Ein Porträtfoto von Fabienne Muff
Die Klimakrise wird nicht gelöst, indem wir mit dem Finger auf andere zeigen.

Fabienne Muff

Die Luzerner Ingenieurin Fabienne Muff hat an der ETH Zürich Maschinenbauingenieurwissenschaften mit Fokus auf erneuerbare Energien und Robotics studiert. Nach dem Studium sammelte sie berufliche Erfahrungen bei diversen Firmen wie den Pilatus Flugzeugwerken ABB sowie in der IT, unter anderem bei. Mittlerweile fungiert die Naturliebhaberin als CEO des von ihr gegründeten Start-ups , das in der Carbon-Dioxide-Removal-Branche tätig ist. Die Internet-Plattformbietet Einzelpersonen und Unternehmen die Möglichkeit, ihren CO2-Ausstoss aus der Atmosphäre zu entfernen, und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität. 

7 Minuten Lesezeit
22. Februar 2022

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Fabienne Muff, Gründerin und CEO von, engagiert sich mit ihrem Start-up für eine klimaneutrale Welt. Um was es bei Carbon Dioxide Removal geht, mit welchen Voreingenommenheiten die Ingenieurin konfrontiert wird und was für einen Einfluss das Covid-19-Virus auf den Umweltschutz ausübt, erzählt sie uns im Gespräch. 
Fabienne, kannst du erklären, wie Carbon Dioxide Removal (CDR) funktioniert?

Bei CDR sagt der Name gut aus, worum es geht: die CO2-Entfernung aus der Atmosphäre. Wir sprechen hier von sogenannten Negativemissionen. Negative Emissionen sind Treibhausgase, die aus der Luft oder dem Wasser herausgenommen werden und permanent gespeichert werden. Dafür gibt es viele unterschiedliche Methoden. Ein Beispiel ist Direct Air Capture and Storage. Einer unserer Partner – Climeworks – benutzt diese Technologie. In Zusammenarbeit mit dem isländischen Unternehmen Carbfix filtern sie mit grossen Filtermaschinen CO2 direkt aus der Luft heraus. Dieses CO2 wird anschliessend unter die Erde gepumpt, wo es sich zu einer Art Gestein mineralisiert und langfristig gespeichert wird. Ein weiteres Beispiel ist Enhanced Weathering – die Verstärkung von natürlicher Verwitterung. Hier sind ebenfalls chemische Prozesse im Gange mit CO2 und Gestein. Dann gibt es Bio-Oil-Injection. In diesem Fall wird aus Bioabfall Bioöl hergestellt. Dieses wird dann wiederum unter die Erde gepumpt und in Kavernen gelagert, wo früher fossile Brennstoffe natürlich vorkamen. Neben diesen drei genannten CDR Methoden gibt es noch viele mehr.

Wie kommt hier deine Plattform Carbon Removed ins Spiel?

Unsere digitale Plattform Carbon Removed bietet Einzelpersonen und KMU an, das durch ihren Lebensstil verursachte, respektive das von ihnen produzierte CO2 anhand von verschiedenen CDR-Methoden wieder zu entfernen. Sie können das auf folgende Arten tun: Durch einen einmaligen Kauf einer von ihnen ausgewählten Menge an Negativemissionen oder durch ein Abonnement, um ihre Kohlenstoffemissionen jeden Monat auszugleichen.     

Welche Vorteile bringt CDR mit sich im Vergleich zu den Carbon Credits?

Wenn man Carbon Credits kauft, sorgt man für eine Reduktion der CO2-Produktion, man nimmt aber nichts aus der Atmosphäre wieder heraus. Es handelt sich hierbei also nicht um negative Emissionen. Natürlich ist die Reduktion des Ausstosses von CO2 grundsätzlich eine gute Sache. Allerdings gilt genauso: CO2 reduzieren allein reicht nicht. So werden wir nicht klimaneutral, denn es ist bereits jetzt viel zu viel CO2 in der Luft und im Meer vorhanden. Hier liegt der grosse Vorteil von CDR, da wir dadurch den Rest unseres Fussabdruckes, der bereits in der Umwelt vorhanden ist, wieder herausholen können. 

CO2 reduzieren allein reicht nicht.
Fabienne Muff
CEO von Climacrux
Wo liegen die grössten Herausforderungen für die CDR-Branche?

Meiner Meinung nach ist die grösste Gefahr, dass zu wenig Geld in unsere Branche hineinfliesst. Der Grund dafür liegt beim «Blame Shifting». Das funktioniert ungefähr so: Der Durchschnittsbürger schiebt die Schuld für zu hohe CO2-Emissionen auf reiche Einzelpersonen. Reiche Einzelpersonen schieben sie auf ein paar wenige grosse Unternehmen. Grosse Unternehmen schieben sie auf die Regierung. Die eine Regierung schiebt sie auf die Regierung einer anderen mächtigeren Nation und so weiter. Das bringt aber nichts, denn eines ist klar: Die Klimakrise wird nicht gelöst, indem wir mit dem Finger auf andere zeigen. Wir müssen als Gesellschaft handeln, denn jede einzelne Person kann einen Unterschied machen. 

Wir müssen als Gesellschaft handeln, denn jede einzelne Person kann einen Unterschied machen.
Fabienne Muff
CEO von Climacrux
Welche kritischen Argumente bekommst du öfters zu hören?

Durch das «Blame Shifting» und die einhergehenden bescheidenen finanziellen Mittel steckt unsere Branche unter anderem noch in den Kinderschuhen. In diesem Zusammenhang wird auch gerne kritisiert, dass die CDR-Technologien zu wenig Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entfernen und wir Menschen im Verhältnis dazu ja viel mehr produzieren würden. Es ist nur mit ausreichender Finanzierung möglich, die verschiedenen Methoden effizienter zu gestalten und damit eine noch grössere Menge an CO2 aus der Atmosphäre zurückzuholen. Wir bei Carbon Removed sind unseren Kundinnen und Kunden sehr dankbar, denn ihr Geld trägt massgeblich zur Weiterentwicklung der CDR-Technologie bei. Abgesehen davon muss ich oft Aufklärungsarbeit leisten, wenn ich von Einzelpersonen oder auch Unternehmen mit Mythen oder falschen Einschätzungen konfrontiert werde. Das betrifft ein sehr breites Spektrum, wie beispielsweise der Irrglaube, ich als Individuum würde gar kein CO2 produzieren, oder man müsse einfach nur ganz viele Bäume pflanzen, um das Klima zu retten. 

Hast du aufgrund der Covid-Krise ein Umdenken im Umfeld deines Unternehmens festgestellt mit Blick auf die Dringlichkeit in Umweltfragen?

Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass zu Beginn der Krise der Klimawandel für viele ein wenig in den Hintergrund rückte. Das gilt auch für unsere Zielgruppen Einzelpersonen und KMUs. Man spürt leider oft nicht direkt, wie der Klimawandel einem wehtut – ganz im Gegensatz zu Corona. Deswegen galt der Fokus zu Beginn der Covid-Krise nachvollziehbarerweise dem neuartigen Virus. Mit dem Einhergehen der Lockdowns habe ich allerdings bemerkt, wie viele Menschen begannen, sich Gedanken über die Umwelt zu machen. In der Isolation steigerte sich das Verlangen nach der Wiederverbindung mit der Natur. Das führte die Gesellschaft wieder näher zum Thema Umweltschutz hin und damit auch zu unserem Start-up. Bei unserer Zielgruppe KMU darf man nicht vergessen, dass es auch Unternehmen gibt, die während Corona profitiert haben, zum Beispiel aufgrund des Digitalisierungsschubes. Diese Firmen sind natürlich williger, für nachhaltigen Umweltschutz etwas Geld in die Hand zu nehmen. 

Man spürt leider oft nicht direkt, wie der Klimawandel einem weh tut.
Fabienne Muff
CEO von Climacrux

Glaubst du, diese Nähe zur Natur ist ein langanhaltender Trend, ein «New Normal» sozusagen?

Die Menschheit ist leider sehr gut im Verdrängen und wenn der Alltag endgültig zurückgekehrt ist, fällt es einem natürlich leicht, das Interesse an einer nachhaltigen Welt wieder ein bisschen zu verlieren. Bei einigen Personen wird das bestimmt der Fall sein. Im Grossen und Ganzen bin ich aber positiv gestimmt und überzeugt, dass bei einem grossen Teil der Bevölkerung das Interesse am Klima bestehen bleibt. Einen positiven Einfluss üben hier die Medien aus. Ihre immer breiter und ausführlicher werdende Berichterstattung über den Klimawandel in all seinen Facetten hilft im Einsatz für eine nachhaltige Welt. Auf jeden Fall werde ich mich mit Carbon Removed weiterhin für einen lebenswerten Planeten ins Zeug legen. Ein Leben der Menschheit in Harmonie mit der Umwelt ist möglich. Und das ist eine Zukunft, für die ich kämpfen möchte.

Ein Leben der Menschheit in Harmonie mit der Umwelt ist möglich. Und das ist eine Zukunft, für die ich kämpfen möchte.
Fabienne Muff
CEO von Climacrux
Wo willst du in naher Zukunft mit deinem Start-up stehen?

Wir wollen erreichen, dass CDR im Vergleich zu Carbon Credits künftig die Oberhand gewinnt. Dazu gehört unter anderem die Aufgabe, dem Zielpublikum das Prinzip von CDR einfach und verständlich zu erklären und dessen Vorteile gegenüber Carbon Credits aufzuzeigen. Ausserdem möchten wir ein möglichst grosses Portfolio an CDR-Technologien finanzieren können und diese damit auch weiter vorantreiben und effizienter machen; das würde wiederum eine Kostenreduzierung mit sich bringen. Zudem verfolgen wir das Ziel, Einzelpersonen und Unternehmen ihren Weg zur Klimaneutralität möglichst einfach zu gestalten. Hier arbeiten wir kontinuierlich an der Optimierung unseres Angebots. Dazu gehört nicht nur das unkomplizierte Kaufen von negativen Emissionen über unsere Plattform, sondern auch deren Integration in andere Produkte und Dienstleistungen. Eines unserer Projekte für die Zukunft verfolgt das Ziel, dass man durch den Klick auf einen Button den CO2-Abdruck eines gekauften Produktes oder einer Dienstleistung direkt entfernen kann. Bei Galaxus oder Zalando gibt es dieses Angebot beispielsweise bereits in der Variante mit Carbon Credits. Allerdings ist das nicht dasselbe, wie den Fussabdruck dieses bestimmten Produktes effektiv durch CDR zu entfernen. Wir bleiben also ambitioniert und gehen weiterhin mit vollem Elan an die Arbeit.

Eines unserer Projekte für die Zukunft verfolgt das Ziel, dass man durch den Klick auf einen Button den CO2-Abdruck eines gekauften Produktes oder einer Dienstleistung direkt entfernen kann.
Fabienne Muff
CEO von Climacrux

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