Könnte Open Banking der Schlüssel zu Unternehmenswachstum sein?

Autoren
Hamish Thomas

EY EMEIA Payments Leader and UK Advisory Banking Technology Leader

Transformation leader in payments and open banking. Passionate about technology’s potential to create opportunity and manage risk. Optimistic runner. Film enthusiast.

Anita Kimber

EY – United Kingdom Digital and Innovation Partner

Digital and innovation leader. Open banking champion. Passionate about facilitating better customer experiences through innovation and creativity. Dedicated to building a better working world.

9 Minuten Lesezeit 6 März 2019

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Open Banking rüttelt an den bisherigen Beziehungen zwischen KMU und Banken – und schafft neue Partnerschaften für Wachstum.

Wer einen genauen Blick auf unsere Wirtschaft wirft, erkennt sofort, dass es vor allem die kleinen, unbekannten Unternehmen sind, die Wachstum und Wohlstand vorantreiben.

In OECD-Ländern machen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) rund 99 Prozent aller Unternehmen aus. Sie sorgen somit für den Großteil der Arbeitsplätze und tragen 50 bis 60 Prozent zur Wertschöpfung bei.

Dabei sind KMU nicht nur wichtige Arbeitgeber, viele sind genau diejenigen FinTech-Unternehmen, die auch Innovationen vorantreiben. Immer mehr große Unternehmen ringen darum, mit diesen agilen Jungunternehmen zusammenzuarbeiten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie erhalten Einblicke, Produkte, Technologien und disruptive Expertise, die für die eigene Wettbewerbsfähigkeit dringend benötigt werden.

Doch es braucht mehr als nur das Interesse und die Unterstützung großer Unternehmen, damit KMU ihren Beitrag zu einem positiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel leisten können. Für KMU ist Kapital der Dreh- und Angelpunkt für Wachstum. Deshalb dürfen Banken und Finanzdienstleister nicht die einmalige Chance verpassen, die Transformation von KMU durch Open Banking zu begleiten.

Open Banking ist eine völlig neue Art, persönliche, transparente und vielseitige Beziehungen zwischen Banken und ihren Kunden aufzubauen – das schließt natürlich KMU mit ein. Aber worum geht es genau?

Es geht darum, auf Daten besser zugreifen zu können. Im Jahr 2018 hat die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde CMA angeordnet, dass Finanzdienstleister ihren KMU-Kunden einen einfacheren Wechsel zwischen Geschäftsbankkonten ermöglichen müssen. Die überarbeitete Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 verpflichtet Banken, den sicheren Austausch von Kundeninformationen mit Drittanbietern zu ermöglichen.

In anderen Ländern finden ähnliche Änderungen statt: Deutsche Regulatoren wie die Berlin Group setzen Standards für Programmierschnittstellen (APIs), die Dritten Zugang zu Bankdaten ermöglichen. In manchen Ländern wie zum Beispiel China müssen weit weniger Hürden genommen oder Vorgaben erfüllt werden.

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Kapitel 1

Der Wert von Transaktionsdaten

Open Banking verwandelt Daten aus dem Tagesgeschäft in Wachstumsbeschleuniger für KMU.

Das Disruptive an Open Banking ist der Gedanke, dass Finanzinformationen weit mehr sind als nur Zahlen – es sind umfangreiche Datensätze, die Vorlieben, Ausgabemuster oder Ein- und Ausgaben hervorheben. Richtig eingesetzt können sie eine völlig neue Beziehung zwischen Banken und Kunden ermöglichen.

Solche Informationen sind für Geschäftsinhaber essenziell, um die eigene Wirtschaftlichkeit bewerten zu können. Doch was wäre, wenn man aus den Zahlen noch mehr herausholen könnte? Was wäre, wenn man mit diesen Zahlen auf Tools und Software zugreifen könnte, die finanzielle Prozesse radikal vereinfachen und zu intelligenteren Entscheidungen rund um das Thema Geld verhelfen könnten?

Das ist der Kerngedanke von Open Banking – ein Modell, das für einen einfacheren, sicheren Datenaustausch und Transparenz steht. Es lässt Drittanbieter alternative Produkte von Krediten bis hin zu Versorgungsunternehmen vergleichen, um bessere Angebote für die Kunden zu finden.

Letztendlich handelt es sich um einen überpersonalisierten Ansatz für das Bankwesen, der dynamischer und flexibler ist.

Warum Open Banking ein Rettungsring für KMU sein kann

Der Zugang zu Finanzmitteln ist eine der größten Hürden für das Wachstum kleiner Unternehmen . In der Vergangenheit war es meist sehr umständlich, einen Kredit zu erhalten. Open Banking ist der Schlüssel, um Bürokratie abzubauen, und KMU wettbewerbsfähige Finanzierungsangebote zu ermöglichen.

Herausforderungen für KMU

92 %

aller Start-ups scheitern in den ersten drei Jahren.

Indem Konten zusammen mit Buchhaltungsprogrammen auf einer einzigen Plattform und sicher verschlüsselt miteinander vernetzt werden, sparen Banken nicht nur die Dateneingabe; sie können auch Ausgleichszahlungen automatisieren und Kunden diverse Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Inhaber von KMU können in wenigen Schritten Kredite beantragen und Zulieferer bezahlen – alles von derselben Plattform aus.

Wenn Daten mit Vergleichsdiensten von Drittanbietern geteilt werden, können beispielsweise Ausgaben- oder Cashflow-Muster von KMU automatisch analysiert werden, um den besten Kredit und andere Finanzierungsformen zu finden. Das erweitert den Pool potenzieller Kreditgeber.

Solch eine Demokratisierung von Kreditvergaben ermöglicht eine schnellere und gerechtere Finanzierung, durch die KMU besser auf neue Geschäftsmöglichkeiten reagieren können.

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Kapitel 2

Ein Ticket in Richtung Wachstum

Die Flexibilität und die Einsichten, die Open Banking verspricht, dürften die meisten Bedenken von KMU ausräumen.

„KMU sind historisch gesehen ein vernachlässigtes Segment. Mit Open Banking wird dieses Problem angegangen. Man versteht die Bedürfnisse von Unternehmen besser und kann sich darauf konzentrieren, ihnen beim Erreichen ihrer Ziele zu helfen, anstatt nur Finanzprodukte bereitzustellen“, sagt Hamish Thomas, Open Banking Leader bei EY.

Open Banking steht für einen dynamischeren Umgang mit Finanzen. Allerdings wird die Weitergabe hochsensibler Daten an Dritte von manchen KMU als Risiko eingestuft.

In einigen Teilen der Welt ist eine klare Regulierung von Open Banking selbstverständlich, während in anderen wie etwa in China ein eher organischer Ansatz gelebt wird. Der Kunde hat die volle Kontrolle darüber, wer die Daten sieht und was damit geschieht.

Das stärkste Argument, um skeptische Unternehmer zu überzeugen, ist der stark verkürzte bürokratische Hürdenlauf, den sie sonst mit unterschiedlichen Dienstleistern haben. Und falls sich die Umstände ändern – Umzug, Expansion, neue Mitarbeiter oder der Wechsel von Finanzdienstleistern –, erspart man sich zeitraubenden Papierkram.

Digital Passporting ermöglicht den vollständig kontrollierten Zugriff auf die aktuellsten Unternehmensinformationen über ein sicheres Portal. Dienstleister wie Finanzinstitute, Telekommunikationsunternehmen, Regierungsstellen oder Versorgungsunternehmen können die Erlaubnis erhalten, genau die Daten einzusehen, die sie benötigen, um den Bedürfnissen des Unternehmens besser gerecht zu werden. Das bedeutet, Unternehmen müssen Informationen nur einmal eingeben oder aktualisieren. So wird die gesamte Verwaltung einfacher und komfortabler. KMU können auch Konten und Produkte ihrer unterschiedlichen Dienstleister miteinander vernetzen, um eine schnelle Übersicht über ihre internationalen Finanzen zu erhalten.

Dies ist besonders wichtig für KMU, die schon seit langem von den gängigen Bankmodellen vernachlässigt werden. In Großbritannien beantragten 2015 nur 18 Prozent der KMU eine Finanzierung durch ihre Banken, obwohl sie 47 Prozent des Privatsektors ausmachten. In aufstrebenden Volkswirtschaften können 40 Prozent der „nicht bankgebundenen“ KMU keine Finanzierung erhalten.

Einer der Hauptgründe für diese Unterversorgung von KMU-Kunden ist, dass Banken bei KYC (Know your Customer: Kenne deinen Kunden) und den entsprechenden Due-Diligence-Maßnahmen schlecht abschneiden. KMU-Vorgänge sind oft schwer nachvollziehbar, komplex und im niedrigstelligen Bereich. Das macht sie für Banken schwer greifbar, was zur Folge hat, dass KMU als Kunden nicht priorisiert werden.

Bessere Maßnahmen für den Digital Passport könnten den Onboarding-Prozess auf mehreren Ebenen vereinfachen und KMU für Banken attraktiver machen.

Warum sich reibungslose Finanzen für KMU auszahlen

Indem KMU genau bestimmen, mit welchen Banken und Finanzdienstleistern Daten geteilt werden, behalten sie die Kontrolle, während gleichzeitig bessere Angebote gesucht werden können. Open Banking kann aber auch Ressourcen freisetzen. Durch die Automatisierung von Steuer-, Gehalts- und Backoffice-Systemen können sich KMU verstärkt auf ihr Wachstum konzentrieren.

Open Banking bedeutet, dass KMU ihr Backoffice für Buchhaltungs- und Cashflow-Management-Tools öffnen, damit mehr Zeit bleibt, um sich auf wertschöpfende Aufgaben zu konzentrieren.

In Großbritannien wurde Open Banking Anfang 2018 eingeführt. KMU können sich inzwischen mit einer kompatiblen Software direkt mit der digitalen Steuererklärung (Making Tax Digital, MTD) der britischen Regierung verbinden. Mit diesem System, das Ende 2019 vollständig implementiert sein wird, soll die Steuerverwaltung effektiver und zeitsparender werden. Die für Steuerzwecke benötigten Daten werden nahtlos mit staatlichen Datenbanken geteilt, wodurch der Backoffice-Aufwand verringert wird.

Unternehmen, die ihre Mehrwertsteuer über das System verwalten, müssen alle Transaktionen digital erfassen und ihre Steuererklärungen über eine kompatible Software einreichen – eine wesentlich effizientere Methode als herkömmliche Steuererklärungssysteme.

Die Vorteile der „reibungslosen Finanzen“ für KMU sind: Zahlungen werden schneller und einfacher abgewickelt, Ausgaben angezeigt und überwacht, die Cashflow-Prognose wird automatisiert und es können – nicht zuletzt – Erkenntnisse aus Transaktionsdaten gezogen werden. All das kann dazu beitragen, Businessoptionen schneller zu identifizieren und dadurch Wachstum zu beschleunigen.

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Kapitel 3

Wichtig sind die richtigen Partnerschaften

In diesem sich entwickelnden Markt können Banken, KMU und FinTechs gemeinsam Wachstum generieren.

Open Banking und der Digital Passport stehen noch am Anfang. Bereits jetzt ist klar, dass KMU im Mittelpunkt dieses wirtschaftlichen Ökosystems stehen, da sie Lieferanten, Kunden und Regulatoren miteinander vernetzen.

Sowohl traditionelle KMU als auch kleinere FinTechs bringen neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt, die Kooperationen und Partnerschaften in diesen Ökosystemen ermöglichen: 94 Prozent der britischen FinTechs sehen Open Banking als wichtigen Wachstumsmarkt, 81 Prozent bereiten sich bereits aktiv auf die Veränderungen vor. Die Zusammenlegung von Konten und Daten steht derzeit ganz oben auf der To-do-Liste der FinTech-Entwickler. Umgekehrt bedeutet das: Wer versäumt, solche Produkte auf den Markt zu bringen, oder sich nicht auf ein offenes Bankensystem einlässt, geht das Risiko ein, von agileren Akteuren überholt zu werden. Das trifft auf Finanzinstitutionen aller Größenordnungen zu.

Für Banken, die nicht mit FinTech-Innovatoren zusammenarbeiten, muss die Produktentwicklungskompetenz ganz oben auf die Agenda rücken. Der Finanzdienstleistungsmarkt ist bereits dabei, supraflüssig zu werden. Die wichtigsten Fragen sind: Wie können Daten in Open Banking bestmöglich genutzt werden? Wie werden sensible und persönliche Daten geschützt? Und wie schafft man es, sich in diesem Markt einen der vordersten Plätze zu sichern?

Wie auch immer Finanzdienstleister innovatives technologisches Know-how erwerben – eine weitere zu überwindende Hürde ist die fehlende Akzeptanz seitens der KMU-Kunden. 16 Prozent der FinTechs sehen dies als zentrale Herausforderung für die Umsetzung von Open Banking. 9 Prozent geben an, dass weitere Industriestandards benötigt werden.

Unabhängig davon, ob Banken und FinTechs oder KMU und ihre Banken miteinander kooperieren, Partnerschaften werden zweifellos der wesentliche Bestandteil des aufkommenden, supraflüssigen Open-Banking-Ökosystems sein. Im Mittelpunkt wird ein starker, informierter Kunde stehen.

Fazit

KMU sind einer der zentralen Punkte des aufstrebenden supraflüssigen Open-Banking-Marktes, in dem Banken und FinTech-Unternehmen zusammenarbeiten, um ein neues Ökosystem für Wachstum zu schaffen.

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