7 Minuten Lesezeit 11 April 2023
Blick direkt auf die Skyline des Financial District im Zentrum Londons

EMIR REFIT – warum die nächsten Monate entscheidend sind

Von Christian Rump

Director Banking & Capital Markets, EY Consulting GmbH | Deutschland

Spezialist für Technologie- und Transformationsprojekte – von Digitalisierung über Kosteneffizienz bis hin zu Nachhaltigkeit; genießt in seiner Freizeit Zeit mit der Familie, Sport und Reisen.

7 Minuten Lesezeit 11 April 2023

Die neuen EMIR-REFIT-Vorgaben beinhalten wesentliche Änderungen in der Transaktionsmeldung für das Derivategeschäft.

Überblick
  • Mittels der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) sollen systemische Risiken im europäischen Derivatemarkt eingedämmt werden.
  • Die EMIR-Überarbeitung REFIT (Regulatory Fitness and Performance Programme) erhöht die Komplexität der Reports an die Transaktionsregister.
  • Der dadurch erhebliche Mehraufwand verlangt von den Marktteilnehmern eine frühzeitige Vorbereitung.

Seit dem 12. Februar 2014 unterliegen sowohl börsengehandelte als auch OTC-Derivate unabhängig von der Einstufung der Gegenparteien einer Meldepflicht. Die Geschäfte müssen nicht später als einen Arbeitstag nach Abschluss, Änderung, Novation, Auflösung, Kündigung etc. an ein in der Europäischen Union (EU) von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zugelassenes Transaktionsregister gemeldet werden.  

Seit Inkrafttreten sind die Meldepflichten durch Änderungen an den RTS (Regulatory Technical Standards), den ITS (Implementing Technical Standards), den Validation Rules und in den Q&A zur Implementierung der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) laufend angepasst und oftmals erweitert worden.

Im Rahmen von EMIR REFIT hat die EU-Kommission die entsprechenden neuen RTS und ITS am 7. Oktober 2022 verabschiedet. Damit hat die 18-monatige Übergangsfrist zur Implementierung begonnen. Die Anwendung der neuen Anforderungen wird ab dem 29. April 2024 verpflichtend. Neben der genannten Implementierungsfrist sind Bestandsgeschäfte innerhalb von sechs Monaten nach Start der Anwendbarkeit, also bis zum Oktober 2024, zu aktualisieren und spätestens ab diesem Zeitpunkt unter Beachtung der neuen Standards zu melden. Falls es vorher zu meldepflichtigen Änderungen an den Bestandsgeschäften kommt, so sind diese ebenfalls bereits im neuen Format zu melden.

zeitschiene grafik

Technische Herausforderungen

Unter dem allgemeinen Ziel von EMIR, den börslichen, aber insbesondere den außerbörslichen Derivatehandel transparenter und sicherer zu gestalten, hat sich durch EMIR REFIT, das Regulatory Fitness and Performance Programme, die Komplexität der Reports an die Transaktionsregister erhöht. Unter anderem auf der Basis globaler Leitlinien zu kritischen Datenelementen, entwickelt von der sogenannten Harmonisierungsgruppe bestehend aus dem Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI) und der International Organization of Securities Commissions (IOSCO), wurde die Anzahl der zu meldenden Felder von 129 auf 203 erhöht. Es wurden – unter anderem in den Datenkategorien Sicherheiten, Preis und Produktdetails und im Bereich der komplexen Finanzinstrumente – 77 Datenfelder ergänzt, 67 angepasst und drei gelöscht. Lediglich 59 Datenfelder bleiben unverändert bestehen.

Die Änderungen betreffen zum einen die Kontrahentenstammdaten und die Rahmendaten, aber auch in einem erheblichen Umfang die meldepflichtigen Felder zur Meldung von Sicherheiten. Hierbei werden die Sicherheiten nach Art (Variation Margin, Initial Margin, Excess Collateral), der Richtung (erhalten vs. gestellt) und der Bewertung (Pre- vs. Post-Haircut) unterteilt. Dieser zusätzliche Datenbedarf bei der Erstellung der Reports für die Transaktionsregister wird nach intensiver Analyse zu einer Anpassung von Schnittstellen bei Systemen und Datenbanken führen, wobei bereits vorhandene Schnittstellen zu anderen EU-Regulierungen berücksichtigt werden sollten.

Die Meldepflicht der Datenfelder gilt unter anderem für alle Abschlüsse, Änderungen und Beendigungen von Derivatekontrakten und für das Clearing von Geschäften. Weiterhin sind in Abhängigkeit von der Einstufung der Gegenpartei auch Bewertungen und Sicherheiten zu melden. Dies bleibt im Vergleich zur heutigen Meldepflicht im Kern unverändert, jedoch sind die neuen, nachfolgend erläuterten Meldelogiken zu beachten.

Komplexe Meldelogik

Durch EMIR REFIT wurden die für das Reporting von derivativen Lifecycle-Events relevanten Ausprägungen des Feldes „Action Type“ angepasst und das Feld „Event Type“ wurde hinzugefügt. Das Reporting beider Felder in Kombination ermöglicht Aufsichtsbehörden einen deutlich besseren Einblick in die bestehenden Geschäftsvorfälle, erhöht jedoch auch die Komplexität der zu implementierenden Meldelogik.

Das Feld „Action Type“ legt weiterhin offen, ob ein Geschäft neu erzeugt, modifiziert, korrigiert oder geschlossen wurde. Zudem wurden die Action Types „Revive“ und „Margin Update“ ergänzt sowie der Action Type „Compression“ entfernt. Mittels der Verwendung des Action Type „Position Component“ und des Event Type „Inclusion in Position“ werden künftig zusammenhängende Trades gebündelt und anhand einer Subsequent Position UTI (Unique Trade Identifier) identifiziert, was eine Portfoliobildung in Form einer 1-zu-n-Beziehung ermöglicht.

Insgesamt können neun verschiedene Action Types und zwölf Event Types, die mittels Ausprägungen wie „Trade“, „Clearing“ und „Credit Event“ mehr Transparenz zum Lifecycle-Event schaffen, gewählt werden. Die folgende Tabelle zeigt die 56 möglichen neuen Meldekombinationen der Action und Event Types auf – im Rahmen der weiteren Detaillierung seitens der ESMA durch FAQ wird mit einer finalen Darstellung gerechnet:
 

mogliche kombinationen

Meldeformat

Zur weiteren Harmonisierung der Meldestandards hat die ESMA beschlossen, dass künftig für die Übermittlung der Daten an ein Transaktionsregister, wie bei den Datenübermittlungen im Rahmen der Verordnungen MiFIR und SFTR, das ISO-20022-XML-Format verwendet wird. Dies ermöglicht präzisere Datenstandards und -formate. Die Umsetzung stellt jedoch für Unternehmen, die derzeit mit CSV oder anderen Formaten arbeiten, eine Herausforderung dar.

Ein weiteres Ziel im Rahmen von EMIR REFIT ist die Verbesserung des Matchings und Abgleichs von Transaktionsdaten der Gegenparteien. Dies erfolgt mithilfe der UTI und der LEI  (Legal Entity Identifier) beider Kontrahenten, die als kritische Datenelemente in der Transaktionsregistermeldung definiert sind und von beiden Parteien gemeldet werden müssen. Die Generierung des UTI als eindeutige Handelsgeschäftskennung orientiert sich hierbei grob an dem von CPMI IOSCO im Jahr 2017 vorgeschlagenen UTI-Wasserfall und sieht folgendermaßen aus:

uti wasserfall

Dieses Wasserfallmodell regelt auch bei grenzüberschreitenden Geschäften, wer für die Generierung der UTI verantwortlich ist und diese Information zeitnah der Gegenpartei mitteilen muss. Auf bilaterale Vereinbarungen zurückzugreifen wird künftig nur noch unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sein.

Dies soll zu einer Optimierung der gemeinsamen Nutzung der UTI durch die beteiligten Parteien beitragen und Fehler beim Reporting und Matching reduzieren.

Fachliche und prozessuale Herausforderungen

  • Reportingpflichten und Delegated Reporting

    Die neuen Regelungen bieten Non-Financial Counterparties (NFCs) eine gewisse Entlastung, sofern deren Handelsvolumina unterhalb der Clearingschwellen der einzelnen Derivateklassen liegen (Einstufung als sogenannte NFC–). In diesen Fällen liegt die Meldepflicht beim entsprechenden Financial Couterparties (FCs). Es steht den NFC– jedoch frei, auch selbst die Meldung an ein Transaktionsregister vorzunehmen. Dies dürfte sich insbesondere für NFC–, die bereits die entsprechenden Berichtsstrecken zu Transaktionsregistern aufgesetzt haben, lohnen, da der Abstimmungsaufwand und die Zulieferung der notwendigen Datenfelder an eine FC entfallen. Für FCs bedeutet diese neue Berichtspflicht die Sicherstellung des Datenfeeds und die korrekte Darstellung in den Meldungen an die Transaktionsregister, da hierbei insbesondere eine Kennung mitgeliefert werden muss, für wen der FC ein entsprechendes Geschäft meldet.

    Auch bestehende Meldesysteme bei FCs müssen ertüchtigt werden, da eine doppelt gespiegelte Meldung an das Transaktionsregister erfolgen muss.

  • Verbesserung der Datenqualität

    Aufgrund von fehlenden Vorgaben zum Reconciliation-Prozess kam es in der Vergangenheit zu inkonsistenten Abstimmungsverfahren. Dies führte 2020 dazu, dass die „Paring Rate“, das heißt die Verbindung der beiden gegenläufigen Meldungen, nur knapp 50 Prozent erreichte. Durch Reconciliation der gemeldeten Geschäfte zwischen FC, TR des FC und TR  (Transaktionsregister) des Kontrahenten sollen die Pairing Rate und die Datenqualität verbessert werden. Auf FCs kommt hierbei der Aufsatz eines neuen Validierungsprozesses (inklusive Dokumentation als schriftlich fixierte Ordnung) zu, denn die neuen Regelungen verpflichten FCs/NFC+ zur Auswertung der Reconciliation-Ergebnisse insbesondere im Hinblick auf inkonsistent gemeldete Geschäfte. Es geht also auch darum, Reconciliation-Ergebnisse schnell und automatisiert auswerten zu können, um Probleme frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls direkt beseitigen zu können. Die zu meldenden Felder erweitern sich in zwei Schritten:

    1. ab Reporting-Startdatum: 84 Felder
    2. zwei Jahre nach Reporting-Startdatum: weitere 61 Felder
  • Reporting von Kryptowerten

    Um auch künftige Derivate auf Kryptowährungen transparent zu machen, wurde durch REFIT ein neues Feld mit der Bezeichnung Derivate mit Kryptowerten als Referenzwert“ geschaffen, um kryptobasierte Transaktionen zu identifizieren. Dementsprechend müssen FCs/NFCs die Meldung unter der Kategorie „Commodities“ vornehmen und nicht, wie für Bitcoin, Ethereum & Co. vermutet werden könnte, unter der Klasse „FX“. Es geht also explizit um keine Spot-Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, sondern Futures und andere Derivate mit Kryptowährungen als Underlying. 

  • Unique Product Identifier (UPI)

    Künftig müssen sämtliche Derivate mit vorgegebenen, standardisierten UPIs versehen werden, sofern diese nicht über Handelsplätze bereits mit einer ISIN identifiziert sind. Die UPIs werden vom ANNA DSB vorgegeben, derjenigen Instanz, die auch ISINs für eine Vielzahl von Derivaten generiert. Für die Praxis bedeutet dies einerseits das Erfordernis zur Anbindung an das ANNA DSB und andererseits eine entsprechende Erweiterung um das Meldefeld des UPI sowie eine Erweiterung der Meldelogik. Bei MiFID 2 und MiFIR erfolgt die Generierung der ISIN mittels einer komplexen fpML-Datei, die bei ANNA DSB anzuliefern ist. Hierbei ist mit einem deutlich erhöhten Aufwand zu rechnen.

  • Post Trade Risk Reduction (PTRR)

    Bislang sind Meldungen im Rahmen von Portfolio Compressions schwer nachvollziehbar. Daher müssen künftig Trades, die im Rahmen der Möglichkeiten für Risikoreduktion „Compression“ oder „Counterparty Rebalancing“ neu abgeschlossen, geändert oder aufgelöst werden, mit einer einheitlichen PTRR ID versehen werden. Die PTRR ID wird vom entsprechend genutzten PTRR-Provider (zum Beispiel TriOptima oder Quantile) zur Verfügung gestellt. FCs/NFCs müssen danach die notwendigen Datenfeeds aufbauen.

Fazit

Marktteilnehmer sollten sich kurzfristig mit den eigenen fachlichen und technischen Bereichen des Transaktionsreportings zu den notwendigen Änderungen abstimmen. Zu klären sind die Anpassungen der genannten Datenlieferungen, die Implementierung der neuen Reporting-Logiken sowie die Meldungsdelegation im Verhältnis von FCs mit NFC- (FC = Financial Counterparty und NFC- = Non – Financial Counterparty below the clearing threshold).

Die deutlich erhöhte Anzahl Datenfelder, die höhere Komplexität und Mehraufwände werden in der Regel in eigenständige Projekte zur Umsetzung der Anforderungen für den Reportingstart im April 2024 münden. Eine frühzeitige Vorbereitung ist unabdingbar.

  • Co-Autor: Lukas Frey

    Lukas Frey ist Senior Consultant im Bereich Financial Services Consulting für Digital & Emerging Technologies. Mit Erfahrungen im Kapitalmarktbereich, sowohl im Hinblick auf Kapitalmarktprozesse als auch auf Kapitalmarktprodukte, hilft er Kunden bei der Umsetzung digitaler Transformationsprojekte.

  • Co-Autor: Jakob Müller

    Jakob Müller ist Director Business Consulting mit Fokus auf der Risikomanagementberatung im Energiesektor. Er verbindet regulatorische Anforderungen mit Wertschöpfung im Unternehmen. Jakob Müller ist Vater von zwei Kindern und begeistert sich für jede Form von Sport und Spiel.

  • Co-Autorin: Alexandra Thoms

    Alexandra Thoms ist Manager im Bereich Financial Services Consulting für Banking & Capital Markets. Sie unterstützt Kunden unter anderem bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen und der Steigerung ihrer Kosteneffizienz.

Über diesen Artikel

Von Christian Rump

Director Banking & Capital Markets, EY Consulting GmbH | Deutschland

Spezialist für Technologie- und Transformationsprojekte – von Digitalisierung über Kosteneffizienz bis hin zu Nachhaltigkeit; genießt in seiner Freizeit Zeit mit der Familie, Sport und Reisen.