4 Minuten Lesezeit 20 Juli 2019
Geschäftsmann blickt aus dem Fenster

Wie Veräußerungen zur langfristigen Wertschöpfung beitragen

Von Daniel Riegler

Leiter Sell and Separate, Strategy and Transactions | Deutschland, Schweiz, Österreich

Berät Konzerne beim Verkauf von Teilbereichen und Geschäftseinheiten. Erholt sich am liebsten bei Aktivitäten mit seiner Frau und seinen drei Kindern oder beim Fliegenfischen in den Alpen.

4 Minuten Lesezeit 20 Juli 2019

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Divestments helfen Unternehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Transformationspläne leichter umzusetzen.

Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz (KI), Digital-Health – neue Technologien und Geschäftsmodelle werden auch in Zukunft Branchen weiter verändern. Für Unternehmen ergeben sich daraus viele Chancen, aber auch neue Anforderungen und mögliche Umstrukturierungen. Mit teilweise umwälzenden Auswirkungen: Firmen erfinden sich für die Wirtschaft 4.0 zum Teil komplett neu oder trennen sich vermehrt von Unternehmensteilen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Transformationspläne umzusetzen.

Bereits in der ersten Hälfte 2019 haben Abspaltungen und Umstrukturierungen den Markt aufgerüttelt: In der Automobilindustrie kam es zu großen Börsengängen einzelner Sparten, traditionelle Autovermieter wagen den Wandel zur Mobilitätsplattform, Industriekonzerne entwickeln sich immer mehr zu Technologieunternehmen, die Energiebranche wappnet sich für große Transaktionen.

Die Konzentration auf das Kerngeschäft wird zunehmend wichtiger. Randsparten werden im Sinne einer klassischen Portfoliobereinigung abgestoßen. Entscheidungsträger in den Unternehmen erkennen, dass größer nicht immer besser ist. Denn Größe kann träge machen. Jüngste Abspaltungen, zum Beispiel im Automobil-, Chemie- und Industriesektor, zeigen, dass sich Unternehmen zunehmend von Konglomeraten wegbewegen. Ein kleineres Unternehmen mit einem klaren Unternehmenszweck kann sich leichter fokussieren und agiler handeln. Veräußerungen sind der Weg dorthin.

Innovationsfähigkeit war schon immer eine Stärke der deutschen Unternehmen.

Digitale Transformation gewinnt weiter an Bedeutung

In deutschen Unternehmen ist die strategische Neuausrichtung auf der Tagesordnung. Das bestätigen die Ergebnisse unserer Studie zu Unternehmensveräußerungen (EY Global Corporate Divestment Study 2019). Sie zeigen: Die Zahl der Veräußerungen liegt in Deutschland bereits auf sehr hohem Niveau – und soll auch künftig weiter steigen.

Laut unserer Studie wollen 82 Prozent der Befragten in den kommenden zwei Jahren Unternehmensteile veräußern. 85 Prozent erklärten, dass die in den nächsten zwölf Monaten geplanten Veräußerungen Teil ihrer Strategie zur Verschlankung des Betriebsmodells sind.

Dabei zeigt sich: Unternehmen veräußern Geschäftsbereiche zunehmend aus strategischen Gründen, weniger als Folge eines Misserfolges. Vielmehr erweist sich die digitale Transformation als stärkste Triebfeder. Die Mehrzahl der Unternehmen ist bereit, in Innovationen zu investieren, dabei auch Risiken einzugehen und neue Wege zu beschreiten. 86 Prozent der befragten deutschen Unternehmen gehen davon aus, dass die Zahl der technologiebegründeten Veräußerungen in den kommenden zwölf Monaten zunehmen wird, im Vorjahr lag die Quote noch bei 57 Prozent.

Innovationsfähigkeit war schon immer eine Stärke der deutschen Unternehmen: So haben 76 Prozent der Befragten die Erlöse aus ihrer letzten Desinvestition in neue Produkte, Märkte und Regionen reinvestiert. Dadurch wird sich letztendlich auch zeigen, wie gut es etablierten Unternehmen gelingt, neue Technologien zu adaptieren.

Hinzu kommt, dass auch geopolitische Unsicherheiten Veräußerungspläne beeinflussen: Unsicherheiten über internationale Handelsabkommen, Sanktionen, Brexit oder Grenzkontrollen bestimmen die Nachrichten – aber auch die Entscheidungen in den Chefetagen. 69 Prozent der deutschen Unternehmen gehen davon aus, dass geopolitische Veränderungen die Betriebskosten in die Höhe treiben werden.

Wo beginnt eine erfolgreiche Veräußerung?

Deutsche Unternehmen haben erkannt: Mut zu Divestments zahlt sich aus. So trennt man sich heute schneller und konsequenter von Unternehmensteilen, wenn diese nicht mehr in das neue, schlankere strategische Konzept passen. Doch wie können Divestments erfolgreich umgesetzt werden?

Das Stichwort „Strategie“ wird hier zum Schlagwort. Als erster Schritt sollten einige grundlegende Fragen beantwortet werden:

  • Was ist unser Kerngeschäft?
  • Welche Bereiche sind weniger profitabel?
  • Und vor allem: Wo soll die Reise künftig hingehen?

Denn eine erfolgreiche Veräußerung beginnt mit der genauen Definition der Transaktionsperimeter. Die Basis muss stimmen, auch der Wirkungsbereich muss klar abgesteckt sein. Dabei ist wichtig, die Vorteile unterschiedlicher Strukturen gegeneinander abzuwägen. 73 Prozent der deutschen Unternehmen haben ihre jüngste Desinvestition in Form eines Carve-out durchgeführt. Es zeigt sich auch, dass der Trend europa- und deutschlandweit zu einem Rückgang anderer Modelle führt. So haben Joint Ventures deutlich nachgelassen – europaweit ist ein Rückgang von 20 Prozent zu verzeichnen.

Steuern und Regularien stets im Blick behalten

Für 63 Prozent der deutschen Unternehmen erwies sich die unzureichende Vorbereitung auf steuerliche Risiken als einer der Hauptgründe für einen geringeren Verkaufspreis bei ihrer letzten Desinvestition. Ein vermeidbarer Fehler.

Regulatorische Hürden können eine Veräußerung oft unnötig ausbremsen. Bei 39 Prozent der deutschen Unternehmen führten Unklarheiten und Fehleinschätzungen über regulatorische Anforderungen zu einem verzögerten Abschluss. Besonders wichtig ist es, Arbeitsabläufe im Detail zu verstehen und kompetent steuern zu können. Da komplexe Bereiche wie IT, gemeinsame rechtliche Einheiten und Shared Services größere Aufmerksamkeit erfordern, ist eine klare Kommunikation grundlegend; ebenso der strukturierte Einsatz von Verantwortlichen, die den Prozess von Anfang an begleiten und überwachen.

Wie lässt sich eine maximale Wertschöpfung erzielen?

Die Preiserwartungen von Verkäufern und Käufern in Bezug auf den zu veräußernden Vermögenswert sind im vergangenen Jahr stark auseinandergedriftet: 55 Prozent der veräußerungswilligen Unternehmen in Deutschland nannten eine Abweichung von mehr als 20 Prozent zwischen den Erwartungen der Verkäufer und den Angeboten der Käufer. Im Vorjahr stellten dies nur 18 Prozent fest.

Um die gewünschte Bewertung zu erzielen, ist es besonders wichtig, eine glaubwürdige Strategie zur Wertsteigerung mit unterstützenden Daten zu entwickeln. Wer die wichtigsten, für den potentiellen Käufer relevanten Aspekte des Unternehmens hervorhebt und die Vorteile vor allem durch valide Daten untermauert, stellt von Beginn an die richtigen Weichen.

Im Vorfeld von Verkaufsverhandlungen können Advanced Analytics helfen: 68 Prozent der Befragten sehen das Potenzial in diesem Bereich, auch wenn sie selbst bei ihrer letzten Desinvestition keine Datenanalysen bei den Verhandlungen mit dem Käufer genutzt haben. Bei 54 Prozent kamen sie dagegen zum Einsatz. Bislang liegt der Fokus eher auf dem ersten Schritt der Desinvestitionsentscheidung (91 Prozent griffen hier auf Advanced Analytics zurück) und dem folgenden Schritt der Verkaufsvorbereitung (79 Prozent verwendeten dafür Analysen).

Auch unabhängige Betriebsmodelle sind Erfolgswerkzeuge. Wird der zu veräußernde Geschäftsbereich als eigenständige Unternehmenseinheit angeboten, können höhere Verkaufspreise erzielt und die Transaktion schneller abgewickelt werden. Für 51 Prozent der befragten Käufer ist diese Eigenständigkeit eine der wichtigsten Informationen, damit sie nicht aus dem Bieterverfahren aussteigen.

Divestments als Wettbewerbsvorteil

Trotz herausfordernder Umstände durch geopolitische Unsicherheiten, branchenprägende technologische Neuheiten und stetige Marktveränderungen, sind die Aussichten für Unternehmensveräußerungen bestens. Denn die Methoden haben sich verfeinert und verbessert.

Wer sein Betriebsmodell verschlankt und flexibler gestaltet, Vermögenswerte frühzeitig für den Verkauf vorbereitet und die Wertstrategie auf alle potenziellen Käufer zuschneidet, kreiert entscheidende Vorteile – und bestimmt das eigene Tempo. 

Fazit

Für deutsche Unternehmen sind Veräußerungen ein elementares Mittel, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken oder eine Transformation zu realisieren. Denn Digitalisierung und Innovationen, wie autonome Fahrzeuge und Künstliche Intelligenz (KI), führen zu neuen Geschäftsmodellen – und zwingen Unternehmen dazu, ihr Geschäftsportfolio zu verändern. Sich von Randgeschäft bzw. alten Geschäftsmodellen zu trennen, gilt als wichtigster Schritt in der Transformation. 

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Von Daniel Riegler

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