5 Minuten Lesezeit 7 Feb. 2022
Perle in nasser Auster

Erhöhte Governance Anforderungen an Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen im Wettbewerb

Von Patrik Schaller

Head Assurance Insurance Core in Financial Services | Switzerland

Committed to pension & health innovation. Relaxes while travelling and interacting with new people and cultures. Passionate about golf, tennis and skiing sport.

5 Minuten Lesezeit 7 Feb. 2022
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Mit der Einführung der neuen Weisungen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge erhöht sich die Führungsverantwortung. 

In Kürze
  • Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge hat neue Richtlinien zu Transparenz und interner Kontrolle erlassen
  • Die Anforderungen an die interne Kontrolle müssen von der zuständigen Revisionsstelle erstmals für das Geschäftsjahr 2022 überprüft werden
  • Das oberste Organ sollte die Übergangsphase nutzen, um seine Führungsinstrumente und internen Kontrollen zu stärken

Mit der Einführung der neuen Weisungen 01/2021 «Anforderungen an Transparenz und interne Kontrolle für Vorsorgeeinrichtungen im Wettbewerb» der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) erhöht sich die Führungsverantwortung der obersten Organe. 

Geschäftsjahr

2022

Überprüfung neuer Anforderungen an die interne Kontrolle

Die stiftungsweiten Kontrollvorgaben auf Ebene der Vorsorgeeinrichtung sind auf die Ebene der risikotragenden Solidargemeinschaften und Vorsorgewerke ausgeweitet worden. Die Anforderungen an die interne Kontrolle müssen erstmals für das Geschäftsjahr 2022 von der zuständigen Revisionsstelle überprüft werden.

Vorab stellt sich die Frage, welche Vorsorgeeinrichtungen den neuen Weisungen der OAK BV unterliegen: Es sind diejenigen Einrichtungen mit mehreren angeschlossenen Arbeitgebern oder Rentnerbeständen, die im Wettbewerb um Anschlüsse von Arbeitgebern oder Rentnerbeständen stehen. Massgebend sind die jeweiligen statutarischen oder reglementarischen Grundlagen. Bei Unsicherheiten ist empfehlenswert, diese Abklärung mit der zuständigen Direktaufsicht abzustimmen.

Das oberste Organ ist nach Art. 51a BVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 BVV 2 verantwortlich dafür, im Rahmen der Ausgestaltung der Organisation und Geschäftsführung der Vorsorgeeinrichtung, angemessene interne Kontrollen sicherzustellen. Schlüsselkontrollen bis auf Stufe der risikotragenden Solidargemeinschaften und Vorsorgewerkemüssen nachweislich existieren.  Man spricht auch von Look-Through-Anforderungen, womit die Transparenz über alle Stufen gemeint ist.

Die Geschäftsführung hat gegenüber dem obersten Organ eine Bringschuld für zusätzliche Informationen, das oberste Organ gegenüber der Geschäftsführung eine Holschuld.

Die Geschäftsführung hat gegenüber dem obersten Organ eine Bringschuld, indem sie die zusätzlichen Informationen bündelt und in die Führungsgremien einbringt. Auf der Gegenseite ist das oberste Organe im Sinne einer Holschuld gefordert, seine Bedürfnisse und Anforderungen an die Geschäftsführung zu konkretisieren.

Abgeleitet vom Strukturmodell der Vorsorgeeinrichtung werden die notwendigen Überwachungskontrollen ergänzt. Relevant sind die Ebenen, denen die versicherungs- und anlagetechnischen Risiken zugeordnet sind. Die höchste Stufe an Komplexität mag bspw. eine Sammelstiftung sein, welche ihren risikotragenden Vorsorgewerken die freie Wahl der Umwandlungssätze und die Wahl von Anlagelösungen überträgt.

Es liegt nahe, dass eine derartige Vorsorgeeinrichtung höhere Anforderungen an die finanzielle Führung und an die interne Kontrolle verlangt als eine Gemeinschaftsstiftung mit einem einzigen Vorsorgeplan und einer einheitlichen Anlagestrategie.

An dieser Stelle ist zu verdeutlichen, dass selbst bei Übertragung von Kompetenzen an die Solidargemeinschaften und Vorsorgewerke die Gesamtverantwortung nach Art. 51a BVG nach wie vor beim obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung bleibt. Entscheidend ist, dass die Kompetenzen und Aufgaben in einem Organisationsreglement oder im Anschlussvertrag definiert sind und dass die internen Kontrollen auf allen Ebenen der Vorsorgeeinrichtung nachweislich gelebt werden. 

Die Ausgestaltung der internen Kontrollen auf allen Ebenen bewirken, dass die Entscheidungsträger u.a.

  • ausreichend über die relevanten Risiken informiert sind, um die zeitnahe und effektive Überwachung und Steuerung sicherzustellen;
  • die Interessenskonflikte kennen, um allfällige Massnahmen einzuleiten;
  • die bedeutenden Rechtsgeschäfte mit Nahestehenden kennen, um die Marktkonformität zu beurteilen;
  • lediglich Anlageprodukte und -strategien zulassen, die nach dem Anlagereglement auf Stufe der Vorsorgeeinrichtung erlaubt sind;

Aus obigen Anforderungen an die interne Kontrolle ergeben sich etliche Umsetzungsfragen:

  • Loyalitätserklärung

    Sollen sämtliche Vorsorgewerke von ihren Vorsorgekommissionsmitgliedern eine Loyalitätserklärung ausfüllen lassen? Wohl kaum, dennoch könnte ein komprimierter, jährlicher Fragebogen zuhanden der Vorsorgewerke die notwendigen Informationen an die Oberfläche bringen. Praktische und effiziente Lösungen werden im Vordergrund stehen, um einem potenziellen «Overkill» an administrativen Aufgaben entgegenzuwirken. 

  • Erweiterung der Anlagemöglichkeiten

    Falls ein Vorsorgewerk die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten nach Art. 50 Abs. 4 BVV 2 beansprucht, sollte das oberste Organ auf Ebene der Vorsorgeeinrichtung die Erweiterungsbegründung verstehen und gutheissen. 

  • Sanierungsmassnahmen

    Das gleiche gilt bei Sanierungsmassnahmen. In Schieflage geratene Vorsorgewerke sollen vom obersten Organ überwacht werden. Sind die geplanten Sanierungsmassnahmen des Vorsorgewerkes nicht zielführend, wird das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung intervenieren müssen – selbstverständlich unter Einbezug des Experten für berufliche Vorsorge. Je nach Individualisierung der Vorsorge- und Anlagemöglichkeiten drängen sich zudem regelmässige, adäquate Asset-Liability-Analysen auf Stufe der risikotragenden Solidargemeinschaft resp. Vorsorgewerke auf (in Anlehnung an Art. 51a Abs. 2 lit. n BVG).

  • Vollversicherungslösungen

    Wie sieht es bei Vollversicherungslösungen aus? Vollversicherungslösungen verlangen eine differenzierte Betrachtungsweise. Diese unterliegen auch den neuen OAK-Weisungen. Nichtsdestotrotz sollte das oberste Organ einer SGE mit Vollversicherung folgende Risiken nicht aus den Augen lassen:

    • Erkennen und Abwicklung von Teilliquidationstatbeständen
    • Verteilung freier Mittel (eingebracht von den Vorsorgewerken)
    • Verteilung von Rückstellungen aus Sondermassnahmen

Komplex ausgestaltete und bedeutende Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen werden gefordert sein, die zusätzlichen Informationen den obersten Organen für die ausgeweitete finanzielle Führung zur Verfügung zu stellen. Automatisierte Prozesse und moderne Informationssysteme werden unausweichlich sein, um fehleranfällige, manuelle Prozesse für die Informationsaufbereitung weitmöglichst zu ersetzen. Letzlich geht es darum, den obersten Organen griffige und zeitgerechte Führungsinstrumente zur Verfügung zu stellen.  Effiziente Abwicklungsprozesse und Management-Informations-Systeme sind die kritischen Erfolgsfaktoren für die Stiftungsräte. Die den OAK-Weisungen unterliegenden Vorsorgeeinrichtungen sind gut beraten, die Übergangsphase bis Ende 2022 entsprechend zu nutzen, um ihre Systeme und Kontrollen entsprechend auszubauen.

Dieser Artikel erschien erstmals in leicht abgeänderter Form in der Zeitschrift "Schweizer Personalvorsorge", Ausgabe 08/21

Fazit

Mit der Einführung der neuen Weisungen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge haben sich die Führungsaufgaben der obersten Organe primär von Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen verschärft. Der Stiftungsrat tut gut daran, vorab die Systeme der internen Kontrolle flott zu machen. Das oberste Organ wird seine Führungsinstrumente und internen Kontrollen ausbauen müssen, um seine Verantwortung auf allen Ebenen der Vorsorgeeinrichtung sicherzustellen. 

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Von Patrik Schaller

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