5 Minuten Lesezeit 9 Juni 2021
Lagerleiter geht und spricht mit Senior Manager

Wie können die aktuellen Erschütterungen der Lieferketten zu Kostensenkungen und ihrer verbesserten Steuerung führen?

5 Minuten Lesezeit 9 Juni 2021

COVID-19 sorgt für anhaltende Störungen der Lieferketten. Die damit einhergehende Unsicherheit setzt diesen Bereich unter Kostendruck.

In brief
  • Durch den erhöhten finanziellen Druck und Volatilität, ist die strategische Bedeutung von Lieferketten zur Kostensenkung grösser denn je.
  • Supply-Chain-Teams müssen ihre Wertschöpfungsketten von Beginn bis Ende auf mögliche kurz-, mittel- und langfristige Hebel zur Verbesserung der Kosten und ihrer Steuerung untersuchen.
  • Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist der Übergang von einmaligen Kostensenkungen zu wiederkehrenden, nachhaltigen Einsparungen.
  • Digitale Tools erfordern zwar frühe Investitionen, bieten aber erhebliche Vorteile in Bezug auf Kosten, Effizienz und Kontrolle.

In 2021 müssen Supply-Chain-Teams unter schwierigen Umständen die Versorgung sichern, finanzielle Volatilität bewältigen und zugleich ihre Kosten eindämmen. Durch die Pandemie lag das Augenmerk erneut auf den Ausgaben, und das nicht zum letzten Mal. Da 50-75 % aller Kosten direkt von Lieferketten abhängig sind, sind die gegenwärtigen Turbulenzen eine Gelegenheit, diese genauer unter die Lupe zu nehmen und sich an die ändernden Bedürfnisse und Bedingungen anzupassen. Gezielte Analysen decken Ineffizienzen auf, die sich aufgrund zunehmender Komplexität in die globalen Lieferketten einschleichen. Optimierungsprogramme können den Umsatz sowie die COGS und SG&A, die sich auf das Endergebnis auswirken, drastisch verbessern. Hierdurch entspannt sich auch die Liquiditätslage – ein essenzieller Aspekt im derzeit unsicheren Wirtschaftsumfeld. 

Vor diesem Hintergrund ist die strategische Bedeutung der Lieferkette grösser denn je und Chief Supply Chain Officers haben die einmalige Gelegenheit, ihre Stärken auszuspielen.

Erste Schritte

Um die Kostenlage – und das Potenzial für Kostensenkungen – umfassend einzuschätzen, ist im Bereich der Lieferkette eine Fokus auf alle SCOR-Dimensionen (Planung, Bezug, Beschaffung, Fertigung, Logistik und Vertrieb) erforderlich. Die Segmentierung der Lieferketten ermöglicht es, Optimierungshebel zu identifizieren und zu priorisieren, sodass sofortige Vorteile und längerfristig substanzielle Einsparungen erzielt werden können.  Je nach Geschäftsmodell und Aufbau des Unternehmens gibt es unterschiedliche Hebel. Die hypothesenbasierte Methode von EY bietet jedoch einen generellen, strukturierten Ansatz für eine schnelle und nachhaltige Kostensenkung.

Einmal identifiziert, können die wichtigsten Hebel in NOW, NEXT und BEYOND eingeteilt werden. So erhält man die sofort nutzbringenden, schnellen Vorteile einfach erreichbarer Ziele und stellt zugleich einen Fahrplan für Einsparungen auf, der in Bezug auf Kosten und Kontrolle aktuelle und langfristige Verbesserungen verspricht.

Fünf Wege zur Kostensenkung innerhalb der Lieferkette

1. Die Anforderungen der Kunden an den Service verstehen

Kundenbedürfnisse korrekt zu verstehen, ist der erste Schritt, um Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Massnahmen auf Basis dieser Bedürfnisse müssen die richtige Balance zwischen Service-Level und Kosten finden. Hilfreich kann hier eine schnelle Einschätzung qualitativer und quantitativer Aspekte der Lieferkette sein, ebenso wie eine Segmentierung, durch die Lieferketten wie nachstehend beschrieben, umstrukturiert werden können.

2. Verbesserte und abgestimmte Planung der Lieferkette

Eine stabile, optimierte Lieferkette, von der Produktion bis zum Konsumenten, sorgt für Kosteneffizienz. Planung steht daher an erster Stelle. Um die Konsistenz, Leistung und Qualität der Planung zu verbessern, muss vor der Umgestaltung analysiert werden, ob die Planung zentral und/oder automatisch erfolgen, bzw. bestimmte Planungsaktivitäten sogar ausgelagert werden sollten. Mehr Wirksamkeit und Effizienz in der Absatz- und Produktionsplanung sowie der integrierten Geschäftsplanung ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Bei richtiger Ausführung kann man die Anforderungen – und die Kosten – der Lieferkette an den zukünftigen Bedarf anpassen und strategische Prioritäten verwalten. Durchgehende Transparenz in der Lieferkette erlaubt den Supply-Chain-Experten, Herausforderungen und Ausnahmen proaktiv zu steuern, was sowohl der Ausführung als auch den Prozessen der integrierten Geschäftsplanung zugutekommt. Die Implementierung digitaler Zwillinge ermöglicht bessere «What-if-Simulationen» des Geschäfts und offenbart kritische Elemente und Szenarien, die das Ergebnis verbessern. Eine Segmentierung und Synchronisierung der Taktung, der Frequenz und des Volumens, einschliesslich Optimierung der Planungsfaktoren in der Produktion, Beschaffung und Verteilung, befähigt Teams eine reibungslose und kosteneffiziente Lieferketten zu betreiben. Auch einem besseren Kontrollumfeld ist dies förderlich. 

3. Prüfen des Lieferkettenprofils und der Netzwerkstrategie

Wenn sich das Geschäftsmodell und die Umgebung verändern, ist es wahrscheinlich, dass sich Ineffizienzen einschleichen, sei es in Bezug auf Platz, Arbeitsweisen, Touchpoints oder Routenplanung. Mit einem neuen Verständnis für differenziertere Service-Level-Anforderungen kann das Netzwerk durchgängig richtig dimensioniert werden, d. h. übergreifend in der Fertigung, im Vertrieb und im globalen Handel. Nach tieferem Eintauchen in die Netzwerkstrategie sollte ein Betriebsmodell für die Logistik (intern, 3PL, 4PL, gemeinsam usw.) und die Fertigung (Auftragsfertigung vs. intern, fixe vs. variable Arbeitskräfte) entworfen und implementiert werden,das für das spezifische Unternehmen funktioniert. Dies ist ebenfalls eine Gelegenheit, die Implementierung von Smart-Factory-Elementen als Teil der Bemühungen um operative Exzellenz voranzutreiben. Standardarbeitsweisen, digitale Coaches und alltägliche Managementsysteme, können dabei unterstützen die richtige Passform zu finden. Schlussendlich sollte der globale Handel überprüft werden, um zu identifizieren, wo Zölle verringert, vorhandene Freihandelsabkommen genutzt und die Gesamtsumme der Einstandskosten verbessert werden können.

4. Elemente im Betriebsmodell der Lieferkette anpassen

Wenn sich das Geschäftsmodell ändert, ist es wichtig sicherzustellen, dass das operative Geschäft damit Schritt hält. Es sollte darauf geachtet werden, dass relevante Elemente aktiv in den operativen Aufbau übertragen werden. Die Verlagerungsstrategie muss geprüft und das Insourcing in den Vergleich zum Outsourcing gestellt werden, um sicherzustellen, dass die On-, Near- und Off-Shore-Werttreiber die beste Kosteneffizienz liefern. Weiter sollte das operative Modell der Lieferkette geprüft, sowie nach Einsparpotenzial in Bereichen wie Organisationsgestaltung, Dimensionierung und Standort, Rollen und Zuständigkeit, Prozessen und dem Modell der Unternehmensführung gesucht werden. Angesichts der jüngsten Veränderungen in der Arbeitswelt finden sich womöglich auch bedeutende Einsparpotenziale bei Arbeitsräumen und Immobilien.

 Es ist wichtig relevante, interne Stakeholder beizuziehen, um sicherzustellen, dass steuerliche und Compliance-Aspekte nicht auf der Strecke bleiben. Kostensenkungen dürfen keinesfalls die Einhaltung steuerlicher, rechtlicher und regulatorischer Vorschriften oder vorteilhafte Regelungen gefährden. 

5. Berücksichtigen von digitalen Treibern

Der digitale Wandel hat den Bereich der Lieferkette bereits vor längerer Zeit erreicht. Die führenden Unternehmen investieren in Initiativen in Bereichen wie Automatisierung, Robotik, fortgeschrittener und prädikative Analytik mit integriertem, maschinellem Lernen, Blockchain, IOT, 3D-Druck und selbstgesteuerten Lieferkettensystemen. Nach den anfänglichen Ausgaben ist die Technologie eine wichtige Quelle für zusätzliche Effizienz und Kostensenkungen. Mit den richtigen Tools erhält man in nahezu Echtzeit einen Überblick und entsprechende Daten, um über die gesamte Lieferkette kostengünstigere Lösungen und verbesserte Steuerung voranzutreiben. Der Einsatz digitaler Technologien (z. B. KI bei der Prognose, Bedarfserfassung, Segmentierung, Lieferplanung, usw.) verbessert auch die Planungsergebnisse. Eine lieferkettenübergreifende Technologie (einschliesslich ERP-Systemen und zugehörigen digitalen Tools) kann Prozesse, Kosten und Steuerung weitgehend optimieren. EY konnte in Vergangenheit Kunden mithilfe von digitalen Wegbereitern unterstützen. Hierzu zählen etwa die Supply Chain Intelligence Platform, EY Catalyst, EY Wavespace und offene Plattformen zur Ideenfindung.

Fazit

Die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Senkung von Kosten basiert meist auf Verbesserungsmöglichkeiten des Betriebsmodells. Anstelle einer rein funktionalen Sichtweise sollten Supply-Chain-Führungskräfte einen funktionsübergreifenden Ansatz wählen, der alle Bestandteile einer End-to-End-Lieferkette berücksichtigt und sich die Grundsätze eines nullbasierten Ansatzes zunutze macht. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist es, von einmaligen Kostensenkungen zu wiederkehrenden Einsparungen überzugehen. Zugleich dürfen sich wesentliche Änderungen des operativen Modells nicht ungewollt auf andere Unternehmensfunktionen wie die Finanz-, Rechts- oder regulatorische Abteilung auswirken. 

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