3 Minuten Lesezeit 18 Mai 2022
Flugzeug auf dem Flughafen

Bundesverwaltungsgericht bestätigt vollumfängliches Vorsteuerabzugsrecht für Flugzeugnutzung

Von Benno Suter

Indirect Tax Partner | Switzerland

Leads the Indirect Tax Practice at EY Switzerland and has 25 years of experience in business tax advisory and in-house tax director roles.

3 Minuten Lesezeit 18 Mai 2022
Related topics Tax

Mit Urteil vom 3. Februar 2022 (A-2789/2021) verneint das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines Steuerumgehungstatbestands und erkennt die gewählte Struktur, nämlich das Halten eines Flugzeugs in einer Gesellschaft vollumfänglich an.

Gegenstand des Rechtsstreits

Gegenstand des Rechtsstreits war der Umfang des Vorsteuerabzugsrechts einer steuerpflichtigen AG, die Eigentümerin eines Flugzeugs ist. Die AG hatte dieses Flugzeug zum einen an unabhängige Dritte verchartert bzw. diesen Flüge angeboten. Zum anderen hat sie einer ihr nahestehenden Person regelmässig die Möglichkeit geboten, Flüge zu buchen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat der AG das Vorsteuerabzugsrecht insoweit zugesprochen, als sie mit dem Flugzeug Drittumsätze generiert. Sie hat ihr aber den Vorsteuerabzug verwehrt, soweit die entsprechenden Aufwendungen mit Flügen des ihr Nahestehenden in Zusammenhang standen, wie auch für Flüge, für die die AG die Identität der Passagiere nicht offenlegen wollte oder konnte.

Grundsätze der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichts

Steuerpflichtige können ihre wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, wie sie ihnen steuerlich am günstigsten erscheinen. Diese freie Gestaltungsmöglichkeit findet ihre Grenze in dem aus dem verfassungsrechtlichen Verbot des Rechtsmissbrauchs abgeleiteten Institut der Steuerumgehung. So geht das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass das Halten eines Flugzeugs über eine Gesellschaft nicht in jedem Fall als ungewöhnlich im Sinne einer Steuerumgehung betrachtet werden kann und unterscheidet vier Fallkonstellationen:

  • Besteht eine ausschliessliche private Eigennutzung des Flugzeugs durch eine dem Steuerpflichtigen nahestehende Person, ist die zivilrechtliche Struktur nicht anzuerkennen und ein «Durchgriff» vorzunehmen (Fallgruppe 1 – kein Vorsteuerabzugsrecht);
  • Besteht die private Eigennutzung zwar nicht ausschliesslich, aber liegt lediglich eine nahezu unerhebliche Drittnutzung vor, ist die zivilrechtliche Struktur ebenfalls nicht anzuerkennen und ein «Durchgriff» vorzunehmen (Fallgruppe 2 – kein Vorsteuerabzugsrecht);
  • Wird ein Flugzeug der dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person zwar dauernd (oder zumindest mit «Vorrangrecht») zur Verfügung gestellt und von dieser privat eigengenutzt, werden daneben aber erhebliche Drittumsätze erzielt, ist die Struktur teilweise, d.h. in Bezug auf die Drittumsätze anzuerkennen (Fallgruppe 3 – anteiliges Vorsteuerabzugsrecht);
  • Kein Raum für eine Steuerumgehung bleibt, wenn eine erhebliche Drittnutzung besteht und der privaten Eigennutzung eine untergeordnete Bedeutung zukommt. In diesem Fall ist die gewählte Struktur steuerlich vollumfänglich anzuerkennen (Fallgruppe 4 – uneingeschränkter Vorsteuerabzug).

Liegt eine (teilweise) Steuerumgehung vor, so hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass Flüge mit Personen, deren Identität nicht offengelegt werden, geschäftlich begründet sind.

Einordung des Streitfalls

Im Streitfall konnte die AG nachweisen, dass die Flüge der ihr nahestehenden Person geschäftlich begründet und nicht privat veranlasst waren. Der Nahestehende war jeweils in seiner geschäftsführenden Funktion diverser Gesellschaften auf Reisen. Dass er dabei gelegentlich von seiner Familie begleitet wurde, war nach Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts irrelevant. Die mit der nahestehenden Person als Passagier durchgeführten Flüge waren geschäftlicher Natur; diesbezüglich lag folglich keine Steuerumgehung vor und der von der AG geltend gemachte Vorsteuerabzug war insoweit nicht zu kürzen.

Damit hat das Bundesverwaltungsgericht auch anerkannt, dass die AG das Flugzeug zu ca. 75% geschäftlich genutzt hat (Drittumsatz und Umsatz mit Nahestehenden). Ein solcher Anteil geschäftlicher Nutzung ist erheblich und der verbleibende Anteil von 25%, der allenfalls eine private Nutzung des Flugzeuges darstellen könnte, im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als untergeordnet zu betrachten. Somit ist der Streitfall der Fallgruppe 4 (siehe oben) zuzuordnen und die gewählte Struktur sowie das Vorsteuerabzugsrecht vollumfänglich anzuerkennen. Mangels Steuerumgehungstatbestand waren weitere Abklärungen in Bezug auf die Flüge, deren Passagiere nicht offengelegt wurden, mangels Relevanz obsolet. Nur wenn die Voraussetzungen für eine Steuerumgehung gegeben sind, wäre zwischen geschäftlichen und privaten Flügen zu unterscheiden.

Fazit

Das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts reiht sich in eine Vielzahl von Entscheiden zur Flugzeugnutzung, Steuerumgehung und Gesellschaftsdurchgriff ein. Es bleibt abzuwarten, ob die ESTV den Streitfall weiterzieht und dem Bundesgericht zur Entscheidung vorlegt. Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts basiert allerdings auf der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichts und die höchstrichterlichen Grundsätze wurden in konsistenter Weise auf den Streitfall angewendet. Insofern sprechen gute Gründe dafür, dass auch das Bundesgericht zu keinem anderen Ergebnis kommen würde.

Bemerkenswerterweise hätte die beurteilte Steuerperiode 2006 mit Ablauf des 31. Dezember 2021 unter die absolute Verjährung fallen müssen. Ein Weiterzug des Streitfalls würde gegebenenfalls weitere Steuerperioden der absoluten Verjährung aussetzen und damit neue Rechtsfragen über die definitive Bemessungsgrundlage aufwerfen.

In jedem Fall wird aber einmal mehr bestätigt, dass Strukturen und Gestaltungen rund um Flugzeuge regelmässig vor allem auch mehrwertsteuerlich auszuleuchten sind.

Über diesen Artikel

Von Benno Suter

Indirect Tax Partner | Switzerland

Leads the Indirect Tax Practice at EY Switzerland and has 25 years of experience in business tax advisory and in-house tax director roles.

Related topics Tax
  • Facebook
  • LinkedIn
  • X (formerly Twitter)