Ein Porträtfoto von Mirjam Staub-Bisang
Die Bekämpfung des Klimawandels ist kein Sprint, sondern ein Marathon

Mirjam Staub-Bisang

Seit 2018 ist Mirjam Staub-Bisang Schweizer Länderchefin vom Vermögensverwalter BlackRock und Senior Advisor für Sustainable Investing. Ihr Fokus liegt dabei auf langfristigem, nachhaltigem Investieren und damit einhergehenden Hürden und Möglichkeiten, um Kunden und die Gesellschaft zu unterstützen, bis spätestens 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Die promovierte Juristin und Anwältin verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche. Nach beruflichen Stationen als Analystin für Kapitalmarkttransaktionen sowie als Principal für Private Equity Anlagen war sie Marktverantwortliche im Bereich Hedge Funds. Im Jahr 2005 war Mirjam Staub-Bisang Mitgründerin und CEO der Independent Capital Group AG, deren Führung sie bis 2018 innehatte. Von 2017 bis 2019 war sie Präsidentin von Profond, einer der grössten Schweizer Sammelstiftungen der beruflichen Vorsorge.

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29 April 2022

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Mirjam Staub-Bisang ist Schweizer Länderchefin von BlackRock, dem grössten Vermögensverwalter der Welt. Im Gespräch erläutert sie, wie sich Covid auf ihr Unternehmen auswirkt und warum Klimagipfel wie die UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 so wichtig sind.
Sind euch bei BlackRock Schweiz die nötigen Anpassungen an die neuen Verhältnisse aufgrund der Pandemie leichtgefallen?   

Grundsätzlich ja. BlackRock ist und war auch schon vor Corona digitalisiert. Das ist eine unserer Stärken. Die Umstellung auf Homeoffice fiel uns deshalb verhältnismässig leicht. Als die Krise und der Lockdown tatsächlich eintraten, waren 98 Prozent unserer Belegschaft innert 48 Stunden im Homeoffice – eine bemerkenswerte Leistung. Nichtsdestotrotz haben wir, genauso wie viele andere Unternehmen und Teile der Gesellschaft, durch diese Veränderung hin zu Remote Work nochmals einen Digitalisierungsschub hingelegt. Ohne die Pandemie wäre das nicht eingetreten und das ist durchaus etwas Positives. Durch das Homeoffice litt jedoch gleichzeitig die direkte Nähe, die wir in unserem Unternehmen und mit unseren Kundinnen und Kunden pflegen. Das war natürlich eine Herausforderung. Zum Glück sind wir uns virtuelle und semi-virtuelle Meetings gewohnt und unsere Mitarbeitenden zeigen hierbei ein grosses Mass an Flexibilität. So kamen wir auch damit schnell klar. Ausserdem beweisen die blanken Zahlen unsere geglückte Anpassung an die veränderten Umstände.

Hat sich durch Covid dein Umgang mit den Mitarbeitenden verändert?  

Trotz der grösseren Entfernung in den Lockdowns ist der Umgang bei BlackRock während der Krise noch persönlicher geworden. Wir haben bewusst den Kontakt untereinander und gegenseitig gepflegt. Es war mir ein Anliegen, dass sich niemand allein oder vernachlässigt fühlt in dieser schwierigen Zeit. So hatte ich viele schöne virtuelle Begegnungen mit Kollegen, die ich unter «normalen» Umständen wohl nie gehabt hätte. Via virtuelle Gespräche begegneten wir uns quasi in unseren Wohnzimmern, im natürlichen und privaten Umfeld. Das führt zu einer sehr persönlichen Atmosphäre und lässt auch ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl entstehen. Ich bin froh über diese Erfahrung, die wir gemeinsam als Team machen durften. Trotzdem freue ich mich über die allmähliche Rückkehr ins Büro. Ein Kaffee über Video ist halt doch nicht dasselbe wie der direkte Austausch in unseren Büroräumlichkeiten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf unsere Mitarbeitenden, sondern auch für die Beziehungen mit unseren Kundinnen und Kunden.

Als die Krise und der Lockdown tatsächlich eintraten, waren 98 Prozent unserer Belegschaft innert 48 Stunden im Homeoffice.
Mirjam Staub-Bisang
Swiss Country Manager, BlackRock
Trotz der grösseren Entfernung in den Lockdowns ist der Umgang bei BlackRock während der Krise noch persönlicher geworden.
Mirjam Staub-Bisang
Swiss Country Manager, BlackRock
Der Fokus deiner Arbeit liegt auf nachhaltigen Anlegen. Wie hat die Krise deiner Meinung nach den Blick auf Umweltthemen verändert?

Corona hat den Blick für Nachhaltigkeitsthemen geschärft und gezeigt, wie fragil unsere Welt ist. Im Gegensatz zur Pandemie, die uns sehr unvorbereitet getroffen hat, kommt die Klimakrise nicht unerwartet. Jedoch haben wir lange weggeschaut. Inzwischen sind sich die Menschen bewusst, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen bedroht und wir beherzt agieren und unser Verhalten grundlegend verändern müssen, um diesen effektiv zu bekämpfen. Die Bekämpfung des Klimawandels ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Dafür brauchen wir die Anstrengungen jedes Einzelnen.  

Spürt ihr dieses erhöhte Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch bei BlackRock selbst?

Auf jeden Fall. Wir beobachten eine grosse Nachfrage an nachhaltigen Finanzanlagen. Nicht zuletzt rücken sie durch die gute Performance immer mehr in den Fokus. Dieser Trend hat sich während der Pandemie verstärkt. So erreichten wir mit unseren Nachhaltigkeitsprodukten bereits im ersten Halbjahr 2021 die kommerziellen Resultate des gesamten Jahres 2020. Bei BlackRock sprechen wir von einer tektonischen Verschiebung hin zu nachhaltigen Anlagen. Des Weiteren denke ich, dass aufgrund der erhöhten Beachtung von Themen wie Umwelt und Biodiversität in der Gesellschaft – auch gestärkt durch Covid – unser Unternehmen mehr in den Diskurs der Öffentlichkeit gerückt ist. Passend dazu haben wir fast zeitgleich mit dem Ausbruch von Corona unsere Anlageüberzeugungen breit kommuniziert: Nachhaltigkeitsrisiken – insbesondere Klimarisiken – sind auch Anlagerisiken. Als Folge davon wurde Nachhaltigkeit unser Anlagestandard. Seither haben wir diese sich für uns und die Umwelt auszahlende Strategie stringent umgesetzt.

Mit dem Gipfel in Glasgow fand zwischen Oktober und November 2021 bereits die 26. UN-Klimakonferenz statt. Hand aufs Herz: Hat eine solche Veranstaltung überhaupt noch einen Einfluss?

Selbstverständlich. Im Rahmen der COP26-Konferenz haben die teilnehmenden Staaten und die Wirtschaft beschlossen, die Klimaziele in einem nie zuvor dagewesenen Masse gemeinsam voranzutreiben. Und auch die Finanzindustrie ist dabei. So haben sich rund 450 internationale Finanzinstitutionen, wie zum Beispiel Banken, Versicherungen und Pensionskassen, welche insgesamt über 130 Billionen US-Dollar verwalten, dem Kampf gegen den Klimawandel und der Erreichung der Netto-Null-Ziele bis 2050 verpflichtet. Das ist eine beträchtliche Menge an Kapital und ein enorm wichtiger Schritt mit grosser Signalwirkung.

Im Rahmen der COP26-Konferenz haben die teilnehmenden Staaten und die Wirtschaft beschlossen, die Klimaziele in einem nie zuvor dagewesenen Masse gemeinsam voranzutreiben.
Mirjam Staub-Bisang
Swiss Country Manager, BlackRock
Wie kann eine Investorin oder ein Investor sicherstellen, dass ein Unternehmen, in das sie oder er investiert, seine ESG-Ziele nicht dadurch erreicht, indem es das dreckige Geschäft einfach nur verkauft?

Das ist eine gute Frage, die sich Investorinnen und Investoren aktuell weltweit stellen: Will man ein Portfolio mit möglichst tiefem CO2-Fussabdruck halten oder Unternehmen auf ihrem Weg des Wandels zu einem Netto-Null-Betrieb zur Seite stehen? Natürlich macht es keinen Sinn, wenn Energieunternehmen zum Beispiel ihre CO2-intensiven Assets einfach verkaufen und diese dann in weniger verantwortungsvollen Händen weiterbetrieben werden. Damit ist zwar die Bilanz weniger CO2-lastig, die CO2-Emissionen sind aber nicht aus der Welt geschafft. Ich denke, hier müssen Investorinnen und Investoren mit den besagten Unternehmen zusammenarbeiten und einen vernünftigen Ausstieg finden. Das Kapital aus ganzen Branchen abzuziehen oder die Finanzierung CO2-intensiver Anlagen von den öffentlichen in die Privatmärkte zu verlagern, ist kaum zielführend, um eine Netto-Null-Wirtschaft zu erreichen. In vielen dieser Branchen gibt es durchaus vorausschauende Unternehmen, die ihr Geschäft entsprechend transformieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Wirtschaft leisten.

Wo siehst du potenzielle Gefahren und Risiken beim Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft?

Bei jeder einschneidenden Veränderung gibt es Gewinner und Verlierer. Deswegen ist es wichtig, möglichst die gesamte Bevölkerung in diesem Unterfangen mitzunehmen. Ich denke da zum Beispiel an Mitarbeitende von Unternehmen, die heute in CO2-intensiven Branchen tätig sind. Diese Menschen müssen wir auf dem Weg in eine grüne Zukunft unterstützen – durch einen gerechten Wandel und eine ausgestreckte Hand. So verhindern wir, dass sie auf der Strecke bleiben und die Spaltung der Gesellschaft grösser wird. Betonen möchte ich aber vor allem, dass die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft für die Involvierten in erster Linie eine grosse Chance ist. Seit mehr als zehn Jahren bin ich im Bereich von nachhaltigen Finanzanlagen tätig. Nachdem lange wenig ging, nehme ich seit einiger Zeit eine unglaubliche Dynamik wahr. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sitzen in einem Schnellzug, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Gott sei Dank! Daher bin ich hoffnungsvoll mit Blick auf das Erreichen des Zieles von Netto-Null-Emissionen bis 2050. Wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen, ob Unternehmen, Investorinnen und Investoren, Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter oder Privatpersonen, schaffen wir das und hinterlassen eine lebenswerte und gesunde Welt für die kommenden Generationen.

 

Manchmal habe ich das Gefühl, wir sitzen in einem Schnellzug, der sich nicht mehr aufhalten lässt.
Mirjam Staub-Bisang
Swiss Country Manager, BlackRock

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