3 Minuten Lesezeit 8 Apr. 2022
Solarkraftwerk im Morgennebel

Wie beeinflussen ESG-Transparenzvorschriften Investitionsentscheidungen von heute?

Von Stephan Geiger

Financial Services ESG Leader | Switzerland

Stephan Geiger leads ESG Financial Services in Switzerland and has a long track record of governance and regulatory transformation projects.

Co-Autoren
3 Minuten Lesezeit 8 Apr. 2022
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EY Schweiz hat im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BFE) eine Studie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Schweizer Finanzinstituten, Energieversorgern und Rohstoffhändlern durchgeführt.

Überblick
  • Hat die Nachhaltigkeitsberichterstattung einen Einfluss auf Investitionsstrategien?
  • Wie unterschiedlich wird diese Frage von Finanzinstituten, Energieversorgern und Rohstoffhändlern beurteilt?
  • Welche Trends in der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind zu beobachten?

Im Fokus der Studie mit dem Titel «EU-Offenlegungspflichten im Nachhaltigkeitsbereich und Schweizer Investitionen im Energiebereich»  stand insbesondere die Klimaberichterstattung von Unternehmen, welche bereits heute oder künftig von den EU-Offenlegungspflichten im Nachhaltigkeitsbereich betroffen sind. Dabei hat uns interessiert, ob diese ESG-Transparenzvorschriften schon heute Auswirkungen auf Investitionsstrategien haben. Insbesondere erfragten wir, ob und wie dadurch Investitionen in erneuerbare Energien gefördert werden und ob solche Investitionen eher in der Schweiz oder in der EU getätigt werden.

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Studie EU-Offenlegungspflichten im Nachhaltigkeitsbereich und Schweizer Investitionen im Energiebereich

Die Studie konzentriert sich auf die Klimaberichterstattung von Unternehmen. Untersucht werden, wie sich die Transparenzvorschriften auf Anlagestrategien auswirken. Die gesamte Studie ist hier zum download verfügbar.

Download

Untersuchte Firmen

In die Studie aufgenommen wurden die grössten Finanzinstitute, Energieversorger und Rohstoffhändler, die in der Schweiz ansässig sind und die für Investitionen im In- und Ausland besonders relevant sind. Wir haben deren Nachhaltigkeitsberichte analysiert, weitere Publikationen konsultiert und mit den meisten Vertreter:innen dieser Unternehmen Interviews geführt.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung (Herbst und Winter 2021/2022) waren erst zwei ESG-Transparenz-Vorschriften in Kraft, nämlich die Richtlinie zur Offenlegung für nicht-finanzielle Informationen (NFRD) und die Offenlegungs-Verordnung für Finanzprodukte (SFDR). Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die Mehrheit der untersuchten Firmen eine angemessene Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits heute als wichtig erachtet – auch ohne rechtliche Verpflichtungen.

Gründe dafür sind

  • das steigende Interesse verschiedener Anspruchsgruppen (wie z.B. Investor:innen, den Kunden oder der breiten Öffentlichkeit)
  • die Bedeutung von ESG in der Kommunikation mit internationalen Kunden
  • die Sicherstellung einer konsistenten, zentralen und effizienten Kommunikation auch im Nachhaltigkeits-Bereich

Die untersuchten Finanzinstitute haben als zusätzlichen Grund angegeben, dass ESG auch intern bei ihren Mitarbeitenden an Bedeutung und Relevanz gewonnen habe.

Fokus auf CO2-Emissionen

In allen untersuchten Nachhaltigkeits-Berichten wird ein starker Fokus auf die Offenlegung der CO2- oder Treibhausgas-Bilanzen gelegt. Verwiesen wird dabei jeweils auf einen entsprechenden globalen Standard für Unternehmen, das sogenannte Greenhouse Gas Protokoll (GHG Protokoll). Dieses verpflichtet zur Erfassung und Offenlegung der Emissionen, welche unter direkter Kontrolle des jeweiligen Unternehmens sind («Scope 1 Emissionen»), sowie der Emissionen von ausserhalb des Unternehmens erzeugter oder eingekaufter Energie («Scope 2 Emissionen»).

Die Offenlegung weiterer indirekter Emissionen, die ein Unternehmen verursacht und auf die es Einfluss hat («Scope 3 Emissionen»), sind gemäss GHG Protokoll bisher freiwillig. So veröffentlichen die untersuchten Energieversorger und Rohstoffhändler bislang nur vereinzelt Scope 3 Emissionen. Die meisten Finanzinstitute legen dagegen bestimmte Kategorien von Scope 3 Emissionen offen (insbesondere Geschäftsreisen, Pendeln der Mitarbeitenden) und veröffentlichen vereinzelt klimarelevante Daten. Transparenz bezüglich der für Finanzinstitute mit Abstand bedeutsamsten Kategorie der finanzierten Emissionen (bzw. Investitionen oder Scope 3 Kategorie 15 gemäss GHG Protocol) wird jedoch aktuell noch nicht gewährt. Der allgemeine Trend in der Nachhaltigkeitsberichterstattung geht hier einen Schritt weiter und beinhaltet die Offenlegung von allen materiell relevanten Scope 3 Emissionen (inklusive z.B. finanzierte Emissionen von Banken, Versicherern und Vermögensverwaltern) wie dies kürzlich beispielsweise auch von der Securities and Exchange Commission (SEC) in den USA gefordert wurde.

Wichtige Elemente von nachhaltigen Investitionsstrategien

Die Studie «EU-Offenlegungspflichten im Nachhaltigkeitsbereich und Schweizer Investitionen im Energiebereich» zeigt, dass alle Teilnehmenden aus den unterschiedlichen Wirtschaftssektoren die Dekarbonisierung als Megatrend ansehen.

Das hat zur Folge, dass

  • Energieversorger mit Blick auf die grüne Transformation der Wirtschaft und Investitionen ihren Fokus auf den Ausbau der erneuerbaren Energien richten.
  •  Rohstoffhändler ihr Geschäftsmodell an den jeweils nachgefragten Energiemix anpassen.

Finanzinstitute wiederum suchen bei der Umsetzung von Net Zero Strategien vermehrt qualitative «grüne» Vermögenswerte. Unternehmen, die im Vergleich zu ihren Konkurrenten auf ihren sektoriellen Transformationspfaden weiter vorangeschritten sind, werden von Investoren als potenzielle Gewinner der grünen Transformation und dementsprechend als interessante Investitionsmöglichkeiten angesehen. 

Transparenz-Vorschriften als Treiber für die grüne Transformation?

Finanzinstitute sehen gestützt auf die kommenden ESG-Transparenzvorschriften grosse operative Auswirkungen auf sich zukommen, die auch Treiber für die grüne Transformation in der Realwirtschaft sein können. Der Einfluss der heute bereits geltenden Transparenzvorschriften auf ihre konkreten Anlageentscheide hingegen wird aktuell als gering erachtet, da ESG-Daten bereits seit einigen Jahren als wichtige Entscheidungsgrundlage (als Ergänzung zur immer noch im Vordergrund stehenden klassischen Finanzanalyse) dienen. Deshalb haben auch die bisher neu eingeführten ESG-Transparenzvorschriften nicht automatisch zu einer veränderten Portfolio-Zusammensetzung geführt. Durch die erhöhte Transparenz verbessert sich jedoch die Datenverfügbarkeit und die entsprechenden Analysemöglichkeiten bzw. die Entscheidungsgrundlage der Investoren. Je besser diese Datenbasis sein wird, desto relevanter werden ESG-Daten für den Anlageentscheid im Anlageprozess. Für Energieversorger und Rohstoffhändler dagegen sind attraktive Standortbedingungen (natürliche Kapazitäten, nationale Förderung, etc.) und Planungssicherheit wichtiger für Investitionsentscheide als die geltenden ESG-Transparenzvorschriften.

Fazit

Die grüne Transformation ist ein wesentlicher Faktor für die langfristige Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. In einer Studie für das Bundesamt für Energie untersucht EY Schweiz die aktuelle Nachhaltigkeits-Berichterstattung von Finanzinstituten, Energieversorgern und Rohstoffhändlern in der Schweiz. Und analysiert den Einfluss heute geltender Transparenz-Vorschriften auf die Investitionsstrategien dieser Unternehmen.

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Von Stephan Geiger

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Stephan Geiger leads ESG Financial Services in Switzerland and has a long track record of governance and regulatory transformation projects.

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