Omnichannel-Händler können beim digitalen Kauferlebnis immer noch nicht mit reinen Online-Händlern mithalten.
Zum anderen hinken die Omnichannel-Händler in ihrem Online-Kauferlebnis immer noch deutlich hinterher. Zwar haben auch sie im letzten Jahr weiter stark in ihre digitale Präsenz sowie Online-Shopping-Funktionalitäten investiert und sich in der Bewertung seit 2018 um beachtliche 5,2 Punkte verbessert, allerdings reicht dies noch nicht zum Aufschließen auf sowohl das eigene stationäre Shoppingerlebnis, das immer noch mit 1 Punkt leicht vorne liegt, oder gar auf das Online-Shoppingerlebnis der reinen Onliner, das mit über 6 Punkten Abstand nach wie vor in einer anderen Liga spielt.
Angesichts weiterhin angespannter Finanzlagen bei vielen Omnichannel-Händlern wird es damit wohl auf eine Verstärkung oder Priorisierung der Investitionen hinauslaufen müssen: Vertrauen auf die Rückkehr der Innenstädte und Zentren bei schlechterem Online-Angebot oder richtiger Aufschluss zu den Onlinern, auch auf Kosten des angestammten stationären Geschäfts. Omnichannel-Händler benötigen einen klaren Fokus statt halbgarer Lösungen.
Nachhaltigkeit bleibt Nachzügler
Nachhaltigkeit, vor zwei Jahren das erste Mal im EY-Parthenon-Performance-Ranking abgefragt, ist offenbar noch keine Stärke des Handels. Das Kriterium liegt im diesjährigen Ranking leicht verbessert mit durchschnittlich 54,5 Punkten nur im Mittelfeld.
Dabei wird Nachhaltigkeit nicht nur aus regulatorischer Sicht für Händler unumgänglich, sondern auch in der Erwartung der Konsument:innen. So geben nur rund ein Drittel der Befragten an, dass Nachhaltigkeit gar keinen Einfluss auf die Auswahl des Händlers hat. Bei allen anderen Befragten beeinflusst Nachhaltigkeit diese Entscheidung – und knapp ein weiteres Drittel ist auch bereit, für Nachhaltigkeit leicht höhere Preise in Kauf zu nehmen. Diese Haltung findet sich quer durch alle Altersgruppen und Einkommensklassen.

Allerdings gibt es zwischen den Kundensegmenten Unterschiede bei der Preisbereitschaft – vor allem zwischen den Segmenten „Planet First“ und „Affordability First“. In Ersterem würden beispielsweise in der Kategorie Bekleidung 46 Prozent der Konsument:innen für Nachhaltigkeit einen höheren Preis in Kauf nehmen. Bei den Preisbewussten trifft das mit 18 Prozent auf weniger als ein Viertel zu.
Interessant ist aber, dass bei Lebensmittel-Lieferdiensten sowie Sport- und Outdoor-Artikeln die Preisbereitschaft für Nachhaltigkeit in allen Segmenten deutlich gestiegen ist und selbst bei den „Affordability First“-Kund:innen mit immerhin 27 beziehungsweise 30 Prozent angegeben wird.

Dies ist in zweierlei Hinsicht spannend: Zum einen zeigt es, dass die übliche Hypothese, Nachhaltigkeit hänge im Lebensmittelsegment am Sortiment, nicht ganz zutrifft. Wahrgenommene Nachhaltigkeit scheint deutlich stärker über das Format zugeschrieben zu werden. Es lässt sich sicherlich trefflich diskutieren, ob diese wahrgenommene höhere Nachhaltigkeit von Lieferdiensten einem faktenbasierten Vergleich standhält – aber selbst wenn der Unterschied nicht so groß wäre, scheinen die Lieferformate zumindest in puncto Kommunikation deutlich wirkungsvoller zu agieren als die stationären Lebensmittelhändler.
Das Engagement von auf Nachhaltigkeit bedachten Händlern wird von vielen Konsument:innen unscharf wahrgenommen.
Der zweite interessante Punkt: Sowohl die Bewertungen der einzelnen Sektoren und Händler als auch die genannte zusätzliche Preisbereitschaft zeigen, dass Konsument:innen vielfach noch recht eigentümliche Vorstellungen davon haben, was nachhaltig ist und was nicht. Diese unscharfe Wahrnehmung von Nachhaltigkeitsaktivitäten stellt eine Hürde für engagierte Händler in diesem Bereich dar.
Für Händler bleiben damit zwei Herausforderungen: zum einen Nachhaltigkeit nicht nur als regulatorische Anforderung, sondern als unvermeidlichen und zu definierenden Punkt des eigenen Leistungsversprechens anzunehmen, zum anderen die Aufgabe, das wie auch immer gewählte Nachhaltigkeitsversprechen so zu kommunizieren, dass es in der Konsumentenwahrnehmung nicht nur ankommt, sondern auch richtig verortet wird.
Co-Autor: Jan Sauerbrey
Fazit
Das EY-Parthenon-Performance-Ranking 2022 zeigt, dass die Händler im Vergleich zum Vorjahr insgesamt in der Gunst der Konsument:innen gestiegen sind. Allerdings wird auch deutlich, dass es in einzelnen Bereichen noch offenkundiges Verbesserungspotenzial gibt. So bleibt der Einkaufsspaß vornehmlich ein Steckenpferd der Online-Händler, während sich Omnichannel-Händler um einen klaren Fokus bemühen sollten. Zudem wird das Engagement von Händlern, die sich um Nachhaltigkeit bemühen, noch nicht von der breiten Masse der Konsument:innen erfasst.