Schweizer Unternehmen sollen gesetzlich verpflichtet werden, über Risiken ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sowie über die dagegen ergriffenen Massnahmen Bericht zu erstatten.
Nationale Regulatoren stützen sich vermehrt auf international anerkannte Rahmenwerke. So hat zum Beispiel die FINMA die Transparenzpflichten zu klimabezogenen Finanzrisiken im Rundschreiben Offenlegung Versicherer[i] konkretisiert, welches an TCFD angelehnt ist. Damit zielt die FINMA auf eine proportionale und prinzipienbasierte Ausgestaltung der Offenlegung ab, welche erstmals für die Berichterstattung 2021 der grossen Versicherungsunternehmen (Aufsichtskategorien 1 und 2) anwendbar ist. Auf nationaler Ebene soll nebst dem FINMA-Rundschreiben auch der indirekte Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative[ii] für mehr Transparenz sorgen: Schweizer Unternehmen sollen gesetzlich verpflichtet werden, über Risiken ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sowie über die dagegen ergriffenen Massnahmen Bericht zu erstatten. Die neuen Bestimmungen dazu traten am 1. Januar 2022 in Kraft und sind, einem Proportionalitätsprinzip folgend, mit einer Übergangsfrist von einem Jahr für grosse Unternehmen[iii] ab 2023 anwendbar. Die Präzisierung der Anforderungen an die Klimaoffenlegungspflichten, die im Rahmen des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative eingeführt wurden, erfolgt über die Verordnung zur Klimaberichterstattung für grosse Schweizer Unternehmen[iv] . Der Bundesrat hat am 30. März 2022 die Vernehmlassung eröffnet und strebt die verbindliche Umsetzung von TCFD für grosse Schweizer Unternehmen an mit dem gleichen Ziel der Transparenzerhöhung und Vergleichbarkeit der Informationen zu Klimabelangen und Klimazielen.
Aber nicht nur auf eine verstärkte Transparenz der Unternehmen wird national der Fokus gelegt, sondern auch auf die Gefahr des Greenwashings. Diese hat die FINMA mit ihrer Aufsichtsmitteilung zur Prävention und Bekämpfung von Greenwashing[v] ausgeführt.
Auf EU-Ebene wird die neue Nachhaltigkeitsgesetzgebung mit einer Vielzahl von Verordnungen ebenso immer weiter ausgerollt. Für Unternehmen wird besonders die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Anforderungen an den Umfang und die Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung erweitern. Sie wird Unternehmen, voraussichtlich ab dem Geschäftsjahr 2023, verpflichten, über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu berichten.
Für Versicherungen hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) im Rahmen ihrer Aktivitäten zur nachhaltigen Finanzwirtschaft Veröffentlichungen und Empfehlungen herausgegeben. Sie befassen sich mit zentralen Fragen des klimawandelbedingten Risikos für den Versicherungssektor und tangieren damit Rahmenwerke wie Solvency II und die EU Taxonomy, welche ebenso konkretisiert werden. Die Solvency II Rahmenrichtlinie sieht hierzu eine stärkere Verankerung klimabezogener Faktoren in der Risikoeinschätzung (ORSA) und die Miteinbeziehung von physischen Risiken beim Underwriting vor.
Zusätzlich soll die Insurance Distribution Directive (IDD) Klarheit über die treuhänderischen Pflichten in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte schaffen und Versicherungen anhalten, Nachhaltigkeitsrisiken in ihrem Risikomanagement und insbesondere in ihren Bewertungen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Versicherungen, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, nicht nur an ihren Offenlegungsprozess denken müssen, sondern auch an die Anpassungen von internen Risikomodellen und -prozessen, um zum Beispiel Klimaszenarien innerhalb des ORSA-Prozesses und der damit verbundenen Offenlegung zu berücksichtigen. Diese EU-Regulatorien werden insbesondere für Schweizer Versicherungsgruppen relevant, welche in der EU Tochtergesellschaften haben.
Auf internationaler Ebene sind weitere Änderungen in nächster Zeit absehbar. So hat beispielsweise die US Börsenaufsicht SEC (United States Securities and Exchange Commission) [i] ebenfalls Anpassungen der Offenlegungsstandards vorgesehen, welche voraussichtlich ab Jahresende 2023 in Kraft treten. Unternehmen sollen zukünftig klimabezogene Informationen im Geschäftsbericht offenlegen, unter anderem in Bezug auf Governance, Risk Management sowie mögliche materielle Konsequenzen der Klimarisiken auf den Jahresabschluss und die Strategie. Die SEC sieht ausserdem explizit vor, dass Treibhausgasemissionen (Scope 1 und 2) offengelegt werden und grosse Unternehmen auch Emissionen, welche durch dritte Unternehmen in der Lieferkette (Scope 3) verursacht werden, offenlegen.
Auch das UNDP Sustainable Insurance Forum ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Es stellt einen globalen Zusammenschluss von 33 Versicherungsaufsehern und -Regulierungsbehörden dar, um Antworten auf die neuen Nachhaltigkeitsherausforderungen des Versicherungssektors zu erarbeiten.
Bisher ist die Vielzahl der regulatorischen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsoffenlegung für Schweizer Versicherer noch auf freiwilliger Basis und folgt dem Proportionalitätsprinzip. Es ist aber zu erwarten, dass diese kontinuierlich harmonisiert und ausgebaut und daher bald für Versicherungsunternehmen jeder Grösse relevant sein werden. Versicherer sollten die Berichterstattung deshalb vorausschauend vorbereiten und nicht abwarten, bis diese gesetzlich verpflichtend wird.
Antwort auf die verstärkte Offenlegungspflicht
Eine zuverlässige Nachhaltigkeitsoffenlegung muss gut durchdacht und mit der Unternehmensstrategie abgestimmt sein, um nicht nur eine einheitliche Aussenwirkung sicherzustellen, sondern auch einen kontinuierlichen Ausbau der Offenlegung gewährleisten zu können. Die in der Berichterstattung gesammelten Informationen können genutzt werden, um die Strategie zu definieren, Risiken zu steuern und langfristig eine stärkere und nachhaltigere Leistung zu erzielen.
Eine der Herausforderungen in der Nachhaltigkeitsoffenlegung ist das Datenmanagement, insbesondere die Beschaffung neuer und korrekter Daten von diversen externen und internen Datenquellen sowie die konsistente Kalkulation der Kennzahlen für die Offenlegung. Versicherer müssen sicherstellen, dass sie die richtige Auswahl der externen Datenanbieter treffen und genügend Daten von ausreichender Qualität für die Offenlegung nutzen können. Die schnell wachsende Anzahl von externen Datenanbietern sowie die steigenden Anforderungen an die Offenlegung erhöhen die Komplexität in der Sammlung und Bereitstellung von Nachhaltigkeitsdaten. Eine strategische End-to-end-Konzeption und Umsetzung des Offenlegungsprozesses bieten die Chance, diese direkt mit der Nachhaltigkeitsdatenstrategie zu verknüpfen und auch etwaige Automatisierungsmöglichkeiten zu realisieren.
Die Verantwortlichkeit für den Offenlegungsprozess in der Organisation ist eine ebenso entscheidende Frage. Derzeit kann diesbezüglich noch kein einheitlicher Trend in der Schweizer Versicherungsindustrie erkannt werden; so ist der Prozess meist entweder in einem dezidierten Nachhaltigkeitsteam, im Risiko-, Finanz- oder Kommunikationsbereich angesiedelt. Unabhängig davon ist eine frühzeitige Abstimmung mit anderen Organisationseinheiten notwendig, um Synergien zu schaffen sowie Redundanzen und Inkonsistenzen zu vermeiden. Dabei müssen auch die regulatorischen Entwicklungen und eventuelle zukünftige Anforderungen bedacht werden (wie beispielsweise der indirekte Gegenvorschlag der Konzernverantwortungsinitiative oder die Entwicklungen im Rahmen von IFRS), welche die Nachhaltigkeitsoffenlegung als Teil der Finanzberichterstattung oder regulatorischen Offenlegung eines Versicherers verlangen.
Aus Kunden- und Investorensicht wird das Vertrauen in die Nachhaltigkeitsberichterstattung immer relevanter, da kontinuierlich mehr Fragen zur Tiefe und Verlässlichkeit der Angaben zu erwarten sind. Versicherer müssen rechtzeitig darlegen können, wie sie Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, mit den verbundenen Risiken umgehen und ihre Prozesse ausbauen, um beispielsweise Greenwashing zu bekämpfen. Um dieses Vertrauen zu stärken, sollte die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch robuste Governance, Prozesse, Kontrollen und Daten unterlegt sein und unabhängig überprüft werden.
Bei internationalen Versicherungsgruppen sind ausserdem die rechtzeitige Abstimmung und Konsistenz in der Offenlegung der Gruppe sowie in den unterschiedlichen Einheiten sicherzustellen. Da die ausländischen Anforderungen in vielen Fällen bereits weiter fortgeschritten sind als die schweizerischen, müssen Gruppengesellschaften frühzeitig ihre Gruppenstrategie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung definieren und sicherstellen, dass die lokalen Einheiten konsistent vorgehen und keine Ineffizienzen entstehen durch unabhängige lokale Prozesse, welche direkt von der Gruppe gesteuert werden könnten.
Chancen und Risiken für Versicherer
Über die Erfüllung von regulatorischen und gesetzlichen Anforderungen hinaus können Versicherer eine umfassende Nachhaltigkeitsoffenlegung als Chance nutzen, sich der Öffentlichkeit gegenüber zu positionieren und insbesondere zu zeigen, dass sie ihren Beitrag für eine nachhaltigere Welt und für den Klimaschutz leisten. Die Offenlegung von innovativen Produkten und nachhaltigen Investments, aber auch des Fortschritts in der Reduktion des eigenen CO2-Fussabdrucks und in weiteren Nachhaltigkeitsaspekten kann für Kunden und Investoren ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal darstellen.
Dies birgt aber nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken. Insbesondere muss beachtet werden, die Offenlegung objektiv und konsistent zu gestalten, um beispielsweise das Risiko von Greenwashing oder andere Reputationsrisiken und kostspielige Folgen für die gesamte Versicherungsgruppe zu mindern.
Die regulatorischen Rahmenwerke, anerkannten Offenlegungsstandards und branchenspezifischen Leitfäden dienen hierbei als Hilfestellung. Insbesondere die Offenlegung von Nachhaltigkeitsaktivitäten und Kennzahlen entlang einheitlich definierter, messbarer Kriterien dient der Transparenz sowie der Vergleichbarkeit im Markt. Um steigenden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, sollte der Prozess zur Nachhaltigkeitsoffenlegung ausreichend durchdacht oder skalierbar aufgesetzt werden, sodass es zu weniger nachgelagerten kostenintensiven Prozessanpassungen kommt.
Ausserdem können bei neuen Produkten auch die Preisgestaltung und die dezidierte Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren eine Herausforderung darstellen, sodass diese kompetitiv wie auch transparent sind und auch bewusst kommuniziert wird, dass nicht alle neuen Risiken versicherbar sind.
Letztlich darf nicht vergessen werden, dass eine strategische Konzeption und Implementierung des Nachhaltigkeitsoffenlegungsprozesses einen grossen initialen Aufwand darstellen können. Auf längere Sicht wird sich dieser aber auszahlen.
Fazit
Der Fokus der internationalen Gemeinschaft sowie die regulatorischen Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit stellen Versicherungen vor neue Herausforderungen. Auch gesellschaftlich und politisch werden sie in die Verantwortung genommen, Nachhaltigkeitsrisiken besser zu verstehen und Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen. Mit einer konsistenten Berichterstattung sollen Versicherungen Transparenz bezüglich ihrer Nachhaltigkeit schaffen.
Danksagung
Wir danken Johanna Hetzmannseder für ihren wertvollen Beitrag zu diesem Artikel.