4 Minuten Lesezeit 23 Januar 2024
Pfeile auf Asphalt gemalt. Junger Mann steht und zögert, eine Entscheidung zu treffen.

Scheitert Ihre Restrukturierung an ESG-Kriterien?

Autoren
Simon Fahrenholz

Partner, Strategy and Transactions, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Spezialist für die Transformation von CO2-intensiven Produktionsunternehmen und Energieversorgern zu nachhaltig und grün agierenden Unternehmen.

Korbinian Gennies

Partner, Turnaround and Restructuring Strategy, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Erfahrener Spezialist und verlässlicher Partner für komplexe Geschäftsmodellentwicklungen, Transformationen und Restrukturierungen in außergewöhnlichen Situationen

Marius Herminghaus

Senior Manager, Strategy & Transactions, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Erfahrener Spezialist für komplexe Geschäftsmodellentwicklung, Transformation und Restrukturierung; angetrieben von Exzellenz und Ergebnissen in Transformationen und Leistungsverbesserungen

4 Minuten Lesezeit 23 Januar 2024

Nachhaltigkeitskriterien können eine entscheidende Rolle bei der Sanierung von Unternehmen spielen.

Überblick
  • Bei Sanierungsbemühungen rücken ESG-Faktoren zunehmend in den Fokus.
  • Die selbst gesteckten Ziele und die gesetzlichen Vorgaben zwingen Finanzdienstleister, die ESG-Leistungen der Unternehmen bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen.
  • Unternehmen mit schlechter ESG-Performance werden in einer Schieflage künftig Probleme bei einer (Re-)Finanzierung haben.

Die aktuellen Zeiten sind turbulent für deutsche Unternehmen – geprägt von Energiepreiskrise und Lieferproblemen, Fachkräftemangel, Zinsanstieg, Inflation und nicht zuletzt geopolitischen Spannungen. Inmitten dieser Herausforderungen stehen Unternehmen oft unter hohem Druck, mit der aktuellen Situation umzugehen und ihre Geschäfte fortzuführen. Kein Wunder, dass Themen wie Klimaschutz, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft oder eine diverse Belegschaft nicht unbedingt ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Doch das ist zu kurz gesprungen: Gerade für Unternehmen in Schieflage können Faktoren wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance, kurz ESG) von entscheidender Bedeutung sein.

Kunden erwarten nachhaltiges Verhalten

Auch wenn nicht jedes Unternehmen aufgrund seiner CO2-Bilanz mit Finanzierungsproblemen konfrontiert wird, ist es unvermeidlich, sich mit ESG auseinanderzusetzen. Dabei erweist sich Nachhaltigkeit nicht nur als zeitgemäß, sondern auch als betriebswirtschaftlich sinnvoll. Wer weniger Energie und Ressourcen verbraucht, spart bares Geld. Eine robuste Lieferkette senkt das Ausfallrisiko. Überzeugende Nachhaltigkeitsleistungen helfen bei der Suche nach Fachkräften und stärken das Image des Unternehmens. 

Die wirtschaftliche Relevanz von ESG nimmt nicht zuletzt deshalb zu, weil auch die Ansprüche der Kunden kontinuierlich steigen. Beispiel Immobilienbranche: Bei Gewerbeimmobilien, Logistikzentren, Produktions-, Verkaufs- und Lagerflächen etwa waren die Kosten für Energie zum Heizen, Kühlen, Belüften oder Beleuchten bis vor zwei Jahren für viele Mieter ein durchlaufender Posten ohne große betriebswirtschaftliche Bedeutung. Durch die Preisexplosion für Gas, Strom und Öl schauen potenzielle Mieter heute genau hin, ob die Objekte ihren energetischen und zunehmend auch ökologischen und sozialen Anforderungen entsprechen. In solchen Situationen erweist sich Nachhaltigkeit als entscheidender Faktor bei der Finanzierung und Sanierung von Immobilienprojekten. Sie beeinflusst die Prognose, ob eine Sanierung erfolgreich sein kann.

Banken schauen auf ESG-Leistungen von Kreditnehmern

Bereits heute legen Finanzdienstleister verstärktes Augenmerk auf die ESG-Leistungen eines Unternehmens. Dabei lautet ihre wichtigste Frage stets: Ist das Unternehmen langfristig überlebensfähig? Niemand investiert in ein Geschäftsmodell ohne Zukunft. Zudem sind im Rahmen des Green Deal der Europäischen Union (EU) auch Banken und Finanzdienstleister verpflichtet, ihre Kreditportfolios „grüner“ auszurichten. Diese Vorgabe war in Zeiten von Niedrigzinsen ein eher stumpfes Schwert. Bei stark gestiegenen Zinsen machen jedoch schon wenige Prozentpunkte, die Kreditnehmer dank guter ESG-Leistungen sparen, sehr viel aus. Klima- und Umweltrisiken kosten Kreditnehmer dagegen regelmäßig einen Zinsaufschlag von fünf bis zehn Basispunkten. Teilweise wird der Zinssatz an das Erreichen bestimmter Umweltziele geknüpft. In einigen Fällen lehnen Banken die Refinanzierung bestimmter Geschäftsmodelle wie Kohle, Öl, Zement oder Stahl ganz ab. Zu groß sind die Bedenken, dass die schlechten Kennziffern bei Schadstoffausstoß und Ressourcenverbrauch auf die eigene grüne Bilanz durchschlagen.

Auch wenn nicht jedem Unternehmen wegen seiner CO2-Bilanz ein Finanzierungsproblem droht, ESG-Risiken kann keines mehr ignorieren.

Bislang gibt es keinen einheitlichen Standard, welche Nachhaltigkeitsinformationen oder Kennzahlen Banken abfragen. Für Unternehmen ist das ein Unsicherheitsfaktor. Heute sind drei bis fünf Kennzahlen wie CO2-Reduktionsziele, CO2-Fußabdruck oder Arbeitsbedingungen üblich. Umweltschutz und Soziales stehen im Vordergrund, die Unternehmensführung gewinnt aber an Bedeutung. Mindestens einmal im Jahr wird geprüft, ob der Kreditnehmer die vereinbarten Kennzahlen erreicht. Da Finanzdienstleister künftig gezwungen sind, ESG-Kriterien in die Risiko- und Bonitätsbewertung einzubauen, dürfte sich das Prozedere in den kommenden Jahren weiter professionalisieren. 

PDF: Nachhaltigkeit in der Restrukturierung

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ESG als wichtige Säule bei der Neuausrichtung von Unternehmen in der Krise 

Die geltende Rechtslage, die selbst auferlegten Zielvorgaben von Kreditinstituten und künftige regulatorische Anforderungen lassen ESG-Themen immer relevanter für die Kreditvergabe und ­verlängerung, auch und vor allem im Restrukturierungsfall, werden. Berücksichtigen Unternehmen relevante Nachhaltigkeitsfaktoren nicht, wirkt sich dies negativ auf ihr Rating und ihre Bonität aus, sodass sie sich nur unter erschwerten Bedingungen refinanzieren können. Im schlimmsten Fall ist die Finanzierung keine Frage des Preises mehr, weil die Geldgeber keine Mittel mehr bereitstellen. Umgekehrt können gelungene ESG-Konzepte zu einer Chance für Unternehmen werden und deren Restrukturierung erleichtern.

Vor allem kleine Unternehmen, Mittelständler und Familienunternehmen mit begrenztem Verhandlungspotenzial gegenüber Kreditgebern profitieren von einer frühzeitigen Absicherung. Überlegungen zur Nachhaltigkeit müssen daher in den gesamten Restrukturierungsprozess einfließen – von der Identifizierung der Chancen und Risiken bis hin zur strategischen Neuausrichtung. Ist ein Unternehmen erst einmal in Schieflage geraten, stehen für die erforderlichen Anpassungen meist nicht mehr die Mittel zur Verfügung. Im Sanierungsfall wird allein der Aufbau ESG-gerechter Strukturen das Unternehmen vermutlich nicht retten. Er kann aber Bestandteil einer erfolgreichen Restrukturierungsstrategie sein, die jedoch auch wiederum finanziert und damit integraler Bestandteil eines ganzheitlichen Sanierungskonzepts werden muss.

Neben den mit ESG verbundenen Chancen und Risiken besteht eine große Herausforderung für Unternehmen darin, den eigenen Status quo zu überprüfen. EY nutzt hierfür das Analyse-Tool „ESG Business Review“. Es schafft je nach Branche einen transparenten Überblick, wo das Unternehmen in Sachen ESG steht und welche Risiken, Chancen und Handlungsfelder sich daraus ergeben.

Fazit

Eine erfolgreiche Restrukturierung von Unternehmen ist heutzutage ohne die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in manchen Branchen nicht mehr denkbar. Die selbst gesteckten Ziele und kommende gesetzliche Vorgaben zwingen Finanzdienstleister, die ESG-Leistungen der Unternehmen bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen. Mangelhafte oder fehlende ESG-Leistungen, die sich potenziell negativ auf die Bonität auswirken, erschweren die (Re-)Finanzierung oder machen sie im schlimmsten Fall unmöglich. Andererseits können gut umgesetzte ESG-Konzepte und eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensführung den Restrukturierungsprozess erleichtern.

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Simon Fahrenholz

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Marius Herminghaus

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