5 Minuten Lesezeit 21 März 2022
Arbeiten im modernen Büro

Wie können Versicherungsanbieter ihr Geschäft von innen heraus transformieren?

Von Jörg Schwanemann

Associate Partner, Financial Services Consulting, Ernst & Young AG

Avid reader of political, philosophical and environmental publications. Passionate golfer. Loves ice hockey.

5 Minuten Lesezeit 21 März 2022
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Versicherungsanbieter müssen mit dem technologischen Fortschritt und den sich ändernden Kundenbedürfnissen Schritt halten. Dafür sollten sie auf eine plattformbasierte Zusammenarbeit anstatt auf externe Lösungen von FinTech-Anbietern setzen.

In Kürze
  • Die Kunden erwarten, dass das Versicherungsprodukt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist, in eine nahtlose Online-Erfahrung eingebettet ist und ihnen Zugang zu Innovationen verschafft, die über die reine Versicherung hinaus gehen. 
  • Ein wesentlicher Faktor zur Erfüllung dieser Bedürfnisse und zur Transformation des Geschäfts ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Player.
  • EY Nexus vereint die wichtigsten Key Player in der Versicherungs-Wertschöpfungskette auf eine Weise, die Innovationen und Transformationen ermöglicht.

Wir leben in einer Welt, in der technologische Fortschritte sämtliche Aspekte unseres Lebens und unserer Interaktionen revolutionieren. Die Versicherungsbranche bildet dabei sicherlich keine Ausnahme. Kunden sind aus anderen Branchen wie Reiseveranstaltern, dem Onlinehandel und Eventagenturen an den Komfort und die Bequemlichkeit massgeschneiderter digitaler Erfahrungen gewöhnt und erwarten von ihren Versicherern nahtlose, personalisierte Dienstleistungen. Gleichzeitig sehen sich Versicherungsunternehmen mit einer immer schnelleren Entwicklung technologischer Lösungen und immer kürzeren Innovationszyklen konfrontiert. Viele haben Schwierigkeiten zu entscheiden, wann und wo sie Technologien wie Chatbots, KI und Mobiltechnologien einsetzen sollen.

Doch führt kein Weg daran vorbei. Die Kunden von heute verlangen nicht nach Pauschalangeboten, sondern nach Produkten und Lösungen, die genau ihren Bedürfnissen entsprechen. Eine effektive digitale Strategie bietet Kunden mehr Personalisierung und Produktflexibilität, erleichtert dem anbietenden Unternehmen aber auch die Standardisierung. Exakt hier liegt das Dilemma für die Versicherer: die Erschaffung von Produkten, die auf die Wünsche der Kunden zugeschnitten sind, jedoch unter Verwendung eigener standardisierter Prozesse des Unternehmens. Die Definition und Umsetzung einer Strategie, die genau dies bewirkt, ist zweifellos nicht einfach. Dies gilt umso mehr, als Versicherer sich in der Vergangenheit neuen Technologien eher zögerlich angenähert haben und sich mit dem Loslassen alter Systeme und Strukturen häufig noch schwertun. Ein Grund für die geringe Bereitschaft, sich von diesen wenig zukunftstauglichen Systemen zu trennen, ist das grosse Datenvolumen, das in ihnen gespeichert ist. Doch es ist genau der Wert dieser Daten, den sie in Ermangelung einer geeigneten Technologie möglicherweise nicht gewinnbringend nutzen können.

Stabil aber überholt, fragmentiert und komplex, fehlt es veralteten Systemen an der Flexibilität und Agilität, die benötigt werden, um in der Versicherungsbranche heute erfolgreich bestehen zu können. Gleichzeitig entwickelt sich die IT-Infrastruktur häufig zu einem von der Geschäftstätigkeit vollkommen losgelösten, eigenständigen Bereich. Dies führt vielfach dazu, dass die IT ihre Rolle als Innovationspartner für das Unternehmen nicht so ausfüllen kann, wie es nötig wäre.

Die Herausforderungen für IT und Unternehmen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, und viele Änderungen stehen erst noch bevor. Die Innovationsbereitschaft ist auf der Strategieagenda von CEOs zu einem zentralen Thema geworden.
Jörg Schwanemann
Associate Partner, Financial Services Consulting, Ernst & Young AG

Um eine digitale Transformation des Geschäftsmodells zu erreichen, müssen Versicherer in der Lage sein, flexibel auf externe Einflüsse zu reagieren. Bisher haben sie ihre Fähigkeit zur Durchführung solcher Transformationen lediglich im Zusammenhang mit der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Vorgaben wie den Solvency-II-Regeln der Europäischen Union und den Änderungen der Berichterstattung gemäss IFRS demonstriert. Der gleiche Grad an Flexibilität ist jedoch gefordert, wenn es darum geht, sich auf die veränderten Kundenerwartungen einzustellen und sich dabei nicht ausschliesslich auf digitale Erfahrungen zu beschränken. Da Kunden nach innovativen Lösungen Ausschau halten, die unmittelbar angewendet werden können, sind kurze Markteinführungszeiten äusserst wichtig. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoller, zunächst ein MVP zu erschaffen und dieses fortlaufend zu verfeinern, anstatt jahrelang ununterbrochen auf der Suche nach der absoluten Perfektion an einem Produkt herumzutüfteln. Die praktische Erfahrung mit dem Produkt am Markt bietet die Gelegenheit für eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Tatsächlich ist die Markteinführungszeit in einer Start-up-Umgebung erheblich wichtiger als das Produkt an sich. Die meisten Innovatoren glauben, dass der Rückblick auf das Produkt des letzten Jahres ein Gefühl der Peinlichkeit auslösen sollte – andernfalls hätte man zu viel Zeit bis zur Markteinführung verstreichen lassen.

Transformation lässt sich nicht mehr im Alleingang bewältigen. Vielmehr müssen Versicherer mit anderen Anbietern zusammenarbeiten. Wir glauben, dass die erfolgreichen Versicherungsanbieter der Zukunft verschiedene Partner auf einer Plattform zusammenbringen und auf diese Weise alle kritischen Faktoren der Versicherungs-Wertschöpfungskette zu einem starken Ökosystem bündeln werden, das folgende Bereiche abdeckt:

  • Produktentwicklung
  • Underwriting
  • Marketing und Vertrieb
  • Policenverwaltung
  • Fakturierung
  • Schadenmanagement
  • Kundenservice

Der Versicherer entscheidet zwar, welche Anbieter mit ins Spiel gebracht werden, der „Spielmacher“ bleibt jedoch immer der Kunde.

Wie können wir in einer hybriden Welt für eine bessere Kundenerfahrung sorgen?“ Dies ist eine der drängendsten Fragen in der Finanzdienstleistungsbranche, insbesondere angesichts des Erfordernisses, mithilfe eines automatisierten zentralen Prozesses passgenaue Lösungen anzubieten.
Christian Thier
Head of Financial Services Industry at Microsoft Switzerland

EY unterstützt Sie bei der Transformation mit Nexus, unserer Cloud-nativen Plattform, die Ihrem Unternehmen Zugang zu den fortschrittlichsten Technologien in der Versicherungsbranche verschafft. EY Nexus ermöglicht es Versicherungsanbietern, neue Produkte, neue Geschäftsmodelle und sogar vollkommen neue Marken in weniger als zwölf Monaten auf den Markt zu bringen. Die Microsoft Azure Cloud bietet global die passende technische Umgebung für die Implementierung von Nexus. Dank der Azure Datacentern in der Schweiz können dabei auch kritische Bedürfnisse der Finanzbranche im Umgang mit Kundendaten berücksichtigt werden. 

working in modern office

EY Nexus für die Versicherungsbranche

EY Nexus ermöglicht es Versicherern, benötigte Services, Ressourcen und Technologien auf ihrer eigenen Plattform anzubieten.

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EY hat verschiedene Kunden aus der Versicherungsbranche bei ihren Transformationsprojekten unterstützt. Zur Veranschaulichung zwei Beispiele:

  • How a large national US insurer build up a second brand for product innovations

    Ein grosses US-Versicherungsunternehmen suchte nach Möglichkeiten für die Etablierung einer alternativen Marke zur Einführung von Produktinnovationen und schuf deshalb eine Untermarke. Das erste Produktangebot beinhaltete innovative Kfz-Versicherungen, deren Prämien auf den gefahrenen Kilometern basierten. EY erstellte das Kundenangebot sowie die technologische Plattform und kümmerte sich um die Produkteinführung. In dem Kundenangebot konzentrierten wir uns auf die Produktpersonalisierung. Die Plattform war so konzipiert, dass sie alle benötigten End-to-End-Services umfasste, und die Produkteinführung wurde in weniger als einem Jahr realisiert.

  • European insurer – pet insurance as product innovation

    Diese Innovation wurde durch einen der grössten europäischen Versicherungsanbieter, der in seinem Heimatmarkt seit Jahren ausserordentlich erfolgreich ist, vorangetrieben. Das Unternehmen wollte eine allgemeine Plattform für die Einführung von Innovationen ausserhalb der bestehenden Systemlandschaft schaffen. Für alle Bereiche der Produktentwicklung von der Konzeption bis hin zur Implementierung und Durchführung wurde eine „Test & Learn“-Umgebung geschaffen, mit dem Fokus auf neue Produktentwicklungen für alternative Vertriebskanäle sowie auf Methoden zur Internationalisierung vorher ausgelagerter Geschäftsmodelle.

    Nach dieser allgemeinen Phase wollte der Versicherer vor allem den Machbarkeitsnachweis (Proof of Concept; PoC) für das Angebot von Haustierversicherungen auf der Plattform erbringen. Haustierversicherungen sind in der Schweiz noch relativ neu, während sie im Vereinigten Königreich bereits seit einigen Jahren sehr erfolgreich vermarktet werden. Der Versicherer wollte drei wesentliche Bereiche mittels EY Nexus abdecken:

    • Kundenbindung
    • Verkauf von Policen
    • Vertragsmanagement

    Bei der Kundenbindung setzte er auf Personalisierung der Produkte und grösstmögliche Individualisierung der Kundenerfahrung. Der Verkauf von Policen umfasst die Festlegung von Versicherungstarifen und -prämien sowie bei Bedarf die Durchführung von Hintergrundüberprüfungen (z. B. Bonitätsbewertungen), des Weiteren die Erstellung von Angeboten, die Verwaltung, die Ausfertigung von Policen und Zahlungstransaktionen. Als Teil des personalisierten Policenmanagements erhielten die Versicherungsnehmer ihr eigenes Konto im Kundenportal, was einen schnellen und unkomplizierten Überblick über alle relevanten Informationen zur Versicherungsdeckung sowie den Status der Police ermöglichte. Da das Produkt an sich bereits existierte, bis dahin jedoch ausgelagert war, konnte dieser Teil innerhalb weniger Wochen realisiert werden.

Fazit

Versicherungsunternehmen von heute müssen die immer anspruchsvolleren Erwartungen der Kunden erfüllen. Dazu zählen u. a. vollständig personalisierte Dienstleistungen und wertvolle digitale Erfahrungen. Gleichzeitig müssen sie in der Lage sein, interne Geschäftsprozesse zu standardisieren und zu automatisieren. Hierfür ist es erforderlich, mit dem rapiden technologischen Fortschritt Schritt zu halten und technologisch agil zu bleiben, um auf unerwartete und hoch disruptive Ereignisse reagieren zu können. Um ihr Unternehmen für diese sich verändernden Rahmenbedingungen zu rüsten, müssen Versicherer mit anderen Anbietern in der Versicherungs-Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Dies wird durch digitale Plattformen wie EY Nexus ermöglicht.

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Von Jörg Schwanemann

Associate Partner, Financial Services Consulting, Ernst & Young AG

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