Sind selbstfahrende Autos wirklich die Zukunft?

Von John Simlett

EY Global Future of Mobility Leader

All things mobility. Innovative thinker. Entrepreneurial mindset. Strategic partner and consultant for the auto and transport industries.

4 Minuten Lesezeit 1 Oktober 2017

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In der Ära der selbstfahrenden Autos und Sharing-Dienste konzentrieren sich Autobauer zunehmend auf das Cockpit und den Kunden

In nicht allzu ferner Zukunft werden autonome Fahrzeuge die Regel und nicht mehr die Ausnahme sein. Sie werden die urbane Mobilität, wie wir sie kennen, völlig neu definieren. Sie werden fester Bestandteil der Sharing-Ökonomie, vernetzt und ökologisch sein. Aus diesem Trend ergeben sich enorme Möglichkeiten für Automobilhersteller. Doch wenn Mobilität als Dienstleistung alltäglich wird, werden Autobauer von ihren Kunden abgeschnitten – es sei denn, sie finden einen Weg, das Cockpit zu einem personalisierten Erlebnis zu machen.

Wenn Fahrer zu Mitfahrern werden und sich das Fahrzeug vom Eigentum zur Dienstleistung wandelt, kommt eine interessante Frage auf: Brauchen diese Fahrzeuge überhaupt noch Lenkrad, Rückspiegel, Gangschaltung, Pedale oder traditionelle Armaturenbretter?

Wohnzimmer auf Rädern

Das Cockpit kann zu allem werden, was wir wollen. Unternehmen haben erste Technologien und Ansätze bereits auf der Consumer Electronics Show und auf weltweiten Automessen vorgestellt.

Can driverless car be the destination

Das Spektrum reicht von Funktionalität bis Luxus.

Mit neuen Mobilitätskonzepten wie Carsharing entsteht das Risiko der Entpersonalisierung. Mobilitätskunden werden die Autos, die sie fahren, immer seltener besitzen. Darum gibt es für sie auch keinen oder nur wenig Grund, den Innenraum an ihre individuellen Ansprüche anzupassen.

Zwar lassen sich Cockpits über Beleuchtungstechnologien wie LED bis zu einem gewissen Punkt individualisieren, doch würde es aus heutiger Sicht viel zu hohe Kosten verursachen, wenn dieser Faktor ausgebaut werden würde. Automobilhersteller und Unternehmen müssen sich deshalb mit einer zentralen Frage auseinandersetzen: Inwieweit und auf welche Weise sollte ein Auto personalisiert werden?

Vom Hotel- und Gastgewerbe kann man hierbei Wichtiges lernen. Kunden verstehen das genutzte Stufenmodell der Preisgestaltung hier auf Anhieb: Je nach Zahlungsbereitschaft können sie zwischen reiner Funktionalität oder purem Luxus wählen. Funktionalität schließt Qualität nicht aus, bietet aber nur eingeschränkte Möglichkeiten der Personalisierung, das persönliche Erleben ist somit eher begrenzt.

In unserer automobilen Zukunft wäre Folgendes ebenfalls denkbar: Kunden könnten sich für ein funktionales Transportmittel entscheiden, das für den Arbeitsweg ausreichend ist, nur wenige Personalisierungsmöglichkeiten bietet und mit anderen Mitfahrern geteilt wird. Oder sie wählen die private Luxusvariante, die sie vor der Haustür abholt, die Fahrtzeit mit Multimedia-Angeboten verkürzt und keine Kompromisse beim Komfort oder bei der Privatsphäre eingeht.

Der Kampf um Nutzer, nicht nur um Fahrer und Käufer

Mit dem Paradigmenwechsel vom Autobesitz zur Mobilitätsdienstleistung stehen Autobauer vor einer riesigen Transformationsaufgabe, die alle Geschäftsmodelle von Grund auf erneuert. Wenn sie sich weiter ausschließlich auf das Produkt konzentrieren, riskieren sie, den Kontakt zum Kunden zu verlieren.

Wenn sie allerdings das Fahrerlebnis personalisieren, können Unternehmen die Beziehungen zu den Kunden nicht nur beibehalten, sondern sogar stärken. Dazu müssen sie ein Ökosystem aus Kollaborationspartnern aufbauen (neu und etabliert), zu dem beispielsweise Tech-Unternehmen, Innenarchitekten, Entertainmentunternehmen und Medienanbieter gehören sollten.

Rohstofflieferanten und Tier-1-Zulieferer, die sich auf das Cockpit und die Fahrgastkabine spezialisiert haben, werden ebenso handeln müssen. Verschwinden traditionelle Margenbereiche, müssen sich Automobilhersteller neuen margenträchtigen Geschäften zuwenden.

Auch Autohändler befinden sich in einer perfekten Ausgangsposition, um den Erlebniswert in einem autonomen Fahrzeug zu erhöhen. Schließlich sind sie breit aufgestellt und haben eine direkte Verbindung zum Kunden über Verkäufe und Dienstleistungen. Deshalb müssen die Händler analog zu den Herstellern Innovationen vorantreiben und mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren.

Denn nur so können sie die Kundenbindung aufrechterhalten.Wir erwarten, dass die Hauptfaktoren für den Umbruch in der Branche von außen kommen. Tech-, Media- und Entertainmentunternehmen, Start-ups und Mobilitätsanbieter bieten jeweils eine eigene Vision dessen, was Kunden zukünftig von Mobilität erwarten dürfen. Die Möglichkeiten reichen vom selbstfahrenden Auto bis zum fliegenden Taxi.

Dies verändert auch die Zulieferstrukturen, da Lieferanten fieberhaft daran arbeiten, sich neue Fähigkeiten zu erarbeiten. Dazu gehören etwa Faktoren wie Mapping, Augmented Reality, künstliche Intelligenz und Deep Learning.

Fazit

Die Zukunft der Mobilität wird von Unternehmen bestimmt, die sich die Verbraucher und Technologien von morgen zu eigen machen — schon heute.

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Von John Simlett

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