Auch Strafrichter würdigen es, wenn Unternehmen ein Tax CMS vorweisen können.
Leitfaden für Finanzbeamte und Strafrichter
Für Finanzbeamte, die zwischen der Berichtigung von Steuererklärungen nach § 153 AO und einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO abwägen müssen, ist das BMF-Schreiben vom Mai 2016 eine handfeste Entscheidungshilfe. Auch Strafrichter würdigen es, wenn Unternehmen ein Tax CMS vorweisen können.
So bestätigte der Richter des 1. Strafsenats am Bundesgerichtshof, Prof. Dr. Markus Jäger, dass derjenige, der die Steuererklärung gestützt auf funktionierende innerbetriebliche Organisationsprozesse unterschreibt, eine Angabe nach bestem Wissen und Gewissen macht und in diesem Fall für ein Steuerstrafverfahren kein Raum mehr besteht.
Das Landgericht München I stellte bei einem Verfahren (5HK O 1387/10) fest: „Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet.“
Individuelle Unterschiede und Risiken
Die Erfahrung nach mehr als drei Jahren zeigt, dass es bei der Beratung, Umsetzung und Implementierung von Tax-CMS-Projekten keine allgemeingültige Lösung gibt – dafür ist die Unternehmenslandschaft in Deutschland zu unterschiedlich. Gleichwohl gibt es einheitliche Standards für die Anforderungen an ein Tax CMS. Die in der Grafik dargestellten sieben Elemente geben den Rahmen vor und sind von jedem Unternehmen zu berücksichtigen. Die Unterschiede in der Praxis liegen in der Vielzahl, dem Umfang und der Komplexität der organisatorischen Maßnahmen.
Die Besonderheiten eines Unternehmens und der unterschiedliche Reifegrad der Steuerfunktion erfordern eine umfassende Soll-Ist-Analyse. Idealerweise erfolgt die Analyse in enger Anlehnung an bewährte Compliance-Management-Methoden, um das konkrete unternehmensindividuelle Risikoprofil für jeden (Teil-)Prozess zu ermitteln.
Die Risiken sind anhand einer potenziellen Schadenshöhe und einer abzuschätzenden Eintrittswahrscheinlichkeit festzustellen und in einer Risiko-Kontrollmatrix festzuhalten. Aus dieser Analyse ergibt sich, an welcher Stelle innerhalb des Unternehmens welche Grundsätze, Maßnahmen oder Kontrollen gegebenenfalls zu ergänzen sind.
Wirksamkeit nur im integrierten System
Die Individualität eines Tax CMS ergibt sich in der Praxis aus unterschiedlichen Geschäftsmodellen, Branchenbesonderheiten, Ökosystemen, dem Grad der Globalisierung oder auch historisch gewachsenen Strukturen. Alle Faktoren beeinflussen die steuerdeklaratorischen Herausforderungen in den verschiedenen Steuerarten.
Die Gesamtheit von Einzelmaßnahmen wie Steuerrichtlinien, Prozessdokumentationen, Schulungskonzepten, digitalen Lösungen oder Kontrollen ist nur wirksam, wenn diese vollständig sind und die einzelnen Bestandteile in einem integrierten System zusammenwirken. Exemplarisch hierfür ist Grundelement sieben aus dem IDW PS 980 Standard zu nennen.
Im Kern geht es hier um die Überwachung der Prozesse und Kontrollen im Regelbetrieb. Die zentrale Frage lautet: Wie kann sichergestellt werden, dass in Richtlinien, Arbeitsanweisungen und dergleichen enthaltene Vorgaben im laufenden Betrieb auch umgesetzt werden?
Herausforderung Datenqualität
Wenn eine solche Überwachung nicht oder in nur unzureichender Form durchgeführt wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass andere getroffene organisatorische Maßnahmen greifen. Für eine wirksame Überwachung sind entsprechende personelle und technische Ressourcen erforderlich.
Die größte Herausforderung besteht darin, die erforderliche Datenqualität zu erreichen.
Die größte Herausforderung besteht jedoch darin, die erforderliche Datenqualität zu erreichen. In der betrieblichen Praxis können viele Zahlen, Daten und Fakten nicht automatisch aus den Systemen zugeordnet und entnommen werden. Das liegt mitunter daran, dass im Rahmen der Buchhaltung und Bilanzierung die Steuererklärung nicht die alleinige Zwecksetzung ist und steuerliche Anforderungen, zum Beispiel bei der Gestaltung von Kontenrahmen, zumindest nicht vollumfänglich berücksichtigt werden können.
Natürlich führt dieser Umstand nicht unmittelbar dazu, dass gegen steuerliche Compliance-Anforderungen verstoßen wird. Er vergrößert jedoch den Aufwand und die Fehleranfälligkeit, da manuelle Nebenrechnungen erforderlich sind.
Automatisierung und Personalprofile
Ein Ausweg aus diesem Dilemma sind möglichst hohe Standardisierungs- und Automatisierungsgrade, damit ein Unternehmen die Anforderungen an ein wirksames Tax CMS mit vertretbaren Mitteln erfüllen kann. Der Schlüssel dazu liegt am Beginn des Prozesses, denn hier werden die Weichen dafür gestellt, welche Qualität die Daten für die steuerlichen Erklärungen haben und wieviel händischer Nachbearbeitungsaufwand im weiteren Verlauf erforderlich ist, der in der Regel auch höhere Fehlerrisiken nach sich zieht. Nach aller Erfahrung kommen auf viele Unternehmen, die ein Tax CMS aufbauen wollen, Investitionen in technische Lösungen und Prozesse zu.
Der Wandel von der Sachbearbeitung und dem mühevollen Zusammentragen von erforderlichen Informationen für die Steuererklärung hin zu einer Steuerungs- und Überwachungsrolle für vorgelagerte Prozesse ist nicht einfach. Er erfordert zumindest teilweise eine andere persönliche und fachliche Qualifikation der Mitarbeiter von Steuerabteilungen in den Unternehmen. Die Rekrutierung und Ausbildung von Personal mit neuem Anforderungsprofil entpuppt sich dabei als weitere Herausforderung.
Fazit
- Die Einrichtung und der laufende Betrieb eines Tax CMS ist eine notwendige Maßnahme, um Unternehmen und Unternehmensvertreter vor Sanktionen zu schützen.
- Die Einrichtung eines Tax CMS muss den individuellen Rahmenbedingungen und Strukturen eines Unternehmens Rechnung tragen. Dennoch gibt es Standards, die es zu erfüllen gilt und die in jedem Unternehmen gelten müssen.
- Ein Tax CMS ist ein geschlossenes System, in dem unternehmensindividuell alle Einzelkomponenten sinnvoll ineinandergreifen.
- Effiziente Abläufe sind nur durch einen hohen Standardisierungs- und Automatisierungsgrad zu erreichen. Dies setzt eine gute Datenqualität und einen angemessenen Umfang systemseitig verfügbarer steuerlicher Daten voraus.
- Spezifische Softwarelösungen können als integraler Bestandteil des Enterprise Resource Planning (ERP) oder als zusätzliche Bausteine erforderlich sein, um mit dem ERP-System sinnvoll zu interagieren.