Werden unsere Nachfahren voran gehen?

Von Michael Cadisch

Partner, Head of Private Client Law | EY Switzerland

He is Private Clients Leader for Law in Switzerland.

3 Minuten Lesezeit 9 Mai 2020

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist immer auch ein emotionales Thema. Es geht dabei um die Übergabe eines Lebenswerks und die Bewahrung einer Familientradition. Dies ist für alle Beteiligten, auch den Verwaltungsrat, eine Herausforderung.

Die Nachfolge in Familienunternehmen erstreckt sich gewöhnlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Es handelt sich um ein strategisches Projekt, das mit der Hilfe des Verwaltungsrats umgesetzt wird. In der Praxis bewährt sich ein strukturierter Prozess, in welchem mehrere Phasen durchlaufen werden: Initialisierung, Analyse der Ist-Situation, Evaluation, Vorbereitung sowie Übergabe und Abschluss. Emotionale Aspekte aufgrund der Sonderbeziehung Unternehmen-Unternehmer-Familie stellen für die Beteiligten und die Berater eine Herausforderung dar.

Phase 1: Initialisierung

Bereits in der Initialisierungsphase müssen die Bereiche Unternehmen-Unternehmer-Familie und die finanzielle Machbarkeit berücksichtigt werden. Im Rahmen der Eigner Strategie verschafft sich der Unternehmer umfassend Klarheit über die Situation des Unternehmens, der Familie und der Finanzen. Erfahrungsgemäss dauert dieser Prozess lange und wird zunächst vom Unternehmer «einsam» bestritten. Umso eruptiver tritt dann der Wille zur Umsetzung hervor.

Phase 2: Ist-Analyse

In der Ist-Analyse-Phase wird die Nachfolge im Unternehmen und in der Familie thematisiert und der zu durchlaufende Prozess in groben Zügen und in Varianten geplant. Dabei müssen alle Anspruchsgruppen miteinbezogen sowie die finanziellen, organisatorischen und persönlichen Zielvorstellungen definiert werden. Periodische Familienkonferenzen dienen als Informationsplattform. Es empfiehlt sich bereits in dieser Phase die Bestellung des Projektteams mit internen und externen Beratern.

Phase 3: Evaluation

In der Evaluationsphase geht es darum, mehrere Handlungsoptionen auf der Grundlage der Wünsche des Unternehmers und der verschiedenen Anspruchsgruppen zu erarbeiten. Im Idealfall gelingt es, die unterschiedlichen Ansprüche zu konsistenten, akzeptierten und praktisch umsetzbaren Handlungsmöglichkeiten zu aggregieren. Generell ist anzustreben, dass die Gespräche auf Augenhöhe stattfinden und dass unkonventionelle Fragen und Ideen der jüngeren Generation zugelassen werden. Getrennte Workshops helfen, der Nachfolgegeneration eine ungefilterte Äusserung von Wünschen und Ängsten in Bezug auf die private und berufliche Lebensgestaltung zu ermöglichen.

Phase 4: Vorbereitung

Die Vorbereitungsphase legt das Fundament für die Umsetzung der gewählten Nachfolgeregelung. Zur Vorbereitung gehört die Befähigung der potentiellen Nachfolger, die Anpassung der Unternehmensstrukturen sowie die Klärung der rechtlichen und steuerlichen Fragen. In dieser Phase muss Klarheit geschaffen werden, wie nicht-operativ tätige Nachfolger abgegolten werden und wie der Unternehmer den dritten Lebensabschnitt finanziell bewältigen kann. Emotionen sind zuzulassen, Missverständnisse auszuräumen, um die operative Lösung nicht zu gefährden.

Phase 5: Übergabe und Abschluss

Die Übergabephase beginnt, sobald der Unternehmer, der Nachfolger und das Unternehmen dafür bereit sind. In Familienunternehmen bleibt der Unternehmer dem Unternehmen oft noch während einer bestimmten Zeitspanne erhalten. Insbesondere für die Mitarbeiter und die Kunden kann dies in einer ersten Phase wünschenswert sein. In einem solchen Fall ist aber eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten bei der Unternehmensleitung und -gestaltung, an die sich der Unternehmer und der Nachfolger halten, zum Wohl des Unternehmens und aller Beteiligten unerlässlich. Formell abgeschlossen ist der Nachfolgeprozess, wenn der Unternehmer alle wesentlichen Funktionen im Unternehmen abgegeben hat.

Der Verwaltungsrat als Coach und Vermittler

Die Komplexität und Bedeutung der Nachfolge führt in manchen Fällen zu Friktionen innerhalb einer oder zwischen mehreren Anspruchsgruppen. Erfahrungsgemäss ist es langfristig für den Erfolg der Nachfolgeregelung entscheidend, dass Konflikte frühzeitig erkannt, angegangen und gelöst werden. Bei der Problembehandlung und -lösung kommt dem (externen) Verwaltungsrat eine bedeutende Rolle zu. Als oft langjähriger Begleiter des Unternehmers und Unternehmens ist seine Rolle als unabhängiger und erfahrener Coach und Vermittler gefragt. Zusätzlich kommt er für die Prozessbegleitung, die Evaluation der möglichen Nachfolgeoptionen sowie die Suche und Auswahl von möglichen Nachfolgern in Frage.

Die Nachfolge im Zeitalter der Digitalisierung

Die Digitalisierung betrifft auch Familienunternehmen. Obwohl der Stellenwert der Digitalisierung erkannt ist und in der Regel gute Grundlagen bei internen Prozessen und der Vernetzung zu Kunden und Lieferanten bestehen, ist die zentrale Herausforderung die Etablierung digitaler Geschäftsmodelle, die einen wesentlichen Ergebnisbeitrag leisten. Die Grösse und die häufig lokale Verankerung der Familienunternehmen oder das Denken in Generationen sind keine Gründe, die digitalen Herausforderungen nicht anzunehmen. Im Gegenteil: Durch ein geschicktes Ausnützen vorhandener IT-Möglichkeiten werden rasch und kostengünstig funktionierende Plattformlösungen gefunden, die sich für den Kunden und die Unternehmung auszahlen. Auf die Nachfolge hat die Digitalisierung nur einen indirekten Einfluss. Generell ist die jüngere Generation aufgeschlossener gegenüber neuen Technologien, was dazu führen kann, dass sich ein älterer Unternehmer dieser neuen Herausforderung nicht mehr stellen will und die Bereitschaft zur Übergabe beschleunigt wird. Was aber auch in Familienunternehmen verstärkt gefragt sein wird, sind Verwaltungsräte mit einer genügend grossen Affinität zu den Themen der digitalen Zukunft und einem entsprechenden Know-how. Dies gilt es zu überprüfen und allenfalls bei Neubesetzungen anzupassen.

Fazit

Die Unternehmensnachfolge ist eine strategische Aufgabe für das Unternehmen und die Familie. Leisten Sie durch eine vorausschauende Planung und Kontrolle der effektiven Umsetzung Ihren Beitrag.

Die Nachfolgebereitschaft ist die erste Voraussetzung für eine gelungene Nachfolge. Insbesondere beim Coaching des Unternehmenseigners und der Konfliktbereinigung kommt dem Verwaltungsrat eine wichtige Rolle zu.

Die Übernahmetauglichkeit des Unternehmens ist die zweite Voraussetzung für eine gelungene Nachfolge. Richten Sie Ihre Entscheidungen auf diesen Umstand aus.

Über diesen Artikel

Von Michael Cadisch

Partner, Head of Private Client Law | EY Switzerland

He is Private Clients Leader for Law in Switzerland.