5 Minuten Lesezeit 6 März 2023
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Emissionsfreier Gebäudebestand bis 2050: Aktuelle gesetzliche Lage und Umsetzungsvorschlag

Von Karl Frank Meinzer

Associate Partner Head Real Estate Advisory | Switzerland

Experienced Senior Real Estate professional supporting global corporate clients both locally and globally regarding their most pressing transformational projects.

5 Minuten Lesezeit 6 März 2023

Die Beschleunigung der Dekarbonisierung als wirtschaftliche Notwendigkeit zur langfristigen Wertschöpfung zukunftsorientierter Immobilien. 

Überblick
  • Neue und strukturierte Ansätze zur Energiereduktion und Dekarbonisierung sind notwendig zur Erreichung des Nettonull-Zieles (Pariser Abkommen).
  • Nationale Gesetze werden mit dem Klimaabkommen durch das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit harmonisiert.
  • EY verfolgt einen ganzeinheitlichen Ansatz, um die Branche in ihrem Nachhaltigkeitsbestreben zu unterstützen mit dem EY Emission Control Tool.

Die Klimaziele 2050 (Nettonull Ziel) sowie die aktuelle Energiekrise verlangen neue und strukturierte Ansätze zur Energiereduktion und Dekarbonisierung. Gemäss unserer aktuellen Kundenumfrage (Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt Schweiz 2023) gibt die Mehrheit der befragten Unternehmen (92%) an, dass die hohen Energiekosten die energetische Transformation des Gebäudebestandes vorantreiben. Sie alle analysieren, welchen CO2-Fussabdruck ihr Gebäudeportfolio generiert und mit welchen Massnahmen sie den definierten Absenkpfad am effizientesten erreichen, sodass entsprechende Energieeinsparungen generiert werden können. Der Klimawandel wird bei der Mehrheit der Befragten in unserer Studie als wichtigster Megatrend angesehen.

Das EY Real Estate und Sustainability Team hat eine Lösung entwickelt, welche einen datenbasierten Ansatz zur Dekarbonisierung im Real Estate Bereich ermöglicht und die besten Massnahmen sowohl auf Objekt- als auch Portfolioebene identifiziert. Zudem hat EY durch eine Partnerschaft Zugang zu einem Geo Risk Tool, welches die Auswirkungen des Klimawandels sowie der hieraus resultierenden physischen Risiken quantifiziert und in umsetzbare Kennzahlen übersetzt. So wird eine Transparenz von klimabezogenen finanziellen Risiken erreicht, welche die strategische Unternehmensplanung unterstützt und eine einfachere Entscheidungsfindung ermöglicht.

Aktuelle Gesetzeslage in der Schweiz

Ende September 2022 wurde das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» (KlG) von der Bundesversammlung verabschiedet. Dieses Gesetz bezweckt im Einklang mit dem Klimaübereinkommen die Festlegung der nachfolgenden Ziele:

  • Verminderung der Treibhausgasemissionen und Anwendung von Negativemissionstechnologien
  • Anpassung an und Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels
  • Ausrichtung der Finanzmittelflüsse auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung

Demnach erhält der Gebäudesektor die Auflage, seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2040 um 82%, im Vergleich zum Status des Jahres 1990, zu reduzieren, während die Zielsetzung für das Jahr 2050 eine Reduktion von 100% vorsieht.

Zudem einigte sich das Schweizer Parlament Ende September 2022 auf die Details zur Ausgestaltung der Solaroffensive. Diese soll zum einen dazu führen, dass jahrelang blockierte Projekte unter Berücksichtigung des Umweltschutzes wieder aufgegriffen werden und zum anderen eine anteilige Solarpflicht für Neubauten eingeführt wird. Jene Kantone, welche bei der Eigenstromversorgung von Neubauten ab 2023 mindestens die «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» (MukEn) zur Anwendung bringen, sind nicht betroffen. Die Solarpflicht soll nur für Gebäude mit einer anrechenbaren Grundfläche von mehr als 300 m2 gelten. Allerdings können die Kantone auf kleineren Flächen zusätzlich eine Solarpflicht vorsehen. Weitere parlamentarische Initiativen in den Kantonen Genf und Zürich fordern eine umfassendere Solarpflicht, die auch Besitzer von bestehenden Bauten mit geeigneten Dachflächen betreffen würde.

Im Kanton Zürich verursachen die 120’000 Erdöl- und Erdgasheizungen alleine ca. 40% der CO2 Emissionen. Trotzdem werden aktuell mehr als die Hälfte aller Heizungen durch fossile Heizsysteme ersetzt. Die neuen kantonalen Regelungen sehen nun aber die Abschaffung von Erdöl- und Erdgasheizungen vor. Somit dürfen, wenn es technisch möglich ist und sich die Lebenszykluskosten um höchstens 5% erhöhen, beim Ersatz einer Heizung in bestehenden Gebäuden ausschliesslich erneuerbare Energien eingesetzt werden. Die Immobilienbranche im Kanton Genf ist zusätzlich von der Verordnungsänderung vom Frühjahr 2022 betroffen. Diese sieht eine starke Reduktion der erlaubten Energiegrenzwerte für Gebäude vor. Das heisst, für Gebäude, welche die neuen Grenzwerte überschreiten, wird eine energetische Sanierung innerhalb der kommenden 3 Jahre auferlegt. Die Sanierungspflicht ist stufenweise angedacht, wobei diejenigen Gebäude mit dem grössten Energieverbrauch pro Fläche hierbei priorisiert werden. Dazu ist anzumerken, dass rund 90% der Heizungen derzeit noch mit Öl oder Gas betrieben werden.

Um mehr Transparenz in Sachen Energieeffizienz zu erreichen, verlangen weitere Bewegungen im Kanton Waadt, dass sämtlichen Mietwohnungsinseraten sowie Mietverträgen ein Gebäudeenergieausweis beigelegt werden soll. Des Weiteren wird gefordert, dass der Energieverbrauch aller Liegenschaften im öffentlichen Kataster einsehbar wird.

Auch auf europäischer Ebene wird es zukünftig strengere Richtlinien zur Dekarbonisierung geben. Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird innerhalb der Europäischen Union die nicht-finanzielle Berichterstattung für grosse Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2024 deutlich ambitionierter und unterliegt der Prüfungspflicht. Die Unternehmen müssen Auskunft über mehr als 100 sektorübergreifende Kennzahlen in den Bereichen Environment, Social und Governance (ESG) geben. Unter anderem müssen die Treibhausgasemissionen (Scope 1 bis 3) ausgewiesen werden.

Wie wir unsere Kunden unterstützen können

Um die Branche in ihrem Nachhaltigkeitsbestreben zu unterstützen, verfolgt EY den Ansatz, dass zunächst existierende Gebäude- und Energiedaten im EY Emission Control Tool gesammelt und analysiert werden. Im Zuge dessen erfolgt eine Datenvalidierung sowie Identifikation allfälliger Datenlücken. Diese Lücken können unter anderem im nachfolgenden Schritt, nämlich der Liegenschaftsbesichtigung, geschlossen werden. Somit ist es möglich, den CO2-Fussabdruck sowohl auf Stufe der Einzelimmobilie als auch auf der Ebene des Gesamtportfolios zu identifizieren. Zur Definition des Absenkpfades erfolgt eine Benchmarking-Analyse in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden, zugeschnitten auf seine individuellen Bedürfnisse. Für eine bessere Messbarkeit und Transparenz werden die CO2-Daten mit den Finanzkennzahlen verknüpft. Nach der Messung des aktuellen CO2-Fussabdrucks werden basierend auf der vorhandenen Datenbasis Massnahmen zur Reduktion des CO2-Fussabdruckes festgelegt und unterschiedliche Implementierungsansätze modelliert. Diese Ansätze werden in die bestehende ESG-Strategie eingebettet oder bei Bedarf wird diese neu erarbeitet. 

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Fazit

Dekarbonisierung ist für ein Unternehmen auf dem Weg zu einem klimaneutralen zukünftigen Bestand von zentraler Bedeutung. Somit ist die Beschleunigung der Dekarbonisierung eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur langfristigen Wertschöpfung zukunftsorientierter Immobilien. Entsprechend steht die Branche auch im Fokus politischer Regulierungen. Doch die hieraus resultierenden Herausforderungen können zu Katalysatoren für entscheidende sowie wegweisende Veränderungen werden.

Anmerkungen

Wir bedanken uns bei Valerie Riedo und Stefanie Michelberger für ihren wertvollen Beitrag zu diesem Artikel.

Über diesen Artikel

Von Karl Frank Meinzer

Associate Partner Head Real Estate Advisory | Switzerland

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