5 Minuten Lesezeit 15 Dez. 2022
cargo container terminal

Wie die Lieferkettensicherheit durch den öffentlichen Sektor unterstützt werden kann

Autoren
Martin Eduard Debusmann

Government & Public Sector Consulting Partner | Switzerland

Senior Expert for global transformation, leads the Swiss Government & Public Sector Consulting business. Designs strategic visions, organizational transformations, innovation, digital acceleration.

Axel Timm

Government & Public Sector Consulting Partner | Switzerland

Axel is transforming organizations in different Industries, implementing ERP Applications around the globe. As trusted Advisor and Business Unit Leader he advises on Technology and Digitalization.

5 Minuten Lesezeit 15 Dez. 2022

EY zeigt auf, wie der öffentliche Sektor seine Lieferketten krisensicher ausgestalten kann.

Überblick
  • Globale Lieferketten gewannen in den letzten Jahren an sicherheitspolitischer Bedeutung.
  • Die Nichtverfügbarkeit versorgungskritischer Güter setzt eine Neuorganisation der Lieferketten voraus.
  • EY zeigt auf, wie der öffentliche Sektor eine krisensichere Ausgestaltung der Lieferketten mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen ermöglichen kann.

In den vergangenen Jahren setzten verschiedene Krisen die globalen Lieferketten unter Druck. Zu Beginn der Coronapandemie führten Produktionsstopps in Asien sowie die globalen Mobilitätseinschränkungen zu Lieferengpässen und legten die Schwächen der weltweit verzweigten Arbeitsprozesse offen. Die Invasion auf die Ukraine hat die Lage weiter verschärft. Die «Eiserne Seidenstrasse», welche Asien und Europa per Bahn verbindet, ist unterbrochen. Bisher zugänglicher Luftraum muss umflogen werden. Sinnbildlich für die Herausforderungen steht das Frachtschiff «Ever Given»: 2021 blockierte das Frachtschiff tagelang den Suez-Kanal. Der Welthandel wurde durch diese Blockade noch wochenlang in Mitleidenschaft gezogen.

Ausserhalb von Krisenzeiten tritt die Versorgungssicherheit politisch in den Hintergrund und wird primär eine betriebswirtschaftliche Frage. Ob und mit wie vielen Partnern ein Unternehmen seine Lieferketten organisiert, wird dabei von Aspekten wie Skalenerträgen, Kostenvorteilen, Risikoabsicherung und Marktzugang bestimmt. Erst in Krisenzeiten tritt die volkswirtschaftliche Dimension der Versorgungssicherheit zutage, beispielsweise dann, wenn Lieferländer mit bewussten Entscheidungen die Verfügbarkeit von Rohstoffen wie Öl, Gas oder seltenen Erdmetallen einschränken. Die sicherheitspolitische Dimension der Versorgungssicherheit – und damit auch ihre Bedeutung für die öffentliche Ordnung – spielt seit der COVID-19-Pandemie in der öffentlichen Diskussion wieder eine starke Rolle.

Die Nichtverfügbarkeit versorgungskritischer Güter in der Krise führte weltweit zu verstärkten Rufen nach mehr nationaler Eigenversorgung und robusten Lieferketten, wobei Letzteres in den meisten Fällen gleichgesetzt wird mit der Rückführung von Produktionsanteilen aus Schwellenländern in Industrieländer. Das jüngste Beispiel einer problematischen Abhängigkeit stellt die europäische Abhängigkeit von russischem Gas und Öl dar, welche diesen Winter zu Energieversorgungsengpässen führen könnte. Bei versorgungskritischen Gütern wie Energie kommt der Regierung und Verwaltung eine essenzielle Rolle in der Versorgung zu. 

Der Ruf danach, Lieferketten neu zu organisieren, um Abhängigkeiten zu reduzieren, setzt wie selbstverständlich voraus, dass Lieferketten transparent sind und jeder Partner entlang eines mehrstufigen Wertschöpfungsprozesses bekannt ist wie auch sein spezifischer Beitrag zum Endprodukt. Das ist – und genau hierin liegt die eigentliche Herausforderung – weitgehend nicht der Fall.

Sechs Dimensionen anpassungsfähiger Lieferketten

Die Komplexität unternehmerischer Lieferketten erschwert die Entwicklung eines robusten, transparenten, aber auch anpassungsfähigen Versorgungssystem für die Schweiz und andere Länder. Resiliente Lieferketten müssen anhand sechs wichtiger Dimensionen betrachtet werden:

Die räumliche Dimension: Jede Lieferkette verläuft durch Räume, die mehr oder weniger stabil sind und hängt von Transportwegen und -mitteln ab, bei deren Bau Staaten und Unternehmen unterschiedliche Interessen verfolgen. Der (Nicht-)Zugang zu diesen Räumen ist ein politwirtschaftliches Machtinstrument. Dies zeigen Beispiele wie Chinas Belt and Road Initiative, die europäische Konnektivitätsstrategie mit Asien oder die Überlegungen der US-amerikanischen Administration, ein Netzwerk der Prosperität mit gleichgesinnten Partnern aufzubauen.

Die technische Dimension: Die Technologieentwicklung, ein wesentlicher Treiber für global verzweigte unternehmerische Lieferketten, büsst ihre bisher kooperative Natur teilweise ein. Digitaltechnologien, die vernetzten und hoch automatisierten Produktionsabläufen nach dem Modell der Industrie 4.0 zugrunde liegen, werden seltener veröffentlicht. Durch die Exklusivität erhoffen sich Staaten signifikante Wettbewerbsvorteile.

Die finanzielle Dimension: Finanzielle Steuerung von Lieferketten wird von der Politik oftmals ausgeblendet. Resiliente Lieferketten bedingen Liquidität und finanzielle Sicherheit für alle Parteien. Liquidität wird über Finanzsysteme und -netzwerke gesteuert. Dies ist wiederum Digitaltechnologie und damit ist die finanzielle Dimension eng mit der technischen verknüpft. China und Russland zum Beispiel verfolgen Ziele, die mit der Teilnahme an westlichen Finanzsystemen nur bedingt kompatibel sind. Sie setzen verstärkt darauf, dem von westlichen Industrieländern dominierten Finanz- und Zahlungssystem eigene Lösungen entgegenzustellen. Mit separaten Zahlungssystemen entsteht jedoch für die Lieferkettenliquidität eine neue Bruchstelle.

Die zeitliche Dimension: Veränderungen in komplexen Systemen wie Lieferketten wirken auch in ruhigen Zeiten zeitlich verzögert. Das gilt sowohl für Unternehmensentscheidungen als auch für Regierungsentscheidungen, die sich auf den unternehmerischen Handlungsspielraum auswirken. In Krisenzeiten entsteht Druck, Verzögerungen zu reduzieren und zum Beispiel weniger Zeit in Konsultationen neuer Regulierungen zu investieren. Die Abschwächung vom Dialog zwischen Staat und Wirtschaft über Wirkungszusammenhänge dieser komplexen Systeme birgt jedoch die Gefahr asynchronen Verhaltens der Akteure.

Die Dimension der Nachhaltigkeit: Unternehmen stehen zunehmend in der Pflicht, innerhalb ihrer Lieferketten umwelttechnische und soziale Standards einzuhalten. Dies eröffnet Unternehmen die Chance, Wettbewerbsvorteile über nachhaltige Produkte abzuschöpfen. Gleichzeitig stehen Unternehmen nicht genug erprobte Instrumente zur Verfügung, um die Transparenz bezüglich der Nachhaltigkeit sicherzustellen. Gerade bei komplexeren, globalen Lieferketten stehen transparenzschaffende Massnahmen Widerständen oder Ineffizienzen der Quellenländer gegenüber, denen Unternehmen nicht genug Durchsetzungskraft entgegensetzen können.

Die politische Dimension: Das Weltbild der politischen Akteure definiert weitgehend, welchen Anforderungen Lieferketten – und damit die Unternehmen, die sie betreiben – genügen müssen. Wer als Politikerin bzw. Politiker Krisenfestigkeit als Nullsummenspiel versteht, wird mit seinem politischen Handeln Rahmenbedingungen schaffen wollen, die primär den Handlungsspielraum der nationalen Unternehmen stärkt, und möglicherweise die Ein- oder Rückführung von Produktionsanteilen in den eigenen Einflussbereich bevorzugen. Zu dieser isolationistischen Herangehensweise gibt es Alternativen: Lieferketten können auch durch vermehrte Kooperation zwischen Akteuren krisenfest ausgestaltet werden, oder durch Redundanzen.

Die Rolle des Staates

In der krisensicheren Ausgestaltung der Lieferketten schafft der Staat primär die Rahmenbedingungen, um Unternehmen zukunftsorientiertes Handeln entlang der sechs Dimensionen zu ermöglichen. Darunter können folgende Rahmenbedingungen fallen:

  1. Über Freihandelsverträge und erweiterte diplomatische Beziehungen können Anreize für Unternehmen geschaffen werden, in stabilen Ländern einzukaufen. Ausserdem kann damit der Zugang zu Raum, Technologie und Finanzen sichergestellt werden.
  2. Investitionen in die Schweizer Infrastruktur und die Forschung und Entwicklung fördert die Attraktivität des inländischen Produktionsstandortes und stellt die eigene Technologieentwicklung sicher.
  3. Die Schaffung eines Produktionssicherheitsindex bietet Unternehmen eine vereinfachte Information zu Chancen und Risiken in Produktionsländern. Damit wird es Unternehmen vereinfacht, die eigenen Lieferketten hinsichtlich der Resilienz zu überdenken.
  4. Damit die Versorgungssicherheit bei essenziellen Gütern gesichert ist, können Produktionskapazitäten im Inland oder nahen Ausland gewahrt werden. Dies ist in der Schweiz beispielsweise in der Landwirtschaft der Fall.
  5. Über den Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) Ansatz verbleiben Ressourcen im System und Lieferabhängigkeiten können reduziert werden. Damit die Circular Economy verstärkt in der Schweizer Wirtschaft verankert wird, können Bund und Kantone die richtigen Rahmenbedingungen setzen und in ihren eigenen Lieferketten vermehrt auf entsprechende Angebote achten. 

Der Business Model Canvas ist ein bekanntes Werkzeug, um neue Ideen in Organisationen strukturiert zu analysieren. Inspiriert davon hat EY seinen Circular Design Canvas entwickelt. Mit dieser und anderen Methoden helfen wir, das Potential unserer Kunden für die Einführung von Circular Economy Ansätzen strukturiert zu analysieren und zukunftsfähige Lösungen zu konzipieren.

Das EY Government & Public Sector Team hilft öffentlichen Verwaltungen dabei, eine nachhaltige krisenresistente Versorgung aufzubauen. Dazu gehören für uns auch eine Begleitung im Projektmanagement, Prozessmanagement und Risikomanagement. In der Schweiz arbeitet dieses Team mit 2'780 Mitarbeitenden zusammen, die eine grosse Bandbreite geschäftlicher, rechtlicher und technischer Expertise vereinen. Weltweit verbindet unser Netzwerk im Bereich des öffentlichen Sektors mehr als 20.000 Partner und Mitarbeitende aus über 100 Ländern. Sie alle teilen die Leidenschaft, den öffentlichen Sektor bei den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit, internationale Zusammenarbeit und Infrastrukturvorhaben zu unterstützen.

Fazit

Öffentlichen Verwaltungen stehen eine Reihe von Massnahmen offen, um die Versorgungssicherheit und die Lieferketten der Schweiz zu stabilisieren. EY unterstützt öffentliche Verwaltungen dabei, das optimale Portfolio an Massnahmen zu wählen und umzusetzen.

Über diesen Artikel

Autoren
Martin Eduard Debusmann

Government & Public Sector Consulting Partner | Switzerland

Senior Expert for global transformation, leads the Swiss Government & Public Sector Consulting business. Designs strategic visions, organizational transformations, innovation, digital acceleration.

Axel Timm

Government & Public Sector Consulting Partner | Switzerland

Axel is transforming organizations in different Industries, implementing ERP Applications around the globe. As trusted Advisor and Business Unit Leader he advises on Technology and Digitalization.