5 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020
Mann mit Kindern auf der Kuhweide

Wie wird aus digitalem Fortschritt eine solide Zukunft für Unternehmen?

Karoline Scheucher, Eigentümerin und CEO von Steirerfleisch im Gespräch mit Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich.

E

Y Österreich: Frau Scheucher, Sie konnten in einem teils rückläufigen Markt Ihre Anteile halten, haben 2018 eine Zulassung für China erhalten. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Karoline Scheucher: Egal, ob man auf dem europäischen, amerikanischen oder asiatischen Markt tätig ist – es geht immer darum, authentisch zu sein, das, was man tut, zu kommunizieren, und den eigenen Werten treu zu bleiben.

Was sind denn Ihre Werte?

Karoline Scheucher: Wir versuchen, immer den höchstmöglichen Qualitätsansprüchen unserer Kunden gerecht zu werden. Es ist uns lieber, Kundenanfragen abzusagen oder zu verschieben, als irgendwelche Kompromisse einzugehen. Da gibt es für uns nicht einen halben Millimeter Spielraum.

Wie hat sich denn die Branche der Fleischverarbeitung über die Zeit hinweg verändert?

Karoline Scheucher: Über die Jahre hat sich in der Branche sehr viel verändert. Früher gab es einen Schlachthof, der für das Schlachten zuständig war. Die Tierhälften wurden dann weiterverkauft. Mittlerweile ist diese Zwischenstufe – Zerlegebetriebe, die die Hälften weiterverkaufen – verschwunden. Ein Schlachthof zerlegt, entknocht und bereitet die Produkte so auf, wie sie für die nachgelagerte Stufe benötigt werden. Wir haben diese Schritte alle integriert.

Gunther Reimoser: Es zeichnet sich ab, dass Unternehmen sich selbst oder über Partnerschaften eine größere Wertschöpfungstiefe erarbeiten. In dieser Branche haben wir mit geringen Margen über die einzelnen Stufen zu tun. Durch diese Vorwärtsintegration kann die Gesamtmarge erhöht werden. Eine weitere Strategie ist, sich auf Kernkompetenzen – etwa Qualität oder Nachhaltigkeit – zu fokussieren. Die Marke wird so mit einer Bedeutung für die Konsumenten belegt. Es geht nämlich nicht nur um eine Kosten- oder Marktführerschaft, sondern um das Gesamtpaket.

Inwieweit spielt die Digitalisierung in Ihrem Betrieb eine Rolle?

Karoline Scheucher: Mittlerweile verkaufen wir nicht mehr nur das Produkt Fleisch, sondern auch eine richtige „Datenwolke“. Denn der Konsument möchte nicht nur, dass das, was er isst, gut schmeckt – er möchte auch wissen, woher es kommt und wie das Tier aufgewachsen ist. Das ist nur möglich, wenn man mit jedem Stück Fleisch eine Fülle von Daten mitliefert. Das wiederum funktioniert nur, wenn man mit dem digitalen Fortschritt mithält. Wenn wir einem Kunden einen Beinschinken liefern, bekommt er das Fleisch – und zugleich Informationen über Herkunft, Rasse, Alter und Aufzucht des Tieres. Die Datensammlung beginnt mit der Geburt des Ferkels: Jedes Neugeborene erhält eine Nummer – das ist in der gesamten Europäischen Union gleich.

Der Konsument möchte nicht nur, dass es gut schmeckt – er möchte wissen, woher das Tier kommt und wie es aufgewachsen ist.
Karoline Scheucher

Gunther Reimoser: Die Rückverfolgbarkeit spielt bei mehreren Wertschöpfungsstufen eine große Rolle. Wir kennen das System „Just in time“ bereits aus der Automobilindustrie – keiner will Lagerzeiten –, und das verbreitet sich immer mehr. Einerseits verknüpfen Unternehmen also Datenströme, andererseits kommt auch Sensorik für die Steuerung der Aufzucht und Fütterung der Tiere ins Spiel. Sensorik wird auch im Verarbeitungsprozess eingebaut. Gesamt gesehen kommen dadurch viele Daten zusammen – die der Endabnehmer oder der Verbraucher vielleicht nicht alle benötigt, dafür aber das Unternehmen selbst, um die Qualität zu halten und die Effizienz zu steigern.

Die Etablierung einer solchen Datenwolke benötigt doch hohe Investitionen, oder?

Karoline Scheucher: Jede Durchreichung von Daten kostet zunächst einmal Geld – das Produkt wird dadurch nicht billiger. Zudem müssen die Daten auch stimmen: Man baut interne Sicherheitsnetze zur Kontrolle ein. Der Vorteil ist, dass man sich mit seinen Lieferanten besser abstimmen kann und somit Engpässen oder Übermengen in der Anlieferung von Ware vorbeugen kann. Natürlich ist man so auch besser mit dem Kunden vernetzt und erhält Bestellungsneuerungen über Nacht. Zeiteinsparungen spielen gerade in unserem Bereich mit geringen Haltbarkeitsfristen eine große Rolle. Alles, was wir bei unserer Herstellung an Zeit einsparen, stellen wir dem Kunden als längere Lebensdauer der Produkte zur Verfügung.

Werden Mitarbeiter obsolet?

Karoline Scheucher: Definitiv nicht. Das Anforderungsprofil der Mitarbeiter ändert sich einfach. Wenn ich mir die Wunschqualifikation vorstelle, wäre das eine fachlich spezifische Qualifikation kombiniert mit IT-Wissen – vor allem im Umgang mit neuen Technologien.

Gunther Reimoser: Auf der einen Seite gibt es Fachkräftemangel, auf der anderen Seite fehlt es an der Verbindung von herkömmlichen Fähigkeiten mit neuen Fähigkeiten – diese Nachfrage sehen wir in sehr vielen Branchen. Was vorhandene Arbeitsplätze betrifft, fallen natürlich durch die Automatisierung Jobs weg. Dafür kommen aber auch einige neue hinzu, etwa im Bereich Qualitätssicherung, Branding oder in der Abstimmung mit Lieferanten. Auch die Interaktion mit den Maschinenlieferanten bezüglich der Wartung spielt eine größere Rolle. Im Einzelnen kann Digitalisierung natürlich Angst erzeugen – es geht dann darum, Chancen darzustellen, um diese Angst zu nehmen.

Im Einzelnen kann Digitalisierung natürlich Angst erzeugen – es geht dann darum, Chancen darzustellen, um diese Angst zu nehmen.

Sehen Sie Ängste bei Ihren Mitarbeitern?

Karoline Scheucher: Nein. Wir bauen gerade eine neue Niederlassung – dort arbeitet dann niemand mehr manuell, die ganze Verarbeitung wird automatisiert. Dazu haben wir vor anderthalb Jahren begonnen, unsere Mitarbeiter zu fragen, wer sich vorstellen kann, sich höher zu qualifizieren, und Weiterbildungskurse angeboten. Das Interesse war groß. Es ist auch für uns besser, auf bestehende Mitarbeiter zu bauen, da sie die Abläufe und Arbeitsweise unseres Unternehmens bereits kennen.

Der neue Betrieb wird in der Nähe des alten gebaut. War eine Niederlassung in China nie eine Option?

Karoline Scheucher: Einer der wichtigsten Faktoren, um einen Zerlegebetrieb erfolgreich zu führen, sind die Rohstoffe. Wieso sollten wir nach China, wenn wir in der Steiermark eines der besten Gebiete in der Aufzucht und Produktion von Schweinen haben? Wir können hier die Schweineproduktion rückverfolgen und nachhaltiger und ökologisch sinnvoller produzieren. Dazu haben wir eine enge Kooperation mit den steirischen Landwirten im Rahmen unseres Regionalprogramms „Steirerglück“. Wir bieten ihnen die Sicherheit, dass wir ein kontinuierlicher und langfristiger Abnehmer ihrer Produkte sind, und einen Mehrwert im Gegensatz zum üblichen österreichischen Marktpreis.

Wie sehen Sie sich denn im internationalen Wettbewerb aufgestellt?

Karoline Scheucher: Wir haben weder die Größe noch die Möglichkeiten, mit den Großbetrieben in der EU zu konkurrieren. Das ist aber auch nicht unser Ziel. Wir möchten qualitativ hochwertige Produkte unter Einhaltung ethischer Standards produzieren. Dahin gehend ist bereits viel passiert – unsere Produkte der Marke „Duroc“ setzen wirklich neue Standards. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht weiterentwickeln kann.

Gunther Reimoser: Es ist gut, dass österreichische Betriebe sich auf das fokussieren, womit sie der Konkurrenz gut standhalten können und wo sie für etwas stehen. In diesem Fall ist es die Qualität und die Nähe zur Herstellung. Das ist meines Erachtens die richtige Strategie. Natürlich wird man dann nicht hinsichtlich Größe oder Menge konkurrenzfähig sein, dafür aber nachhaltig Absatzmärkte generieren.

Wie sieht die zukünftige Strategie für Steirerfleisch aus?

Karoline Scheucher: Wir setzen zu 100 % darauf, dass unsere Qualität noch besser wird, und wollen noch mehr auf Automatisierung und technologischen Fortschritt setzen. Der Konsument soll alle Daten bekommen, die er haben möchte.

Fazit

Dass auch traditionelle Branchen im digitalen Zeitalter ankommen, beweist der Schlachtbetrieb Steirerfleisch. Das Unternehmen gewann 2017 den EY Entrepreneur Of The Year (Kategorie: Handel und Konsumgüter). Karoline Scheucher, Eigentümerin und CEO und EY-Country-Managing-Partner Gunther Reimoser im Gespräch über digitales Fleisch.