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Vier Hypothesen für die Bank-CFOs der Zukunft


Wie wird sich die Finanzfunktion der Bank in Zukunft wandeln und was sind die Trends, die diesen Wandel treiben?


Der Finanzsektor durchlebt unbestritten eine der größten Transformationen in der jüngeren Vergangenheit. Welche spezifischen Auswirkungen haben diese generellen Trends auf die CFO-Organisationen der Banken? Diese Frage möchten wir im folgenden Artikel beantworten und unsere Vision einer zukunftsorientierten Finanzorganisation darstellen.

Megatrend ESG und Nachhaltigkeit

Kaum ein Thema beeinflusst unsere Gesellschaft momentan stärker als das Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel. Insbesondere Banken tragen als zentrale Finanzakteure und Kapitalgeber eine tiefgreifende gesellschaftliche Verantwortung, um Investitionen ökologisch nachhaltig und sozial integrativ zu gestalten. Die zunehmende Anzahl ESG-Anforderungen stellen etablierte Banken dabei vor massive Herausforderungen. Neben einer entsprechenden Anpassung der Produkt- und Vertriebsstrategie sowie Adaptionen im Risikomanagement ergeben sich auch neue Anforderungen hinsichtlich der Konzernsteuerung und des Berichtswesens.

  • Schlüsselfrage: Welche Rolle spielt der Finanzvorstand bei der Transformation zu einer Unternehmensstrategie, die auf den Nachhaltigkeitstrend abgestimmt ist?

Megatrend Daten, Daten und noch mehr Daten

Die Digitalisierung schreitet in allen Wirtschaftsbereichen mit rasanter Geschwindigkeit voran und bietet auch weiterhin für den Bankensektor großes Weiterentwicklungspotenzial. Neben der Optimierung und Automatisierung von Geschäfts- und IT-Prozessen nimmt die Relevanz der Daten mit schier unglaublicher Geschwindigkeit zu. In der möglichst zielorientierten Nutzung der Daten spielen die Finanzorganisationen eine wesentliche Rolle. Die CFOs der Zukunft müssen in der Lage sein, die zunehmende Komplexität und Menge an Daten zu managen und daraus zielgerichtete Steuerungsimpulse abzuleiten. Wesentlicher Erfolgsfaktor in diesem Zusammenhang ist unserer Erfahrung nach der Wandel hin zur datengetriebenen Finanzorganisation. Kernziel dieser Transformation ist es, dem sich verändernden Anforderungsprofil des Finanzvorstands vom „number cruncher“ zum/zur strategischen Partner:in des/der CEO gerecht zu werden und die komplexeren Datenflüsse – bei gleich bleibender Datenqualität – so effizient wie möglich zu gestalten. Während künstliche Intelligenz und Data Analytics integrale Erfolgsfaktoren auf dem Transformationsweg sind, müssen unter der Grundmaxime „Keine Transformation ohne Business Case“ zielgerichtete Lösungen für die oftmals veraltete IT-Infrastruktur gefunden werden.

  • Schlüsselfrage: Welche Rolle spielt der/die CFO der Zukunft in der Steuerung der Bank sowie im Management und in der Analyse von Daten?

Megatrend wandelnde Anforderungen in der Arbeitswelt
 

Nichts ist, wie es bleibt – das gilt auch für die Arbeitswelt. Gerade die COVID-19-Krise hat gezeigt, dass die Art und Weise, wie und wo wir arbeiten, sich stark verändert. Dabei entstehen neue Anforderungen an beide Parteien – sowohl an den Arbeitgeber als auch an die Arbeitnehmer:innen. Die in diesem Kontext oft zitierte „Arbeitswelt 4.0“ umfasst Aspekte wie zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten, agile Organisation und Führungsstile oder auch digitale und automatisierte Prozesse. All diese Themen werden auch die Finanzorganisationen von Banken langfristig prägen. Daraus resultierend werden sich im CFO-Bereich neue Tätigkeitsbereiche eröffnen, die auch die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter:innen maßgeblich beeinflussen werden.

  • Schlüsselfrage: Wie gestaltet sich die Arbeitswelt im CFO-Bereich der Zukunft und welche Anforderungen an Beschäftigten, aber auch an die Bank sind damit verbunden?
     

CFOs als Transformation Officers – „Legacy-Faktoren“ müssen zeitnah berücksichtigt werden
 

Die genannten Trends und Treiber zeigen deutlich, vor welchen Herausforderungen der Finanzsektor in kurz- und mittelfristiger Zukunft steht. Ebenso ist die wesentliche Bedeutung der Finanzvorstände im Veränderungsprozess unbestritten. Um die Rolle als „Transformation Officer“ ausfüllen zu können und damit Dreh- und Angelpunkt der Veränderung zu werden, müssen zeitnah einige der Transformation hinderliche Faktoren in den Blick genommen werden. Dies bildet letztendlich das Fundament für das erfolgreiche Meistern des anstehenden Wandels:
 

Veraltete System- und Datenarchitektur
 

Die Systemlandschaften und Datenarchitekturen vieler Häuser sind nicht mehr zeitgemäß und führen zu langsamen, fehleranfälligen und komplexen Prozessen. Ebenso verhindern historisch gewachsene IT-Architekturen eine vernetzte und aussagekräftige Analyse und Nutzung der Daten. Die Rolle des Finanzvorstands als strategischer Partner des/der CEO wird dadurch wesentlich beeinträchtigt.
 

Starke Fokussierung auf operative Tätigkeiten
 

Aufgrund der veralteten Systeme und Prozesse und der daraus resultierenden geringen Automatisierung müssen Mitarbeiter:innen einen Großteil der verfügbaren Zeit mit operativen und manuellen Tätigkeiten verbringen. Nur ein geringer Teil der Kapazitäten wird in die Analyse und die Wissensweitergabe aus gewonnenen Daten investiert. Der Trend weg von operativen Aufgaben, hin zu wertsteigernden analytischen Tätigkeiten erfordert unter anderem neue Technologien wie Robotics und Machine Learning. In weiterer Folge führt er auch dazu, dass die Stellenanforderungsprofile im CFO-Bereich einem Wandel unterzogen werden. Analytische und datenbezogene Fähigkeiten werden immer stärker in den Vordergrund rücken.
 

Ineffiziente Fachprozesse aufgrund von regulatorischen Änderungen
 

Die regulatorischen Änderungen der jüngeren Vergangenheit haben insbesondere die Finanzorganisationen sehr stark betroffen. Kaum eine Änderung ist an den Prozessen im CFO-Bereich vorübergegangen. Einhergehend mit den Umsetzungsprojekten, die unter großem Liefer- und Zeitdruck standen, wurde die Effizienz von Fachprozessen häufig beeinträchtigt. Provisorische Lösungen sollten oftmals langfristigen Bestand haben und Prozessoptimierungen wurden nach Abschluss der Umsetzung nur bedingt durchgeführt. Um Kapazitäten für die anstehenden Transformationen und die genannten neuen analytischen Tätigkeiten zu schaffen, müssen bestehende Effizienzpotenziale gehoben werden.
 

Eine erfolgreiche Berücksichtigung der genannten Effizienzpotenziale ist der erste Schritt auf dem notwendigen Transformationsweg. In weiterer Folge stellt sich die Frage, wie die Entwicklung zur Finanzorganisation der Zukunft gelingt.

Eine erfolgreiche Berücksichtigung der genannten Effizienzpotenziale ist der erste Schritt auf dem notwendigen Transformationsweg. In weiterer Folge stellt sich die Frage, wie die Entwicklung zur Finanzorganisation der Zukunft gelingt.

Welche konkreten Themengebiete werden die Transformation im Finanzbereich prägen und wie kann der/die CFO der Zukunft darauf reagieren? Im folgenden Abschnitt werden wir vier Hypothesen umreißen, die unserer Meinung nach die Finanzfunktion der Zukunft deutlich prägen werden.

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1. Hypothese: Die CFOs der Zukunft sind die Haupttreiber:innen von Nachhaltigkeit im Unternehmen

Wie schon in der Einleitung erwähnt, zählt Nachhaltigkeit zu den bedeutendsten Themen, Megatrends und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. In welcher Form wird der/die CFO die Gesamtbank hinsichtlich Nachhaltigkeit mitgestalten?

  • Strategie und Planung: Um eine breite Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens in der gesamten Bank sicherzustellen, ist aus unserer Sicht eine integrierte Betrachtung von Strategie und Nachhaltigkeit unumgänglich. CFOs sind in diesem Zusammenhang als Bindeglied zwischen ESG-Zahlenwelt und der strategischen Ausrichtung des Konzerns eine wesentliche treibende Kraft.
  • Steuerung und Reporting: Wesentliche Komponente einer breiten Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens ist eine Verankerung in der Unternehmenssteuerung in Form von entsprechenden Kennzahlen und einer auf ESG-Faktoren abgestimmten internen und externen Berichterstattung.
  • CFO als Partner:in der Marktbereiche: Im Zuge der Weiterentwicklung der CFO-Rolle wird eine stärkere Kollaboration mit den Marktbereichen eine wesentliche Rolle spielen. Die Finanzorganisation wird hierbei stärker als Challenger auftreten und auf der Basis aussagekräftiger Analysen zielgerichtete Steuerungsimpulse ableiten. Über diesen Kanal wird der/die CFO unter anderem wesentliche Impulse hinsichtlich Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie der Marktbereiche einfließen lassen
  • Treasury: Auch in der Kapitalbeschaffung, die oftmals in der Finanzorganisation angesiedelt ist, spielt die Nachhaltigkeitsthematik eine immer wichtigere Rolle. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Nachhaltigkeitskriterien verstärkt in die Investitionsentscheidung der Investor:innen einbezogen werden. Eine Verzahnung der Investorenbedürfnisse mit der Strategie der Gesamtbank ist unausweichlich.
Zusammenfassend sind wir der Überzeugung, dass die CFO-Organisation die treibende Kraft sein wird, um den Nachhaltigkeitsgedanken innerhalb der Bank breit zu verankern.

2. Hypothese: Ein funktionierendes „Steering Center“ wird das Kernstück jedes Finanzbereichs

Während in den meisten Instituten eine klare Vision hinsichtlich der Weitentwicklung des Unternehmens besteht, ist oftmals die Verbindung der Strategie mit dem operativen Bankbetrieb nicht gegeben. Eine wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielt die Finanzorganisation, die über Planung, Performance-Management und Steuerung als Bindeglied zwischen Strategie und Markt bzw. Marktfolge fungieren muss. Der bzw. die CFO ist somit wesentlich verantwortlich für die Operationalisierung der Unternehmensstrategie.

Unsere erfolgreich umgesetzten Best-Practice-Beispiele zeigen, dass eine dedizierte Einheit in der Finanzorganisation zielführend ist, die den gesamten Steuerungsprozess „end to end“ begleitet: von der Übersetzung der strategischen Vision in die Finanzplanung über Analyse und Reporting bis hin zur Ableitung entsprechender Steuerungsimpulse. Diese neu geschaffene Einheit, die meist aus dem strategischen Controlling weiterentwickelt wird, trägt letztendlich auch wesentlich dazu bei, dass sich der Finanzvorstand als strategische:r Partner:in des/der CEO positionieren kann.

Ein zentrales Steering Centers hat folgende Aufgaben:

  • Mitwirken bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie
  • Übersetzung in die Finanzplanung
  • Monitoring von Performance und aktive Steuerung von Vertrieb, Marktfolge und Konzerneinheiten
  • zentrales Management der Ressourcen (Kosten, Kapital, Risk Weighted Assets, Liquidität …)
  • Ableitung von Steuerungsimpulsen basierend auf der Performance
  • Erstellen maßgeschneiderter Analysen und Auswertungen für das Management
  • Aufzeigen von Business-Chancen und ­Risiken

3. Hypothese: Planungsprozess neu gedacht: Agilität wird das Kernstück der Planung sein

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – bei allen Schwierigkeiten des Planens ist es für ein funktionierendes Unternehmen trotzdem unerlässlich, Prognosen aufzustellen und Budgets zu verteilen. Dass geplant werden muss, ist also klar, jedoch muss vor einer großen Veränderung auch bestimmt werden, wie und in welcher Weise geplant wird. In vielen Unternehmen ist zu beobachten, dass der jährliche Planungsprozess sehr früh im Jahr startet und auch oft sehr lange dauert. Dies ist meist langen Abstimmungsrunden, unternehmenspolitischen Diskussionen und unklaren Datengrundlagen und Prognosen geschuldet. Ein weiterer Grund ist, dass die Planung in der Art, wie sie oftmals verwendet wird, nicht mehr zum Umfeld und zur Arbeitsweise zahlreicher Banken von heute und vor allem in der Zukunft passt. Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen und zuletzt COVID-19 haben gezeigt, wie schnelllebig die Welt geworden ist und wie schnell dadurch Pläne wieder obsolet werden können. Aber dies trifft nicht nur in außerordentlichen Krisen zu. Durch sehr lange Prozesse sind die Gegebenheiten zu Beginn der Planungsphase oft andere als zum Abschluss der Planung. Unter diesen Gesichtspunkten wird klar, in welche Richtung sich Planungsprozesse verändern müssen: hin zu Flexibilität, Geschwindigkeit und damit verbundener höherer Treffsicherheit.

Die Planung der Zukunft wird alle drei Faktoren beinhalten müssen – das Schlagwort ist Agilität. Planung und Agilität passen eventuell auf den ersten Blick nicht zusammen und scheinen sich vielleicht sogar auszuschließen, das Gegenteil ist jedoch der Fall. Durch eine zunehmende Agilität im Planungsprozess wird sichergestellt, dass Budgets aktueller sind, treffsicherer gestaltet und in kürzeren Iterationen erstellt werden können.

Durch eine zunehmende Agilität im Planungsprozess wird sichergestellt, dass Budgets aktueller sind, treffsicherer gestaltet und in kürzeren Iterationen erstellt werden können.

4. Hypothese: Von 80 % „number crunching“ zu 80 % Wissensgenerierung und Transfer

Wie sehen die Kernaktivitäten des CFO-Bereichs der Zukunft aus? Wie verändern sich wesentliche Finanzprozesse in Zukunft und welche Rolle spielt dabei die rapide ansteigende Komplexität und Menge an Daten?

Die traditionellen Aufgaben der CFO-Bereiche umfassen insbesondere die externe Berichterstattung und das interne Management-Reporting. Hierbei stehen insbesondere operative Tätigkeiten wie beispielsweise Planen, Buchen und Berichten im Vordergrund. Komplexe und umfangreiche Prozesse wie zum Beispiel der Jahresabschluss bündeln dabei eine Vielzahl von Ressourcen und limitieren den Gestaltungsspielraum des CFO-Bereichs. Erfolgreiche Referenzprojekte haben gezeigt, dass mittels gezielter Prozessautomatisierung (z. B. durch den fortgeschrittenen Einsatz von Robotik-Lösungen) neue Kapazitäten innerhalb der Finanzfunktion geschaffen werden können und eine Verlagerung der Ressourcen weg von operativen Aufgaben, hin zu wertsteigernden analytischen und strategischen Tätigkeiten erreicht werden kann. Aus dieser Verlagerung ergeben sich in weiterer Folge auch veränderte Rollenprofile innerhalb des CFO-Bereichs:

  • Administration automatisierter und digitalisierter Prozesse
  • analytische und strategische Fähigkeiten hinsichtlich der aufgewerteten Konzernsteuerung
  • Datenmanagement, Data Science und Robotics

Die Generierung strategisch und operativ relevanter Analysen für Marktbereiche wird eine der Kernaktivitäten des CFO-Bereichs der Zukunft sein. Bereits heute entsteht in der Finanzfunktion eine Vielzahl wertvoller Daten, die jedoch im Rahmen historisch gewachsener Reporting-Prozesse meist „nur“ aufbereitet werden. Eine kritische Würdigung und Analyse der Daten wie auch daraus abgeleiteter Steuerungsimpulse kommt hingegen meist zu kurz.

Zusammenfassend wird die Mischung aus teil- und vollautomatisierter Prozesslandschaft eine Grundvoraussetzung sein, um die Finanzfunktion zum wesentlichen Wissensträger innerhalb der Bank zu transformieren. Nur so können noch in operativen Aufgaben gebundene Kapazitäten verfügbar gemacht werden, um zielgerichtete Analysen und entsprechende Steuerungsimpulse zu generieren.

Fazit

Diese vier beleuchteten Hypothesen sehen wir unter anderem als große Treiber der Transformation der Finanzfunktion der Zukunft. In den kommenden Monaten werden wir in ausgewählten Deep-Dive-Artikeln tiefer darauf eingehen, mehr Details zu den Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen und unsere Einschätzung dazu abgeben.


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