4 Minuten Lesezeit 4 März 2022
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Wie wirkt sich die Basel-III-Finalisierung auf Schweizer Banken aus?

Von Martin Waurick

Partner, Head of Prudential Risk & Regulation in Financial Services | EY Switzerland

Risk manager & consultant, father of two (little) girls, leading a passionate team of risk professionals working hard to make a positive difference in the financial services industry.

4 Minuten Lesezeit 4 März 2022

Schweizer Banken sollten jetzt damit beginnen, die Auswirkungen der finalen Basel-III-Regelungen auf ihre Geschäftstätigkeit abzuwägen.

Überblick
  • Die endgültigen Basel-III-Vorschriften werden in den nächsten 2-3 Jahren in Kraft treten 
  • Die Auswirkungen der Vorschriften auf Schweizer Banken sollten nicht unterschätzt werden, da sie alle Risikoarten betreffen
  • Schweizer Banken müssen bereits jetzt Vorkehrungen treffen, um die neuen Vorschriften einhalten zu können

Nach der globalen Finanzkrise 2008 wurden die Basel-Standards neu strukturiert und überarbeitet, um die globalen, als Antwort auf die Krise angestossenen Reformen zu unterstützen und zu lenken. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) veröffentlichte die finale Fassung zum Basel-III-Reformpaket im Dezember 2017. Dieses in der Regel als „Basel-III-Finalisierung“ oder „Basel IV“ bezeichnete Dokument soll vor allem die Widerstandsfähigkeit des globalen Bankensystems stärken. Die überarbeiteten Standards decken eine breite Palette an regulatorischen Änderungen über alle Risikoarten hinweg ab, welche eine quantitative und qualitative Verbesserung im Hinblick auf das regulatorische Kapital und die Liquidität anstreben. Ziel ist es, das Vertrauen in die Berechnung der risikogewichteten Aktiven (Risk Weightet Assets, RWA) wiederherzustellen, die Zuverlässigkeit und Risikosensitivität der Standardansätze zu verbessern, den Einsatz interner Modelle einzuschränken, die Vergleichbarkeit zu fördern und Komplexität zu verringern sowie die RWA-Kapitalanforderungen um eine Kapitaluntergrenze (Output Floor) und um Anforderungen zur maximalen Verschuldung (Leverage Ratio) zu ergänzen. Das Datum für das Inkrafttreten der Basel-III-Reformen wurde vom BCBS aufgrund der COVID-19-Krise vom ursprünglich geplanten Umsetzungstermin im Januar 2022 um ein Jahr auf Januar 2023 verschoben.

EY-Umfrage zur Basel-III-Reform 2021

60%

der Befragten erwarten, dass die Qualität und Verfügbarkeit von Daten die grösste Herausforderung bei der Umsetzung der Basel-III-Reform darstellen wird.

EY 7 drivers of growth graphic

Basel III Finalisation - Die Broschüre

Als Reaktion auf die globale Finanzkrise 2008 wurden die Basler Standards überarbeitet und aktualisiert, um die globalen Reformen nach der Krise zu unterstützen und anzuleiten. Hier finden Sie einen Überblick über die Änderungen und die erwarteten Auswirkungen auf Schweizer Banken.

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Die Implementierung dieser Vorschriften in der Schweiz wird derzeit in der nationalen Arbeitsgruppe debattiert, wobei noch keine offiziellen Ankündigungen gemacht wurden. Derzeit erwarten wir jedoch begrenzte Abweichungen von den BCBS Standards. Es wurden einige Termine für die Implementierung in der Schweiz bekannt gegeben, die im Grunde denen in der Europäischen Union (EU) entsprechen. Die Europäische Kommission veröffentlichte jüngst ein Gesetzespaket, das am 1. Januar 2025 in Kraft treten soll. Was die Schweiz anbelangt, rechnen wir damit, dass die offizielle Konsultation einer revidierten Kapitaladäquanzverordnung von Juli bis Oktober 2022 laufen wird. Auf der Grundlage der jüngsten Mitteilungen gehen wir davon aus, dass die neuen Schweizer Vorschriften Mitte 2023 in Kraft treten werden mit einer Übergangsphase von etwa 12 Monaten, so dass aus regulatorischer Sicht alle Banken spätestens ab Juli 2024 für die neuen Vorschriften bereit sein und im September 2024 erstmals berichten müssen, was etwas früher ist als der Starttermin der EU im Januar 2025.

Die spezifischen Änderungen im Rahmen der Basel-III-Finalisierung (sowie einiger damit verbundener Gesetzespakete) finden sich in der diesem Artikel beigefügten Übersicht. Wir haben die wichtigsten Änderungen in den folgenden Bereichen zusammengefasst:

  • Kreditrisiko: Der fortgeschrittene, auf internen Ratings basierende Ansatz (Advanced Internal Ratings Based [A-IRB] Approach) wird bei einigen Segmenten mit niedriger Ausfallquote nicht mehr zulässig sein. Gleichzeitig werden erhöhte Anforderungen (inkl. zusätzlicher Datenpunkte) für den Standardansatz eingeführt, wie etwa eine Due-Diligence-Pflicht für Kreditnehmer selbst bei Verwendung externer Ratings.
  • Marktrisiko: Die Grundlegende Überarbeitung des Handelsbuchs (Fundamental Review of the Trading Book, FRTB) wird eingeführt. Dazu zählt auch ein Übergang zur Verwendung des Expected Shortfall im Rahmen des internen Modellansatzes (Internal Model Approach, IMA), während der Standardansatz überarbeitet wird, um die Risikosensitivität zu erhöhen.
  • Operationelles Risiko: Der Standardmessansatz (Standardised Measurement Approach, SMA) wird alle zuvor zulässigen Ansätze ersetzen, was eine bessere Vergleichbarkeit, aber potenziell auch höhere Kapitalanforderungen für Banken zur Folge hat, die derzeit einen fortgeschrittenen Messansatz (Advanced Measurement Approach, AMA) verwenden.
  • Kapitaluntergrenze: Die Festlegung der RWA sieht den höheren Betrag aus dem mit den internen Modellansätzen ermittelten Wert und einem Prozentsatz der RWA nach Standardansatz vor. Dieser Prozentsatz wird ausgehend von 50% im Jahr 2023 (abhängig von den endgültigen Umsetzungsfristen in der Schweiz) schrittweise auf 72,5% im Jahr 2028 angehoben.
  • Verschuldungsquote: Der Verschuldungsquoten-Nenner (Leverage Ratio Denominator, LRD) wird weiter verfeinert, und es wird ein neuer Verschuldungsquotenpuffer für global systemrelevante Banken (Global Systemically Important Banks, G-SIBs) eingeführt.
  • Gegenpartei-Kreditrisiko: Während die revidierten Vorschriften in Bezug auf den Standardansatz für das Gegenpartei-Kreditrisiko (Standardised Approach for Counterparty Credit Risk, SA-CCR) bereits zur Anwendung kommen, sind für die Kreditbewertungsanpassung (Credit Value Adjustment, CVA) Änderungen vorgesehen, darunter die Einführung eines Standard- (SA-CVA) und eines Basisansatzes (BA-CVA) sowie die Abschaffung des fortgeschrittenen Ansatzes.

EY Umfrage zur Basel-III-Reform 2021

67%

der Befragten verfügen über ein etabliertes, mit Budget und Ressourcen ausgestattetes Basel-III-Reformprogramm.

Erwartete Auswirkungen auf Schweizer Banken

  • Wir gehen im Schweizer Bankensektor derzeit von unterschiedlichen Auswirkungen auf die RWA aus. Diese hängen von einer Reihe von Faktoren ab, darunter die Zusammensetzung der Kreditrisikoportfolios sowie der Umfang der Markt- und der operationellen Risiken. Derzeit rechnen wir damit, dass die Kreditrisiko-RWA im Schnitt unverändert bleiben, während jene in Bezug auf das Markt- und operationelle Risiko leicht steigen. In der Schweiz wurde der Grundsatz der „Kapitalneutralität“ vereinbart, obwohl dies in der Praxis auf Ebene einzelner Banken eine Herausforderung bleibt und nach wie vor einen Diskussionspunkt in der Branche darstellt. 
  • Die für die Standardansätze geplanten Änderungen werden sich auf alle Schweizer Banken auswirken, indem sie neue Berechnungsansätze (z.B. SMA) sowie Prozess- und zusätzliche Datenanforderungen einführen, um den neuen Berechnungsvorschriften gerecht zu werden.
  • Die Änderungen der Modellanforderungen und die erhöhte Komplexität der Berechnungen machen eine verbesserte Modellgovernance sowie ein strikteres Datenmanagement erforderlich. Darüber hinaus ist für die meisten Schweizer Banken mit einer ausführlicheren Offenlegung in der Säule-3-Berichterstattung zu rechnen.
  • Allgemein dürften die Grundsätze der Proportionalität für alle Banken der Kategorie 4 und 5 sowie in gewissem Masse auch für Banken der Kategorie 3 gelten. 

Die für die Einhaltung der finalisierten Basel-III-Vorschriften erforderlichen Änderungen unterstreichen die Notwendigkeit eines umfassenden Managements und einer angemessenen Kapitalunterlegung der finanziellen und nicht-finanziellen Risiken. Banken können sich für die Zukunft rüsten, indem sie eine Risikomanagementfunktion einrichten, die sich an diese Anforderungen anpassen und gleichzeitig die Geschäftstätigkeit unterstützen kann. Sollten bisher noch keine Massnahmen ergriffen worden sein, dann sollte dieses Unterfangen ohne Umschweife in Angriff genommen werden.

Fazit

Die Basel-III-Finalisierung wird sich unabhängig von Grösse und Geschäftsmodell auf alle Schweizer Banken über alle Risikoarten hinweg auswirken. 

 

Ein besonderer Dank gilt Andreas Wigger, Johanna Hetzmannseder, Sebastian Preuss, Alain Ottinger und Selina Hagen für die Unterstützung bei diesem Artikel.

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