top-Händler mit 60 Punkten) die Zufriedenheitswerte deutlich unter den Bereichen von Schmuck oder Sport und Outdoor liegen.

Top-Wert

72

Punkte erreichen die besten Händler.

In einigen Branchen scheint es Beratungs- und Servicekonzepte zu geben, die besonders gut funktionieren. Denn der Abstand zwischen den besten und schlechtesten Händlern ist vergleichsweise groß. Das trifft zum Beispiel auf die Bereiche Sport und Outdoor (circa 8 Punkte), aber insbesondere auch den Bekleidungsbereich (circa 12 Punkte), zu. Die Abstände sind, basierend auf einer 100er-Skala, erheblich und entscheiden – gerade jetzt, wo es darauf ankommt – über die Daseinsberechtigung einzelner Händler. Hier müssen die betroffenen Ladenbesitzer zügig nachbessern und ihr Beratungskonzept überarbeiten.

In anderen Branchen, wie zum Beispiel den Baumärkten (circa 4 Punkte Abstand) oder Elektronik (circa 5 Punkte Abstand), liegen die Zufriedenheitswerte mit dem Personal auf der Fläche eher nah beieinander. Doch das Gesamtniveau bietet noch Verbesserungspotenzial. Hier besteht die Chance zur Differenzierung über ein gutes Beratungskonzept. Denn Händler sollten sich nicht in der trügerischen Sicherheit wiegen, dass alle Wettbewerber nah beieinander liegen.

Auch Händler mit Onlineherkunft scheinen den Wert guten Personals auf der Fläche erkannt zu haben und konnten sich hier im letzten Jahr verbessern. So befinden sich mit einem Schmuckhändler (+10 Indexpunkte) und einem Möbelanbieter (+7 Indexpunkte) zwei Unternehmen mit Onlinewurzeln unter den Top-5-Händlern mit der größten Verbesserung in dieser Dimension.

Allerdings mussten Händler ihren Mitarbeitern in den letzten Monaten bereits sehr viel abverlangen: Kurzarbeit, Flexibilität und Spontanität bezüglich Arbeitszeiten, Entwicklung von Lösungen für Vorschriften, wie und unter welchen Umständen geöffnet werden darf, Hygieneauflagen und viel Unsicherheit mit Blick auf die Zukunft. Viele Teams sind zu Recht müde und erschöpft. Handelsunternehmen müssen daher viel Aufmerksamkeit auf die Wertschätzung ihres Personals legen. Dafür brauchen sie Konzepte, wie Motivation wieder entstehen und wachsen kann. Wenn die Filialteams Freude daran haben, die Kundinnen und Kunden mit einem Lächeln zu empfangen, kann das Vertrauen in den stationären Handel bekräftigt oder zurückgewonnen werden.

Fazit

Vertrauen ist die kostbarste Währung im Handel. Nur wenn Kunden einem Unternehmen vertrauen, kaufen sie dort gern und regelmäßig ein. Deswegen ist es gerade für den stationären Handel essenziell, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihrer Zielgruppe nach der Corona-Pandemie neu aufzubauen. Dafür müssen konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um aus den Pre-Covid-19-Kunden wieder Stammkunden zu machen. Ein erster Schritt sollte die positive Motivation der Mitarbeiter sein. Denn der direkte persönliche Kontakt ist ein entscheidender Faktor beim Thema Kundenbindung.

Über diesen Artikel

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Andreas Teller

Partner, Consumer Products & Retail, EY Strategy & Transactions GmbH I Deutschland

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Kerstin Lehmann

Partnerin, Retail, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Strategin. Innovative Denkerin. Spricht Klartext. Engagierte Dozentin und Mentorin. ÖPNV-Superheldin.