6 Minuten Lesezeit 22 Feb. 2022
Sonnenblumenwiese

Nachhaltigkeitslabels – Lediglich ein Marketinginstrument oder auch Performanceindikator?

Von Karl Frank Meinzer

Associate Partner Head Real Estate Advisory | Switzerland

Experienced Senior Real Estate professional supporting global corporate clients both locally and globally regarding their most pressing transformational projects.

6 Minuten Lesezeit 22 Feb. 2022

Immobilien sind Orte, an denen wir Menschen leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen. Die Immobilien- und Baubranche schafft sowohl den Rahmen als auch den Raum für all diese menschlichen Aktivitäten. 

Überblick
  • Immobilien sind weit mehr als nur reine Renditeobjekte. Sie schaffen einen sozialen Lebensraum. Kurzum, den Rahmen und Raum all unserer menschlichen Aktivitäten.
  • Nachhaltigkeit im Immobiliensektor umfasst drei Dimensionen: Ökonomie, Ökologie und Gesellschaftliche Solidarität.
  • Die Verstädterung und der damit zusammenhängende Ressourcenverbrauch stellen eine Gefahr für die Umwelt dar. Nachhaltige Lösungsansätze sind zu erarbeiten, um die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen zu gewährleisten. -
  • Nachhaltigkeit nimmt eine zunehmend zentralere Rolle in der Immobilienwirtschaft ein und ist somit die Grundvoraussetzung für die zukünftige Renditeplanung bei Immobilieninvestments.

Die Immobilienwirtschaft hat eine zentrale wirtschaftliche Bedeutung in der Schweiz: Sie trägt mit rund 17% zur Bruttowertschöpfung bei und beschäftigt rund 16% der Erwerbstätigen[1]. Ausserdem ist sie die zweitgrösste CO2-Emittentin und kann sich daher der Nachhaltigkeitsbewegung nicht entziehen. Nachhaltige Ansätze und Lösungen in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft sind zu erarbeiten und getätigte Investitionen sollten dem Nachhaltigkeitsprinzip standhalten.

Nachhaltigkeit umfasst mehr als nur die Ökologie

In der Nachhaltigkeitsdefinition der Vereinten Nationen[2] und des Bundesrates[3] liegt der Schwerpunkt auf der Generationengerechtigkeit. Die gegenwärtige Generation hat für ihre Kinder und Enkelkinder eine intakte, ökologische und soziale Lebensgrundlage mit entsprechenden wirtschaftlichen Wachstumsmöglichkeiten zu gewährleisten. Daher müssen ökologische, ökonomische und soziale Bedürfnisse so befriedigt werden, ohne dabei diejenigen der künftigen Generationen zu beeinträchtigen. Nachhaltigkeit kann nur bei gleichwertiger Rücksichtnahme aller drei Dimensionen erreicht werden und versteht sich als deren Schnittmenge (Abbildung 1).

Annährend die Hälfte des Energieverbrauchs (~45%) und rund 24% der Treibhausgase entfallen in der Schweiz auf den Gebäudesektor . Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche bezieht sich auf den gesamten Gebäudelebenszyklus – von der Planungsphase bis hin zum Rückbau und der Wiederverwendung. 

Hat die Rendite unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten zu leiden?

Die Investmententscheidung des neuen Anlegertypus, des sogenannten Impact Investors, hat die Absicht, neben einer finanziellen auch eine sinnstiftende Rendite im sozialen und ökologischen Sinne zu erzielen. Diese Anlageform orientiert sich an den Sustainable Development Goals der UNO (SDG) und legt ihr Hauptaugenmerk auf wirkungsorientierte Investitionen, die sich positiv auf die Gesellschaft und die Umwelt auswirken. Ein möglicher Wirkungsbereich ist die Investition in die Entwicklung von Wohnkonzepten, die der demografischen Entwicklung gerecht werden: Beispielsweise die Schaffung oder Erhaltung von bezahlbarem innenstädtischem Wohnraum für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen. Hierbei werden bereits während der Planung sogenannte «weiche Faktoren» (Stärkung des Gemeinschaftsgefühls, Schaffung einer Identität) berücksichtigt, welche das Wohlbefinden der Bewohner fördern. Dies führt zu einer Steigerung des örtlichen Sozialkapitals, welches mittels verschiedener Indikatoren (Kriminalitätsrate, Vereinsdichte, Arbeitslosenquote) messbar ist. Die Faktoren Rendite, Liquidität und Risiko sind mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen, obwohl diese in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen. 

Die tatsächlichen Unterschiede zwischen finanziellen, sozialen und gesellschaftlichen Renditen sind disputabel. Anhand der ESG Kriterien und des Risikoprofils von Investoren und Investorinnen lassen sich Tendenzen ableiten, die zu einer nachhaltigen und höheren Rendite führen können. Der Megatrend Nachhaltigkeit und der Drang der Bevölkerung die Umwelt zu wahren und eine nachhaltig orientierte Gesellschaft zu etablieren wird sowohl von der Politik als auch von Investoren und Investorinnen zunehmend forciert. Langfristig führt ein gutes ESG Profil zu besseren finanziellen Resultaten (Umsatzsteigerung, höhere Eigenkapitalrendite, verbesserter Return on Invested Capital (RoIC)). Die eingehende Prüfung eines ESG orientierten Immobilienportfolios auf potenzielle Nachhaltigkeitsrisiken bewirkt eine geringere Volatilität der einzelnen Investments. Das zunehmende Interesse der Allgemeinheit am Schutz der Umwelt und der Schaffung einer nachhaltigeren Gesellschaft führt zu einem veränderten Profil der InvestorInnen und der Anlage. Dies verhilft der sozialen und gesellschaftlichen Rendite mit der finanziellen Rendite gleichzuziehen.

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Real Estate News 2022

In der neuesten Ausgabe des «Real Estate News 2022» gibt es einen Überblick über aktuelle wirtschaftliche, technologische, steuerliche und rechtliche Themen aus der Immobilienbranche geben (Nur auf Deutsch erhältlich).

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  • Article References

    1. Rütter Soeco/pom+, 2020, The economic importance of the real estate industry in Switzerland
    2. World Commission on Environment and Development, 1987, Brundtland Report
    3. United Nations, Sustainable Development Strategy International Group (SDS)
    4. BFS, 2020

Fazit

Die Immobilienwirtschaft erlangt durch ihre beträchtlichen Beiträge zur Bruttowertschöpfung und dem Arbeitsmarkt einen hohen Stellenwert in der Schweizer Volkswirtschaft. Gleichzeitig ist sie der zweitgrösste CO2-Emittent des Landes. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit zur aktiven Ergreifung nachhaltiger Massnahmen durch die Branche. Das Spannungsfeld zwischen der Erzielung einer finanziellen Rendite und einem umwelt- sowie sozialverträglichen Handeln erschwert die Integration der Nachhaltigkeitsdimensionen in Investmententscheidungen. Nachhaltigkeit wird die Grundvoraussetzungen für zukünftige Renditeplanungen werden. Genau hierfür bedarf es der Ausarbeitung zusätzlicher Lösungsansätze. Denn eines ist nicht ausser Acht zu lassen: Immobilien sind weit mehr als nur reine Renditeobjekte. Sie sind Wirtschafts- und Sozialgut zugleich.

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Von Karl Frank Meinzer

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