6 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020
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Der digitale Controlling-Regelkreis

Von Mirko Waniczek

Partner, Controlling und Finance, Consulting | Österreich

Hilft Unternehmen diverser Branchen seit über 25 Jahren dabei, die Bereiche Controlling und Finance zu optimieren. Erkundet mit seiner Familie die Welt.

6 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020

Um die Digitalisierung im Controlling zu nutzen, bedarf es einer strukturierten Herangehensweise. Der digitale Controlling-Regelkreis kann helfen.

Im Konzept des digitalen Controlling-Regelkreises werden die wesentlichen Aufgaben des Controllings in einem digitalen Umfeld integriert abgebildet. Es soll dem Controlling als Rahmenwerk für eine strukturierte Herangehensweise dienen, um die Vision eines Digital Controlling verwirklichen zu können. So gelingt es dem Controlling, bei der Digitalisierung eine treibende Rolle einzunehmen und eine verbesserte Unternehmenssteuerung zu erreichen.

Das Ziel und der Weg: umfassende Integration digitaler Möglichkeiten Auch wenn sich das Controlling meist noch in einer eher passiven Rolle befindet, erkennen Unternehmen die Relevanz der Digitalisierung für das Controlling. Aktivitäten, um Potenziale zu heben, wurden bis dato häufig erst in geringem Ausmaß ergriffen. Die stärkere Betrachtung des Themas aus Controlling-Perspektive – anstelle eines technologischen Blickwinkels – verfolgt das Ziel, den Nutzen eines integrierten Gesamtkonzepts klarer darzustellen. Es leiten sich zwei wesentliche Aspekte für das Controlling ab:

  • Digital Business: Controlling-Unterstützung bei der Entwicklung und Steuerung innovativer und disruptiver Geschäftsmodelle im digitalen Umfeld.
  • Digital Controlling: Steigerung von Effektivität und Effizienz in den Controlling-Kernprozessen durch den Einsatz digitaler Technologien.

Das hier dargelegte Konzept fokussiert den Aspekt des Digital Controlling. Um die Potenziale der Digitalisierung im Controlling nutzen und entstehende Risiken managen zu können, bedarf es einer strukturierten Herangehensweise, aus der das Controlling für sich selbst eine Digitalisierungsroadmap entwickeln muss.

Das Konzept: der digitale Controlling-Regelkreis Die Digitalisierung im Controlling kann heute durch konkrete Methoden und Technologien mit zahlreichen Anwendungsbeispielen belegt werden, wobei in der Regel spezifische Teilbereiche im Fokus stehen. Für eine ganzheitliche Herangehensweise bedarf es eines umfassenden Konzepts, das die wesentlichen Elemente eines Digital Controlling, die Digital Controlling Practices, integriert.

Der entwickelte Ansatz stellt eine Weiterentwicklung des etablierten Controlling-Regelkreises dar, der um einige relevante Komponenten ergänzt wurde. Die acht definierten Digital Controlling Practices ermöglichen eine Leistungssteigerung in den Controlling-Kernprozessen. Eine Reihe digitaler Technologien dient als Enabler der Elemente des digitalen Controlling-Regelkreises. Im Folgenden wird im Detail auf die einzelnen Controlling Practices eingegangen.

(1) Mass Data Engine

Die systematische Sammlung, Verarbeitung und Interpretation von Daten aus heterogenen Quellen ist eine Grundvoraussetzung für die meisten digitalen Ansätze. In Zukunft sollen Daten wesentlich früher und teilweise in Echtzeit abrufbar sein. Dadurch wird die Möglichkeit, geschäftsnahe und relevante Analysen durchzuführen und Zusammenhänge besser zu erkennen, erheblich gesteigert.

Die Zentralisierung und Harmonisierung der Daten aus ERP-Systemen spielen für das Controlling eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus gilt es jedoch, Daten aus weiteren internen und externen Quellen zu integrieren, um einen wesentlichen Mehrwert aus den digitalen Technologien generieren zu können. Datenqualitätssicherung und Governance rücken dabei in den Mittelpunkt.

(2) Data-based Modelling

Werttreibermodelle werden in Zukunft um quantitativ ableitbare Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aus Big-Data-Analyseverfahren erweitert. Dabei werden anstelle aggregierter Top-KPIs jene Kennzahlen, die als tatsächliche Treiber identifiziert wurden, an Bedeutung gewinnen. In einem Praxisbeispiel eines Autoherstellers wurde bei Big-Data-Analysen u. a. festgestellt, dass die Arbeitslosenquote einer Region zwar nicht mit dem Absatz der Pkw-Sparte korreliert, sehr wohl aber mit jenem der Lkw-Sparte. Dementsprechend wurde das Modell der Mittelfristplanung um diesen Treiber erweitert. Diese Modelle sind ein zentrales Tool für die Quantifizierung von Unternehmenszielen und bilden die Grundlage für Technologien der Digitalisierung wie Predictive Analytics.

(3) Continuous Planning/Scenarios

An die Stelle einer Planung zu definierten Zeitpunkten wird eine auf Advanced und Predictive Analytics basierende kontinuierliche Planungsrechnung mit hohem Automatisierungsgrad treten. Zu jedem Zeitpunkt können als Entscheidungsgrundlage datenbasierte Handlungsalternativen in Form von Szenarien abgeleitet und zwischen Controlling und Top-Management abgestimmt werden. Im konkreten Fallbeispiel eines multinationalen Konzerns wurde in einigen Ländern – dank nachweislich geringerer Prognosefehler – in einem ersten Schritt die Sales-Planung auf Basis automatisierter Prognosen umgesetzt. In anderen Ländern wurden zur Verifizierung manuelle Planungen herangezogen. Vergangenheitsorientierte Plan-Ist-Abweichungsanalysen werden eine geringere Rolle spielen, weil der Fokus auf die zukunftsorientierte Steuerung gelenkt wird.

(4) Digital Reporting

Durch Digital Reporting werden alle relevanten Unternehmensdaten direkt aus den zentralen Massendaten cloudbasiert auf unterschiedlichen Devices abgerufen. Die Daten können dynamisch dargestellt und die benötigten Details zu den Top-Kennzahlen ad hoc analysiert werden. Dabei kann auf praxiserprobte Dashboard-Lösungen von einer Reihe von Anbietern zurückgegriffen werden. Derzeit setzt sich z. B. SAP stark mit dem Thema „voll integrierter Digital Boardroom“ auseinander. Hier sollen mithilfe intuitiver User Experience u. a. Real-Time-Informationen und integrierte Business Insights als Entscheidungsgrundlage sowie Ad-hoc-Analysen bereitgestellt werden. Da der Blick in die Zukunft stärker in den Fokus rückt, wird bei der Datenvisualisierung auch die Darstellung von Szenarien eine wesentliche Rolle spielen.

(5) Real/Near Time Management

Dank der schnelleren Verfügbarkeit können Steuerungsmaßnahmen durch das kontinuierliche Monitoring relevanter Steuerungsgrößen schneller eingeleitet werden. Durch digitale Technologien wie Advanced Analytics können Wirkungszusammenhänge identifiziert werden, um daraus konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten. In der Praxis gibt es u. a. in den Bereichen Produktion und Logistik Anwendungsfälle, in denen ein direkter Zugriff auf Steuerungsentscheidungen in Echtzeit erfolgen kann. Mittelfristig werden nicht alle Daten in Echtzeit zur Verfügung stehen. Dank wesentlicher Prozesseffizienzsteigerungen (u. a. Daten zu Periodenabschlüssen) werden diese aber zunächst schneller und in einem weiteren Schritt auch in kürzeren Intervallen verfügbar sein.

(6) Process & System Excellence

Controlling-Prozesse können durch effizientere Systemarchitekturen (z. B. HANA) und den Einsatz von Automatisierungstechnologien wesentlich effizienter und effektiver gestaltet werden. Klassische Controlling-Aufgaben wie das Erstellen von Periodenabschlüssen oder das Erstellen und die Kommunikation von Reports können automatisiert und somit schneller, häufiger und mit reduzierter Fehlerquote durchgeführt werden. Mittelfristig ist auch denkbar, dass Artificial Intelligence komplexere Aufgaben übernimmt.

(7) Automatic Decision Support

Durch verschiedene digitale Ansätze wird die automatisierte Entscheidungsunterstützung auch im Controlling an Relevanz gewinnen. Über das Thema Predictive Analytics hinaus werden dabei vor allem Technologien der Artificial Intelligence immer wichtiger. Im Zuge manch einer operativen Tätigkeit ist es möglich, dass Entscheidungen – etwa über die Plausibilität einer Kostenposition – kontinuierlich und vollkommen automatisiert getroffen werden. Hilfen für Managemententscheidungen können automatisiert erfolgen. Dabei wird das selbstständige und kontinuierliche Erstellen von Forecasts, Berichten und Analysen möglich sein.

(8) Controlling Role & Organization

Die Digitalisierung stellt die Controlling-Organisation, aber auch die Rolle des Controllers selbst vor neue Herausforderungen. Dementsprechend muss diesbezüglich in den nächsten Jahren eine wesentliche Transformation stattfinden. Das notwendige Know-how im Bereich der digitalen Technologien und Methoden muss in der Organisation aufgebaut werden. Dies kann durch die Erweiterung der Skills bestehender Mitarbeiter, aber auch durch die Aufnahme von Fachexperten (z. B. Data Scientists) erreicht werden. Somit wird das Controlling in Zukunft noch stärker inhaltlich zum Erfolg des Unternehmens beitragen können.

Die digitalen Enabler: ein Blick auf relevante Technologien

Digitale Technologien und Methoden dienen im Konzept des digitalen Controlling-Regelkreises als Enabler und können in der Regel für diverse Digital Controlling Practices eingesetzt werden. Auch neu aufkommende Technologien werden der jeweils relevanten Practice zugeordnet und haben somit keine Auswirkung auf den integrierten Digital-Controlling-Ansatz. Aus der Perspektive der Digital Controlling Practices ist im Umkehrschluss jeweils eine Reihe digitaler Technologien relevant. 

Fazit

Welche Technologien und Methoden in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt im Controlling zu etablieren sind, muss anhand eines ganzheitlichen Ansatzes wie des digitalen Controlling-Regelkreises im Zuge der Entwicklung einer Digitalisierungsroadmap festgelegt werden. Wir helfen Ihnen dabei gerne und freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.

Über diesen Artikel

Von Mirko Waniczek

Partner, Controlling und Finance, Consulting | Österreich

Hilft Unternehmen diverser Branchen seit über 25 Jahren dabei, die Bereiche Controlling und Finance zu optimieren. Erkundet mit seiner Familie die Welt.